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BVB rotiert am Desaster vorbei - Tuchel: "Ich war entsetzt"


Tuchel: "Ich war entsetzt"
Der BVB rotiert knapp am Desaster vorbei

Von t-online
Aktualisiert am 21.08.2015Lesedauer: 4 Min.
Nach 22 Minuten liegt der BVB bei Odds BK 0:3 zurück. Die Spieler sind fassungslos.Vergrößern des BildesNach 22 Minuten liegt der BVB bei Odds BK 0:3 zurück. Die Spieler sind fassungslos. (Quelle: dpa-bilder)
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Aus Skien berichtet Patrick Brandenburg

Als die Choreo von Odds BK in der Skagerak-Arena startete, lachte auch die BVB-Gemeinde über den frechen Witz: Eine überdimensionale Europa-Flagge, gestreift in den schwarz-weißen Klubfarben, spannte über den Block der Hardcore-Fans. Dazu ein Plakat: "Dieser Kontinent ist nicht groß genug für uns beide." 22 Minuten nach Anpfiff schien der Jux jedoch bitterer Ernst zu werden.

Da führte der krasse Außenseiter mit 3:0 und bei Borussia Dortmund ging die nackte Angst um. "Das war ein Schock, ein Albtraum", sagte BVB-Sportdirektor Michael Zorc später in der Mixed Zone. Immer noch angegriffen, aber nun vor allem erleichtert. Denn sein Team hatte die bösen Geister doch noch verscheucht und einen 4:3-Pflichtsieg in Norwegen geholt.

Aufarbeitung angekündigt

An der peinlichen ersten Halbzeit wird sich der Favorit aber noch abarbeiten. "Darüber können wir nicht den Mantel des Schweigens decken", kündigte Zorc an. Denn Durchgang eins war ein Arroganz-Anfall, auch wenn die BVB-Verantwortlichen diesen Vorwurf von sich wiesen. Die magischen Worte "Gegner unterschätzt" kamen keinem über die Lippen. Und doch wehte dieser offensichtliche Gedanke durch das Stadion in der schnuckeligen Mittelstadt Skien, knapp 130 Kilometer südwestlich von Oslo. "Wir waren nicht bereit", war der Werbeslogan, mit dem die Westfalen in bester Spin-Doktor-Manier das Beinahe-Desaster verkaufen wollten. Zorc wählte diese Worte, und wie abgesprochen auch Trainer Thomas Tuchel. Dabei war Letzterer maßgeblich dafür zuständig, vorm wichtigen Playoff-Hinspiel der Europa League die Voraussetzung für das genaue Gegenteil zu schaffen.

Ausgerechnet der Coach, der bislang auf seiner neuen Karriere-Station alles richtig machte und seit Wochen erfolgreich Bescheidenheit predigt, hatte den aus BVB-Sicht deutlich zu spektakulären Abend in der Fußball-Provinz begünstigt. Offenbar war Tuchel der Meinung, sein Team könnte die lästige Pflichtaufgabe beim zweitklassigen Gegner im Vorbeigehen erledigen, um sich für die nächste Liga-Aufgabe in Ingolstadt zu schonen.

Gegenüber dem viel versprechenden Auftaktsieg über Gladbach hatte er daher sein Team durcheinander gewirbelt und gleich auf fünf Positionen verändert. Weitere Wechsel waren zudem geplant. "Wir wollten eigentlich Mats Hummels zur Pause rausnehmen und durch Sokratis ersetzen", entlarvte sich Tuchel im Nachhinein selbst. BVB-Star Marco Reus war ohnehin zuhause geblieben, um auf Kunstrasen keine Verletzung zu riskieren. Auch Jonas Hofmann fiel auf schwierigem Untergrund wegen seiner Knieprobleme als Alternative aus.

Mchitarjan verhindert den Betriebsunfall

Zu viele Änderungen oder freiwillige Beschränkungen auf einmal für eine Mannschaft, die nach der vergangenen Seuchensaison nicht genügend gefestigt ist für das Experiment Großrotation. Der Plan Schongang war jedenfalls schon nach 13 Sekunden Makulatur. Da hatte der als Rechtsverteidiger ins Team gerutschte Gonzalo Castro das Nachsehen gegen den flinken Rafik Zekhnini, und Odds Jone Samuelsen keine Mühe, den Ball ins Tor zu köpfen. Beim zweiten Odds-Angriff sah Weltmeister Mats Hummels wiederholt schlecht aus gegen den früheren Zweitliga-Stürmer Olivier Occean. Castro sowie der ebenfalls in die Startelf gerückte Matthias Ginter standen Spalier, als Fredrik Nordkvelle zum 2:0 spazierte (19. Minute). Der dritte Gegentreffer gehörte Roman Weidenfeller, der einen Freistoß von Espen Ruud nicht aufhalten konnte, obwohl der Ball aus 30 Metern auf die Torwart-Ecke flog.

"Ich war entsetzt, wie einfach das ging", gab Tuchel ob der nicht für möglich gehaltenen Fehlerketten zu Protokoll. In die Analyse wollte er aber nicht einsteigen. Lieber erklärte er die Defizite mit "Murphys Gesetz" - was schiefgehen kann, geht eben schief.

Immerhin gab sein Team bessere Antworten und überzeugte gegen den international unerfahrenen Underdog schließlich doch mit der passenden Mentalität. Pierre-Emerick Aubameyang per Doppelpack (34., 77.), und Shinji Kagawa (47.) brachten den BVB zurück ins Spiel. Sechs Minuten vor dem Ende der für alle Beteiligten denkwürdigen Partie im hohen Norden verhinderte Henrich Mchitarjan mit seinem schon siebten Pflichtspieltreffer der jungen Saison den Betriebsunfall. "Die zweite Halbzeit war spektakulär", lobte Tuchel die deutliche Steigerung. "Am Ende haben wir Moral gezeigt und hätten noch höher gewinnen müssen." Weil der BVB vier Mal Latte oder Pfosten traf, konnte sich der freche Odds BK trotz des mutigen Auftritts nicht über die Niederlage beschweren. Gewinner waren sie trotzdem. Die Rekordkulisse von 12.000 Fans klatschte schon lange vor Abpfiff stehend Applaus.

Kampl wirkt wie ein Fremdkörper

Der BVB nimmt neben dem Sieg und der fast sicheren Aussicht auf die Gruppenphase der Europa League wichtige Erkenntnisse mit nach Hause. So dürften dem Trainer künftig einige Personalentscheidungen viel leichter fallen. Von den vermeintlichen Rotations-Profiteuren konnte keiner punkten. Die entthronte Nummer eins Weidenfeller ist drauf und dran, auch die erhoffte Stelle in Alters-Teilzeit im Europapokal zu verspielen. Für Elf-Millionen-Euro-Neuzugang Castro wird es nun selbst als Außenverteidiger eng, nachdem im Mittelfeld nach Ilkay Gündogans Verbleib und der überraschenden Entwicklung von Shooting-Star Julian Weigl kein Platz mehr für ihn ist. Kevin Kampl nutzte seine Chance im offensiven Mittelfeld erneut nicht. Der Winterneuzugang wirkt weiter wie ein Fremdkörper und gesellt sich zu den heißesten Kandidaten für einen Verkauf noch in diesem Sommer.

Dagegen ist auf die Offensive Verlass. Mchitarjan, Aubameyang, Kagawa und Gündogan - sie alle überzeugten und hätten mit ein wenig mehr Glück sogar mehr herausgeholt. Auch auf Verteidiger Sokratis kann Tuchel uneingeschränkt bauen. Der Grieche stabilisierte die Abwehr nach seiner Einwechslung deutlich und dürfte den Stammplatz inzwischen sicher haben neben dem wankelmütigen Mats Hummels, der nach der Gala gegen Gladbach nun sehr deutlich abfiel.

Ginter, der in der Innenverteidigung eklatante Mängel aufwies, entwickelte nach der Pause auf Castros Position überraschend viel Drang nach vorne und verdiente sich so eine weitere Chance. Auf der Suche nach der perfekten Elf ist Tuchel also einen deutlichen Schritt weitergekommen - wenn auch ziemlich unfreiwillig.

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