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Jannik Vestergaard über WM in Russland, Christian Eriksen und Pizarro


Jannik Vestergaard
"Als Fan würde ich zweimal überlegen, nach Russland zu fahren"

InterviewVon Benjamin Zurmühl

29.04.2018Lesedauer: 7 Min.
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Erfahren: Auch wenn er erst 25 Jahre alt ist, hat Jannik Vestergaard bereits 184 Bundesliga-Spiele auf dem Konto.Vergrößern des Bildes
Erfahren: Auch wenn er erst 25 Jahre alt ist, hat Jannik Vestergaard bereits 184 Bundesliga-Spiele auf dem Konto. (Quelle: DeFodi/imago-images-bilder)

Für die WM in Russland haben sich viele Hooligans angekündigt. Einige sprechen sogar von einem "Festival der Gewalt". Gladbachs Jannik Vestergaard übt im Interview scharf Kritik an den "Fans" und lobt den dänischen Nationaltrainer Age Hareide.

Auf dem Platz gibt es angenehmere Gegenspieler als Jannik Vestergaard. Der groß gewachsene Innenverteidiger (1,98m) wirkt auf so manchen Stürmer furchteinflößend. Doch abseits des Platzes ist er ein freundlicher und reflektierter Typ, der sich über viele Themen Gedanken macht. Der Sohn eines dänischen Vaters und einer deutschen Mutter forderte beispielsweise Haftstrafen für Hooligans nach Ausschreitungen bei einem Derby in seiner Heimatstadt Kopenhagen.

Ein weiteres Herzensthema ist natürlich die dänische Nationalmannschaft. Mit "Danish Dynamite" qualifizierte sich Vestergaard in den Play-offs gegen Irland für die WM in Russland. Im Interview mit t-online.de zeigt sich der Abwehr-Riese selbstbewusst, dass er mit Dänemark einige Top-Nationen ärgern kann. Allen voran Frankreich, auf die man schon in der Vorrunde trifft...

t-online.de: Herr Vestergaard, als klar war, dass Sie bei der WM mit Dänemark auf Frankreich, Peru und Australien treffen würden, was dachten Sie da?

Jannik Vestergaard (25): Es ist eine Gruppe, die uns optimistisch stimmt. Aber da kann man auch sehr viel Pech haben. Wir dürfen Nationen wie Australien und Peru nicht unterschätzen. Peru hat sich schließlich in der Südamerika-Quali durchgesetzt, während Chile es nicht geschafft hat. Die müssen also eine gewisse Qualität haben.

Haben Sie schon mit dem Peruaner Claudio Pizarro gesprochen? Sie kennen sich ja aus gemeinsamen Tagen bei Werder Bremen.

Nein, das habe ich noch nicht. Ich würde es ihm aber sehr gönnen, wenn er dabei sein könnte. Er ist eine Legende im deutschen Fußball, ein unglaublich sympathischer Mensch und ich würde mich freuen, ihn mit Dänemark in Russland zu treffen.

Wie weit kommt Dänemark bei der WM?

Wir wollen definitiv ins Achtelfinale, aber da treffen wir auf die Vertreter der Gruppe um Argentinien und Kroatien. Das wird nicht leicht. Aber der Vorteil bei einer WM ist, dass du nur einmal gegeneinander spielen musst. Wenn der Gegner einen schlechten Tag hat, kannst du auch große Teams schlagen.

Wo liegen denn die Stärken der dänischen Nationalmannschaft?

Definitiv im Kollektiv, auch wenn wir sehr gute Einzelspieler habe. Also beispielsweise Christian Eriksen, der bei Tottenham eine Wahnsinns-Saison spielt. Aber wir haben auch mit Schmeichel einen tollen Torwart oder mit Andi Christensen von Chelsea oder Simon Kjaer von Sevilla sehr gute Spieler. Und trotzdem zeichnet uns als Mannschaft aus, dass wir als Einheit auftreten. Ich würde sogar so weit gehen, dass wir im breiten Kader 25 enge Freunde sind. Vielleicht hilft uns das gegen Frankreich. Die haben so eine große Auswahl, dass die wahrscheinlich sechs Mannschaften stellen könnten, die besser wären als unsere (lacht). Wenn du da was holen willst, musst du über den Geist kommen.

Wie kam das? Haben einzelne Spieler das Teambuilding vorangetrieben?

In erster Linie muss man da das Trainerteam loben, dem es sehr wichtig war, dass wir eine Einheit werden. Man muss sich auch einfach gut verstehen, weil wir lange miteinander herumreisen. Wir sind eine junge Mannschaft, die sich zum größten Teil aus den U-Mannschaften kennt.

Wo liegen die Schwächen der Mannschaft?

Das ist schwer zu sagen. Natürlich haben auch wir Punkte, an denen wir noch arbeiten müssen, aber wir haben gerade in den letzten Monaten große Schritte nach vorne gemacht. Wir können sehr simpel spielen, haben sehr große und kopfballstarke Spieler und sind einigen Teams physisch überlegen. Damit können wir einigen Mannschaften wehtun. Wir überschätzen uns nicht und denken, wir können jetzt den Spanien-Fußball spielen.

Nach 16 Jahren als Nationaltrainer war Ende 2015 für Morten Olsen Schluss. Seit nun zwei Jahren ist Age Hareide im Amt. Wie tickt er?

Für uns ist er der perfekte Trainer. Er gibt uns die Freiheiten, die wir als Spieler gerne haben wollen, erwartet dafür im Gegenzug eine gewisse Selbstdisziplin. Damit gehen wir sehr gut um und das beflügelt uns, weil wir sehr viel Vertrauen geschenkt bekommen. Es gibt nicht so viele Regeln, aber das wird nicht negativ ausgenutzt, wie man vielleicht denken könnte. Jeder übernimmt Verantwortung und das tut uns gut.

Worauf legt er taktisch wert?

Er will, dass wir den Gegner früh attackieren und uns nicht zu passiv hinten reinstellen. Und das obwohl er Norweger ist (lacht). Die sind ja dafür bekannt, dass sie tief verteidigen und mit langen Bällen arbeiten. Er verkörpert die dänische Mentalität sehr gut.

Wie unterscheidet sich Hareide von Olsen?

Ich war jetzt nicht so lange dabei unter Olsen, aber ich habe es sehr genossen unter ihm. Im Vergleich zu Hareide war er ein bisschen theoretischer. Er hat einen großen Wert auf die Taktik gelegt, hatte einen sehr klaren Plan und wir haben so auch Nationen wie Portugal schlagen können.
Auch für Hareide und Jon Dahl (Tomasson, Co-Trainer und ehemaliger Stürmer des VfB Stuttgart, Anm. d. Red.) ist die Taktik wichtig und sie erklären uns, wie wir Fußball spielen sollen. Aber bei ihnen spielt auch die Mentalität und unser Auftreten eine wichtige Rolle. Sie wollen, dass wir mit voller Überzeugung aufs Tor schießen. Sie schreien uns jetzt nicht an oder geben uns Backpfeifen zur Motivation, aber sie pushen uns und bauen uns auf.

Aus dem starken dänischen Kollektiv stechen aber auch ein paar Einzelspieler hervor. Allen voran natürlich Christian Eriksen. Wie würden Sie ihn beschreiben?

Er ist ziemlich komplett und sehr spielintelligent, liest die Zwischenräume und bewegt sich da sehr gut. Er hat einen „schwachen“ linken Fuß, der besser ist als der „starke“ rechte von anderen. Wenn man alleine das Play-off-Rückspiel in Irland (5:1 für Dänemark, Anm. d. Red.) sieht, da hat er zwei Tore mit dem rechten und eins mit dem linken Fuß geschossen. Er ist aber trotzdem alles andere als egoistisch und ein absoluter Teamplayer. Er freut sich über eine Vorlage genauso, wie über ein Tor. Wenn ich mal 60, 70 Jahre alt bin, werde ich meinen Enkeln erzählen, dass ich mit Christian Eriksen zusammengespielt habe.

Und privat?

Sehr ruhig. Er ist sehr respektvoll und etwas in sich gekehrt. Aber er versteckt sich jetzt auch nicht in der Mannschaft und haut auch schon mal einen Spruch raus.

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Nicklas Bendtner hingegen wirkt alles andere als ruhig, sorgt mit seinen Aussagen und Social-Media-Posts immer wieder für Lacher. Wie ist er in der Kabine?

Er ist für die Mannschaft sehr viel wert, bringt super Laune rein. Er hat große Qualitäten, sonst wäre er nicht da gewesen, wo er schon einmal war. Es ist sehr schade, dass er das Niveau nicht halten konnte. Jeder, der mit ihm zusammen gespielt hat, kann bestätigen, dass er in Sachen Abschluss und Technik überdurchschnittlich ist. Nicklas hatte leider viel Gegenwind in seiner Karriere, zum Teil natürlich auch selbstverschuldet. Aber er ist ein top Spieler und wichtig für die Mannschaft.

Nach Russland wird Ihr Team auch von vielen Fans begleitet. Spürt man in Dänemark schon die Euphorie?

Ja, auf jeden Fall. Aber das hat schon bei unserem 4:0-Sieg in der Quali gegen Polen begonnen. Jahrelang wurden die Fans von unseren Ergebnissen enttäuscht, aber seit diesem Sieg ist der Glaube an die Mannschaft zurückgekommen.

Für die WM haben sich aber auch viele Hooligan-Gruppen, insbesondere aus Russland, angekündigt. Sie sprechen von einem „Festival der Gewalt“. Macht das Ihnen Sorge um das Turnier?

Das sollte überhaupt nicht toleriert werden. Aber ich bin nicht so naiv und sage, dass man das kontrollieren und in den Griff bekommen muss, denn das ist nicht möglich. Diese Gruppen gibt es in jedem Land und sie werden sich finden und sich dann prügeln. Ich hoffe nur, dass sie das nicht in der Öffentlichkeit tun und es unter sich ausmachen, sodass die wahren Fußballfans nicht mit hineingezogen werden.

Bei der EM 2016 gab es diese Prügeleien in den Innenstädten der Spielorte. Der damalige russische Sportminister sagte anschließend, dass er „nichts Schlimmes an kämpfenden Fans“ erkennen könnte.

Meiner Meinung nach ist es ein großes Problem, das im Fußball überhaupt keine große Rolle spielen darf. Man weiß, dass diese Menschen, die Gewalt lieben, den Sport als Alibi nutzen, um sich schlagen zu können. Und da ist die Denkweise: ‚Nur weil wir aus unterschiedlichen Ländern kommen, prügeln wir uns jetzt‘. Es ist traurig, dass der Fußball weltweit damit in Verbindung gebracht wird.

Wenn Sie sich in die Rolle eines 40-jährigen Vaters hineinversetzen, würden Sie mit ihrem 15-jährigen Sohn als Fan dieses Jahr zur WM fahren?

Ich weiß nicht, ob ich privat ein Turnier in Russland unterstützen würde, aber das ist unabhängig vom Fußball. Als Fan würde ich also zweimal überlegen. Wenn das jetzt wie bei der WM 2006 nebenan in Deutschland wäre, wäre ich sicherlich dabei gewesen. Ich bin ja auch als Kind mit meinen Eltern bei Kopenhagen-Derbys gewesen, da passiert auch immer sehr viel drumherum.

In der Politik und in Verbänden wurde auch das Thema WM-Boykott diskutiert. Wäre das der richtige Schritt?

Es ist sehr schwer, bei der Frage die richtige Balance zu finden. Aber es ist natürlich aktuell eine angespannte Lage. Der Fußball sollte eigentlich nicht politisch sein, aber als größte Sportart der Welt ist er es inzwischen geworden. Vieles passiert momentan auf diesem Planeten, was größer ist als der Fußball. Aber man kann den Fußball dann wiederum auch nutzen, um ein Statement zu setzen. Das sollten aber Politiker machen, deren Job es ist, für die Bevölkerung zu sprechen. Wir als Sportler sollten meiner Meinung nach in erster Linie unseren Job erledigen, also Fußball spielen.

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