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"Kaiser" Frank Beckenbauer wird 70 - Erinnerungen eines Journalisten


Beckenbauer wird 70
Erinnerungen an die "Kaiserzeit"! "Ihr schreibt's doch eh, was ihr wollt"

Von t-online
Aktualisiert am 11.09.2015Lesedauer: 7 Min.
Franz Beckenbauer blickt auf ein bewegtes Leben zurück: Er war Weltmeister als Spieler 1974 und als Trainer 1990. Als Funktionär hat er zudem die WM 2006 nach Deutschland geholt.Vergrößern des BildesFranz Beckenbauer blickt auf ein bewegtes Leben zurück: Er war Weltmeister als Spieler 1974 und als Trainer 1990. Als Funktionär hat er zudem die WM 2006 nach Deutschland geholt. (Quelle: T-Online-bilder)
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Am heutigen 11. September feiert Franz Beckenbauer seinen 70. Geburtstag. Einer, der das Schaffen des Kaisers schon seit vielen Jahrzehnten verfolgt, erst als Fußballfan, später aus beruflichen Gründen, ist der bekannte Sportjournalist Günter Klein. Seine Twitter-Nachrichten unter @guek62 besitzen längst Kult-Charakter. Für den "Münchner Merkur" berichtet der 53-Jährige vor allem über Themen rund um den FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft. Im Interview mit t-online.de spricht Klein über seine ganz persönlichen Erfahrungen mit der Lichtgestalt Franz Beckenbauer.

Wann sind Sie das erste Mal auf Franz Beckenbauer aufmerksam geworden?
Sein Name schlich sich in den späten 60er Jahren bei mir ein. Das lag auch daran, dass sich mein Vater sehr für Fußball interessiert hat. Ich durfte am Samstag nie Daktari schauen, sondern musste immer die Sportschau gucken. Bei der WM 1970 konnte ich wegen der Zeitverschiebung nicht alle Spiele sehen, aber spätestens seit der EM-Qualifikation 1972 mit dem Sieg in Wembley waren mir alle großen Namen im deutschen Fußball geläufig.

Und der Name Beckenbauer ganz besonders?
Beckenbauer hat damals schon alles überstrahlt. Man hat bereits zu diesem Zeitpunkt gesagt, das ist der Beste, den wir je hatten und je haben werden. Dieses Alleinstellungsmerkmal hat er sehr deutlich getragen. Seinen sportlichen Höhepunkt hatte er in der Saison vor der WM 1974 mit dem ersten Sieg der Bayern im Landesmeistercup. Bei der WM im eigenen Land fand ich ihn als Spieler schon auf dem absteigenden Ast. Johan Cruyff wurde ja auch zum besten Spieler des Turniers gewählt. In Deutschland hat man sich noch ein bisschen gegen diesen Eindruck gewehrt, aber es war klar, dass die Leistungskurve nach diesem Triumph bei Beckenbauer nach unten zeigen würde.

Welche Kindheitserinnerungen verbinden Sie mit Beckenbauer?
Als Kind habe ich Beckenbauer voller Ehrfurcht bewundert. Ich habe mir sogar im Kino den furchtbar missglückten Film "Libero" angeschaut. Das war Pflichtprogramm. Aber als er in einer Szene in Israel am Strand im "Freistaat Bayern"-T-Shirt langgejoggt ist, war auch mir mit meinen zwölf Jahren schnell klar, dass das kein großes Filmkunstwerk ist.

Ende der 70er Jahre gab es damals aus dem Hause "kicker" das "Fußball-Magazin". Als Beckenbauer aus Amerika zum Hamburger SV in die Bundesliga zurückgekehrt war, ging die Diskussion los, ob er jetzt auch wieder in der Nationalmannschaft spielen soll. Wider besseren Wissens war ich auch dafür. Und habe mir auf meinen Schulranzen ein Aufkleber aus eben diesem "Fußball-Magazin" draufgeklebt mit der Aufschrift: "Kaisertreuer".

Später hatten Sie beruflich viel mit Beckenbauer zu tun. Können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit ihm erinnern?
Das war 1987 und gleich sehr prägend für mich. Ich befand mich im dritten Redakteursjahr bei der Fachzeitschrift "Sportkurier" und durfte zu einem Länderspiel nach Ungarn fahren. Damals waren unglaublich viele Fans aus der DDR angereist. Für sie war es eine riesige Attraktion, die westdeutsche Nationalmannschaft sehen zu können. Ich sollte meine Akkreditierung im DFB-Hotel beim damaligen Pressechef Rainer Holzschuh abholen. Aber es standen tausende von DDR-Bürgern vor dem Mannschaftshotel und der Wachdienst hat alles dicht gemacht und niemanden durchgelassen.

Also bin ich wieder abgezogen. Ich befürchtete die größte Blamage in meiner noch jungen Laufbahn als Sportjournalist. Keine Eintrittskarte, kein Spiel. Handys gab es damals noch nicht. Ich bin dann im nahegelegenen Park spazieren gegangen und habe überlegt, was ich machen soll. Da sehe ich plötzlich wie eine Fotokamera aufgebaut wird. Daneben stand Franz Beckenbauer, der damals bereits Nationaltrainer war mit Pierre Littbarski und noch zwei anderen Spielern. Sie machten Aufnahmen für die neue Adidas-Kollektion. Als sie fertig waren, habe ich mein Herz in beide Hände genommen und gesagt: 'Herr Beckenbauer, mein Name ist Günter Klein vom Sportkurier. Sie kennen ja meinen Chef Paul Ludwig ganz gut. Ich habe ein Problem. Ich muss ins Hotel meine Karte abholen. Aber sie lassen mich nicht rein.' Da sagte Beckenbauer in seiner lockeren Art: 'Es ist auch an der Zeit, dass der Paul die Arbeit einem Jüngeren überlässt. Das sage ich ihm schon seit zwanzig Jahren.' Er hat mich dann mit ins Hotel genommen. Und ich bin mit dem fiesesten Gesicht, das ich aufbieten konnte an den Wachleuten vorbei, die mir zuvor den Durchgang verwehrt hatten.

War dieses kuriose Treffen bei den weiteren Interviews in den kommenden Jahren hilfreich?
Mir ist dieser Moment sicher mehr im Gedächtnis haften geblieben als ihm. Später musste man sich neu kennenlernen. Als ich 1998 zum "Münchner Merkur" kam, hatte ich häufiger mit ihm zu tun. Er hatte damals einen Werbevertrag mit o2 unterschrieben, aber privat weiterhin ein D2-Handy benutzt. Unter dieser Nummer war er stets zu erreichen. Auch später, als er Präsident des FC Bayern war, gab er bereitwillig Interviews, vor allem als es auf die WM 2006 zuging.

Wie gab er sich in den Gesprächen?
Er war jovial, immer sehr locker. Jeder, der ein Interview mit ihm hatte, konnte sicher sein, dass er etwas hingeworfen bekam, dass er an die Agenturen weitergeben konnte, um zitiert zu werden. Er war immer sehr höflich, hat angenehme Umgangsformen und war zu Frauen extrem charmant. Nur wenn er sich ungerecht behandelt fühlt, kann er schon mal aufbrausend werden. Aber das kommt selten vor.

Hat er sich manchmal über schlechte Presse bei Ihnen oder den Kollegen beschwert?
Ich glaube, er hat die Interviews nie so genau gelesen. So richtig echauffiert hat er sich eigentlich nie über das, was in der Zeitung stand. Wenn man sich wiedergesehen hat, hat er immer gesagt: 'Ja gibt’s euch auch noch. Ihr schreibt‘s doch eh was ihr wollt'. Einzig die "Süddeutsche" hat ihm vielleicht ein bisschen zugesetzt, als sie kritische Artikel in Bezug auf die WM 2006 gedruckt hatte. Und zum "Münchner Merkur" hat er ohnehin eine besondere Beziehung.

Wir sind gespannt…
Als Beckenbauer damals nach Amerika gegangen ist, hat ihn der Merkur exklusiv als Kolumnisten eingekauft. Er hat damals unanständig viel Geld bekommen, was er heute vom „Münchner Merkur“ nicht mehr bekommen würde. Niemand auf der Welt würde unter keinen Umständen noch einmal so viel bekommen. Dafür, dass er sich hat anrufen lassen und bisschen was von der USA erzählt hat, hat er in einer Woche mehr eingesteckt, als ein Redakteur in einem Monat verdienen konnte.

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Eine besondere Beziehung dürfte Franz Beckenbauer auch mit Uli Hoeneß pflegen. Wie sehen Sie das?
Sie sind zwei Mal aneinandergeraten, aber ich glaube, das Verhältnis zwischen Beckenbauer und Hoeneß ist eher von Leichtigkeit geprägt als zum Beispiel die Beziehung zwischen Hoeneß und Rummenigge. Die beiden hatten eine Krise während der WM 1974. Das hat Uli dem Franz auch nie verziehen. Nach der 0:1-Niederlage gegen die DDR war es Beckenbauer, der die Mannschaft umgestellt hat. Und Hoeneß war erst einmal draußen. Das hat Hoeneß lange mit sich herumgetragen. Er hat es Jahrzehnte später in den Dokumentationen über die WM 1974 immer wieder erwähnt. Später am Ende der Präsidenten-Zeit Beckenbauers hat es noch mal geknistert zwischen den beiden. Als sich Beckenbauer in seinen Kolumnen kritisch zum FC Bayern geäußert hatte. Da haben sich Hoeneß und Rummenigge per Pressemitteilung von seinen Aussagen distanziert. Beckenbauer, gleichzeitig auch Aufsichtsratsvorsitzender, fragte damals die beiden launig: ‚Ihr wisst schon, wer euer Chef ist?‘ Beckenbauer war der etablierte Spieler und schon ein Weltstar, Hoeneß war der junge, aufstrebende Spieler. Möglicherweise ist das Verhältnis der beiden über all die Jahre immer ein bisschen so geblieben.

Würden Sie Beckenbauer als politischen Menschen bezeichnen?
Er hat seine ganz eigenen Ansichten und pflegt ein eher einfaches politisches Bild. Er bevorzugt die Konsensmeinung und ist für das Gute. Er ist gegen Krieg und für Frieden und dass man miteinander auskommt. Mir ist ein Auftritt von ihm noch in guter Erinnerung geblieben: Das war in den 80er Jahren in der Sendung "Live", eine der ersten Talkshows im TV. Sie wurde von Amelie Fried und Harry Valerien moderiert. Da hat Beckenbauer gesagt: 'Wenn dieser Staat Deutschland nicht funktioniert, dann sperre ich ihn zu.' So was kann halt nur der Kaiser sagen. Ernstnehmen als politischen Vorschlag kann man das nicht.

Mit seinen 70 Jahren ist Beckenbauer weiterhin omnipräsent. Was treibt ihn an?
Ich habe kürzlich mit Fedor Radmann gesprochen, der als Sportfunktionär lange an Beckenbauers Seite agiert hat. Er hat gesagt, Beckenbauer habe Verträge, die er noch abarbeiten müsse. Aber er hätte sich schon zurückgenommen. Radmann meinte, wenn Franz gewollt hätte, wäre er UEFA-Präsident und danach FIFA-Präsident geworden. Die Tür stand ihm offen. Es war eine bewusste Entscheidung von Beckenbauer, sich gegen die 200 Tage on the road zu entscheiden und mehr Zeit zu Hause zu verbringen.

Der tragische Tod seines Sohnes Stephan, der kürzlich mit nur 46 Jahren an den Folgen eines Hirn-Tumors gestorben ist, dürfte auch seinen Teil dazu beigetragen haben.
Mit Sicherheit. Es wird keine Geburtstagsfeier geben. Beckenbauer ist derzeit nicht bei Sky 90 aktiv und auch seine Bild-Kolumne ist erst einmal auf Eis gelegt. Er hat sich derzeit völlig zurückgezogen, weil er trauert und noch geschockt ist. Ich erkenne schon, dass er den Rückzug langsam vorbereitet. Er ist nicht mehr so leicht erreichbar. Früher gab es die berühmte Handynummer, die alle Journalisten hatten. Da ging er dann irgendwann nicht mehr selber dran, sondern sein Manger Marcus Höfl. Mittlerweile geht auch er nicht mehr dran, sondern die Sekretärin von Höfl. Man hält ihm die Sachen etwas vom Hals.

Wieviel Beckenbauer wird es in Zukunft noch geben?
Es wird immer weniger Beckenbauer. Er muss ein bisschen aufpassen mit den ganzen Russland-Geschichten um Gazprom, für die er ja als Botschafter aktiv ist. Und was bei der FIFA noch nachkommt. Da wünscht man ihm und uns allen nicht, dass die WM 2006 nachträglich doch noch befleckt wird. Wenn da nichts hängen bleibt, ist es gut. Dann wird er weiterhin in der Rolle als Fußballweiser gefragt sein.

Gibt es jemanden, der in seine Fußstapfen treten könnte?
Klar ist natürlich, dass dieses umfassende Werk als Spieler, Trainer und Funktionär in dieser Gänze keiner seiner potentiellen Nachfolger zustande bringen wird. Aber irgendwann wird es einen geben, auf den man mehr hören wird als auf Beckenbauer. Er war der letzte Weltmeister, der sagen konnte wie es funktioniert. Jetzt gibt es bei Bayern eine Generation, die auch Weltmeister geworden ist, die die Champions League gewonnen hat und die später in den Medien Karriere machen könnten. Thomas Müller ist ein eloquenter Mensch, der diese öffentliche Rolle einnehmen könnte.

Das Interview führte Thomas Tamberg

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