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Frauen-WM | ZDF-Kommentatorin Neumann: Diese Trainerin ist "das ideale Paket"


Claudia Neumann vor Finale
"Natürlich war das ein Schock"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 20.08.2023Lesedauer: 6 Min.
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Kommentatorin und Expertin Claudia Neumann (Archivbild). (Quelle: Roland Krivec/DeFodi.eu)

Am Sonntag duellieren sich England und Spanien im rein europäischen Finale. Am Mikrofon wird dann ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann sitzen.

Aus Sydney berichtet Noah Platschko

Die Reisestrapazen sind auch an Claudia Neumann nicht spurlos vorbeigegangen. Von Australien nach Neuseeland, hin und her ging es für die Kommentatorin bei dieser Weltmeisterschaft, die was die Flugstrecken aller Beteiligten angeht, sicherlich keinen Preis für umweltfreundliche Zustände erhalten wird.

Rein sportlich gesehen wird diese Fußball-WM der Frauen allerdings als die wohl beste aller Zeiten in die Geschichte eingehen – trotz der großen vor Turnierbeginn geäußerten Skepsis, die Ausweitung auf 32 Mannschaften könnte dem spielerischen Niveau schaden.

Auch Claudia Neumann hatte diese Sorge zu Beginn. Sie musste allerdings feststellen, dass sich diese nicht bewahrheitete, sondern die vermeintlich kleinen Teams Paroli boten und als Top-Favoriten eingeschätzte Länder frühzeitig abreisen mussten. Ein Gespräch über aufmüpfige Außenseiter, die enttäuschende deutsche Mannschaft und eine eigenwillige Fehlerkultur.

t-online: Frau Neumann, England trifft im WM-Endspiel auf Spanien. Das in Ihren Augen logische Endspiel?

Claudia Neumann: Ob es DAS logische ist, weiß ich nicht. Aber es ist auf jeden Fall eines, das ich mir vor Turnierbeginn sehr gut hätte vorstellen können. Was Spanien am Ball kann, ist bekannt. England kennen wir auch noch gut von der EM. Da ist Sarina Wiegman ein ganz entscheidender Faktor. Für mich ist sie die beste Trainerin der Welt. Was sie mit ihrem Team erreicht hat, trotz der verletzungsbedingten Ausfälle während, aber vor allem vor der WM, das war und ist außergewöhnlich. Sie scheint – von außen betrachtet – das ideale Paket in Bezug auf Methodik und Didaktik mitzubringen.

Für Sie wird es am Sonntag das zweite WM-Finale, das Sie kommentieren. Wie groß ist die Vorfreude?

Für mich ist es und wird es ein Fußballspiel wie jedes andere auch – außer, dass der Rahmen natürlich ein deutlich größerer und festlicher ist. Ich freue mich riesig auf das Finale, aber handhabe es wie immer: Wir Kommentatorinnen und Kommentatoren sind Beiwerk. Im Kern geht es um die Teams auf dem Platz, die sich auf das Spiel ihres Lebens freuen.


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An dieser Stelle ist jeder weitere Kommentar sinnlos.


Claudia Neumann über Kritik nach dem Champions-League-Finale


Nach Ihrem letzten Endspiel, das Champions-League-Finale der Männer zwischen Manchester City und Inter Mailand, prasselte viel Kritik auf sie ein. Beschäftigt Sie dieses Thema noch?

Nein. Für mich ist das ohnehin ein vom Sport loszulösendes Thema unserer Gesellschaft, was ich an dieser Stelle allerdings nicht weiter besprechen möchte. Zu all den klassischen Impulsen, die nach so einem Spiel kommen, beziehe ich seit vielen Jahren Stellung, quasi in einer Dauerschleife. An dieser Stelle ist jeder weitere Kommentar sinnlos, denn es geht um eine ganz andere gesellschaftliche Dimension, die ich an anderer Stelle gerne wieder aufgreife.

Kommen wir zurück zur Weltmeisterschaft: Wie wichtig war es für dieses Turnier, dass der Gastgeber so weit gekommen ist?

Es war ein absolutes Highlight, die Stimmung rund um die "Matildas" vor Ort mitzuerleben. Die Atmosphäre bei diesen Heimspielen war eine besondere. Das ganze Land hat dieses Team getragen – auch weil sie natürlich so eine tolle Mannschaft haben. Ich will nicht wissen, was passiert wäre, wenn Sam Kerr von Anfang an komplett fit gewesen wäre.

Die letzte WM wurde noch mit 24 Mannschaften ausgetragen. Vor Turnierbeginn waren die Zweifel groß, ob mit 32 Ländern das Niveau sinken würde.

Der erste Impuls war bei mir damals auch der, dass die Qualität der Matches darunter leiden könnte und wir in der Gruppenphase wieder 10:0-Spiele sehen würden. Aber je mehr ich mich im Vorfeld mit den Teams beschäftigt habe, desto klarer wurde mir, dass dem nicht so sein würde. Die kleineren Nationen haben beim Thema Technik und Athletik unfassbar aufgeholt. Auch auf der Bank hatten diese Teams deutlich mehr erfahrene Trainer und Trainerinnen, die ihre Mannschaften sehr gut auf die vermeintlich großen Teams eingestellt haben.

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Teams wie Australien, Nigeria oder Kolumbien überzeugten, andere wie Brasilien oder die USA enttäuschten. Was hat diesen vermeintlichen Top-Nationen gefehlt?

Das Auftreten der Brasilianerinnen hat mich sehr überrascht. Das war zu wenig, zu uninspiriert. Vielleicht hat Pia Sundhage (Trainerin Brasiliens, Anm. d. Red.) ihre Mannschaft zu "europäisch" eingestellt, sodass ihre eigentlich vorhandene kreative Brillanz weniger zur Geltung kommen konnte. Bei den USA war der Abwärtstrend schon länger erkennbar. Und diese Physis, diese Wucht, das Tempo, das diese Mannschaft sonst immer ausgezeichnet hat, war bei diesem Turnier überhaupt nicht zu sehen. Aber dass man nach zwei WM-Titeln mal in eine Talsohle abgleitet, ist völlig normal. Da kann Deutschland auch ein Lied von singen.

Das Abschneiden der DFB-Frauen gehörte zu den größten Enttäuschungen dieser WM. Sie haben das letzte Gruppenspiel gegen Südkorea für das ZDF live kommentiert. Was waren Ihre Gedanken unmittelbar nach Abpfiff?

Natürlich war der Moment, als sie dann wirklich ausgeschieden waren, ein Schock. So was hat es ja noch nie gegeben. Aber das Aus war ja ein schleichender Prozess. Das DFB-Team hat sich bei dieser WM komplett nackig gemacht, was seine Problemzonen anbelangt. Bei der EM konnten sie mit ihrem Teamgeist noch die Defizite kaschieren. Die Leistung in Australien hat nun aber gezeigt, dass die DFB-Frauen verglichen mit den anderen Nationen in diversen Bereichen rückständig waren und sind.


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Ich hatte das Gefühl, man wollte sich irgendwie durchwurschteln. Eine Spielfreude war nicht zu erkennen.


Claudia Neumann über das deutsche Team bei der WM


Welche Bereiche meinen Sie?

Die Generation Däbritz, Magull oder Huth, sie ist, was technische Fähigkeiten angeht, ganz vorne in der Weltspitze mit dabei. Aber ich glaube, es wurde in den vergangenen sechs, sieben Jahren verpasst, diese Qualitäten auf einem Level des gestiegenen Tempos, der gestiegenen Athletik und der gestiegenen Handlungsschnelligkeit der Gegnerinnen auszubauen. Sobald zwei gegnerische Spielerinnen angerannt kamen, war der Ball weg. Wenn ich das mit Japan vergleiche, war das eine andere Welt.

Bereits in den Testspielen hatte sich aber doch abgezeichnet, dass die Mannschaft Probleme hat.

Ja, die Leistungen waren in den Monaten vor dem Turnier nicht gut. Und ich verstehe nicht, warum so oft nach Ausreden gesucht wurde. Ich hatte das Gefühl, man wollte sich irgendwie durchwurschteln. Eine Spielfreude war nicht zu erkennen. Man wusste, dass es im Achtelfinale möglicherweise schon zu einem schwierigen Spiel hätte kommen können. Aber ein Aus in der Gruppenphase: Sorry, das hätte nicht passieren dürfen.

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Dazu kommt, dass sich der Verband nicht unbedingt von seiner transparentesten Seite zeigt.

Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal ein komplettes DFB-Training in voller Länge verfolgen konnte. Das muss irgendwann weit vor der Corona-Pandemie gewesen sein. Zu früheren Zeiten hatte ich öfter die Möglichkeit, mir im Training selbst ein Bild machen zu können. Natürlich schauen wir alle die Spiele, aber dann fehlt uns der Vergleichswert. Kann das Team es besser oder nicht? Und da bin ich mir nach dem, was ich in den vergangenen zwölf Monaten gesehen habe, eben nicht mehr so sicher.

Welchen Anteil hat die Bundestrainerin am historischen Scheitern von Brisbane?

Dass Martina Voss-Tecklenburg inhaltlich eine gute Trainerin ist, davon bin ich überzeugt. Aber das, was ich auf dem Feld gesehen habe, war mir zu wenig variabel und inspirationslos. Mein Eindruck war, dass die Spielerinnen sehr in Schablonen gepackt wurden. Wie ihre Laufwege sein sollen, was Vorwärts- und Rückwärtsbewegung angeht. Die Individualität und Kreativität hat gefehlt, wobei wir da nicht bei der Bundestrainerin, sondern in der Ausbildung ansetzen müssen. Aber auch Martina wirkte bei der WM in den Momenten, in denen es nicht lief und komplizierte Widerstände aufkamen, ratlos. Ich habe nicht gemerkt, dass von außen korrigierend eingegriffen wurde.

Einen Tag nach dem Südkorea-Spiel hatten Sie die Möglichkeit, kurz mit Kapitänin Alexandra Popp zu sprechen. Was hat sie Ihnen gesagt?

Bei ihr war noch eine große Leere und Ratlosigkeit. Und sie hat einfach nur noch mal betont, dass sie ja nicht sagen würde, dass es die Mannschaft besser kann, wenn es in ihren Augen nicht so wäre. Sie war selbst konsterniert, dass es so früh zu Ende ging.


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Sie ist jung, hat Ideen und ist hoffentlich nicht zu sehr von den überkommenen Verbandsstrukturen, die die Uefa ja genauso hat, eingenommen.


Claudia Neumann über die designierte DFB-Geschäftsführerin Nadine Kessler


Auf den DFB prasselte bereits vor dem Turnier viel ein. Die Prämien-Diskussion, die Auswahl des Teamquartiers, der Abstellungsstreit mit dem FC Bayern. Nun folgte das sportliche Debakel bei der WM. Ist der Verband zukunftsfähig aufgestellt?

Die Struktur des DFB ist nach wie vor sehr tradiert. Diese Struktur gibt nicht vor, sich permanent mit Expertinnen oder Experten von außen auszutauschen. Ich würde vorschlagen, dass sich der DFB deutlich mehr öffnet und Kritik zulässt. Dazu gehört auch der Umgang mit Fehlern. Wir haben ein furchtbares Fehlermanagement in unseren Strukturen drin. Es wird immer so getan, als ob ein Fehler eine Katastrophe ist. Aber das ist Quatsch. Gerade aus Fehlern entstehen neue, positive Dinge.

Ex-Nationalspielerin Nadine Kessler wird nun aller Voraussicht nach neue Geschäftsführerin beim DFB. Eine gute Wahl?

Das, was Nadine Kessler nach ihrer Karriere auf die Beine gestellt hat, das spricht für sie. Ich finde die Personalie sehr spannend. Sie ist jung, hat Ideen und ist hoffentlich nicht zu sehr von den überkommenen Verbandsstrukturen, die die Uefa ja genauso hat, eingenommen. Ganz wichtig wird sein, dass sie offen ist für Vorschläge und für Expertise von außen. Und sie den Mut mitbringt, Diskussionen nicht nur hinter verschlossenen Türen zu führen.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Gespräch mit Claudia Neumann
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