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Bernd Neuendorf ist neuer DFB-Präsident – wie geht es nun weiter?


DFB will den Neuanfang
Knallharte Abrechnung

  • Noah Platschko
Von Noah Platschko

Aktualisiert am 11.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Rainer Koch: Der bisherige Interimspräsident ist nicht mehr Teil des DFB-Präsidiums.Vergrößern des Bildes
Rainer Koch: Der bisherige Interimspräsident ist nicht mehr Teil des DFB-Präsidiums. (Quelle: Schüler/imago-images-bilder)

Bernd Neuendorf ist neuer DFB-Präsident und setzte sich am Freitag gegen Peter Peters durch. Doch welche konkreten Auswirkungen hat seine Wahl auf den Verband? Und: Ist nun Schluss mit dem "Weiter so"?

Die Delegierten haben entschieden: Bernd Neuendorf ist am Freitag in Bonn zum neuen DFB-Präsidenten gewählt worden – und das mit beeindruckender Mehrheit. 193 der insgesamt 250 Stimmen erhielt der neue DFB-Boss, damit fast vier Mal so viele wie Peter Peters (50 Stimmen), der deutlich verlor.

Neuendorf muss nun den Verband in eine positive Zukunft führen. Nach Jahren der Intrigen, Mauscheleien und Skandale soll nun Schluss sein mit den Schlammschlachten. Doch kann ein Neuanfang überhaupt gelingen?

Neuendorf gegen den Schatten der Vergangenheit

Die Aufgabenliste des neuen Bosses im Deutschen Fußball-Verband ist ellenlang. Da ist zum einen der Schatten der Vergangenheit. Erst in der vergangenen Woche kreuzten einmal mehr Steuerfahnder in der Frankfurter Verbandszentrale auf und beschlagnahmten Unterlagen. In der jüngsten Affäre geht es um einen angeblichen Scheinvertrag mit einem externen Berater, der 360.000 Euro erhalten haben soll.

Auch der Sommermärchen-Skandal, in dessen Zuge das Finanzamt 2017 vom DFB eine Steuernachzahlung von 19,2 Millionen Euro gefordert hatte, ist immer noch nicht aufgeklärt. Der frühere DFB-Boss Theo Zwanziger empfahl der künftigen Verbandsführung daher, den Neuanfang so transparent wie möglich anzugehen.

Initiative "Fußball kann mehr" ist skeptisch

Bereits gut zwei Wochen vor der Wahl hatte Claudia Neumann, ZDF-Reporterin und Mitglied der Initiative "Fußball kann mehr", ihren Pessimismus zum Ausdruck gebracht, dass das gelingt. "Transparenz und Glaubwürdigkeit sind wichtige Punkte, die ich nirgends erkennen kann", kritisierte sie im "Deutschlandfunk".

Auch Katja Kraus, ebenfalls Teil der Initiative, sah bereits vor der Wahl ein Kernproblem: "Ich hätte mir einen offenen Wettbewerb zwischen verschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten und ihren Ideen für den Fußball gewünscht. Diese Diskussion, welchen Fußball wir alle eigentlich wollen und was die Rolle des DFB darin sein kann, hat nicht stattgefunden", so die frühere Nationaltorhüterin bei "Spox".

Überraschung: Koch fliegt aus dem Präsidium

Das System als Problem: Mit dieser Auffassung steht Kraus keinesfalls allein da. Ex-Präsident Fritz Keller will im bisherigen Interimspräsidenten Rainer Koch die Personifizierung des krankenden DFB-Systems festgemacht haben, den Strippenzieher im Hintergrund. Koch überdauerte mit Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach, Reinhard Grindel und Keller insgesamt vier DFB-Präsidenten.

Auch am Freitag hatte er für einen Sitz im Präsidium kandidiert – unterlag bei der Wahl zum Vizepräsidenten aber überraschend deutlich seiner Gegenkandidatin Silke Sinning. Es war eine beispiellose Niederlage. Koch, der zuvor in einer skurrilen Antrittsrede die Delegierten darum gebeten hatte, sich "nicht an der Wahl zu beteiligen", sollten sie Sinning wählen, wurde mit 63 zu 168 Stimmen abgestraft – eine knallharte Abrechnung der Stimmberechtigten mit Koch.

Neuendorf zuletzt diplomatisch im Fall Koch

Neu-Präsident Neuendorf hatte sich in der Causa Koch zuvor defensiv verhalten, sich als Diplomat gegeben: "Ich habe bislang als Mensch Bernd Neuendorf keine Erfahrungen gemacht, die es rechtfertigen würden, mich von Rainer Koch lossagen zu müssen." Die Abwahl Kochs aus dem Präsidium hat Neuendorf nun zumindest eine Baustelle weniger beschert. Auch wenn der DFB mit Koch im Uefa-Exekutivkomitee und Peters im Fifa-Rat nun auf internationaler Ebene zwei geschwächte Persönlichkeiten sitzen hat.

Doch wie groß sind nun die Chancen, dass Neuendorf wirklich etwas verändert im Verband? Die Hoffnungen zumindest sind groß. "Wer den Weg der Erneuerung und des kulturellen Wandels nicht mitgeht, der wird mich zum entschiedenen Gegner haben", kündigte Neuendorf in seiner Antrittsrede am Freitag vollmundig an. Eine klare Botschaft an diejenigen, die es sich in den bisherigen Strukturen bequem gemacht hatten.

Auch das zuletzt beschädigte Verhältnis zwischen DFB und DFL sprach Neuendorf in seiner Kandidatenrede an. "Mein Eindruck war in der Tat, dass lange Zeit nicht freundlich mit- und übereinander gesprochen wurde. Wir müssen aufhören, Amateurvertreter und Liga als zwei völlig unversöhnliche Lager zu beschreiben", so Neuendorf.

"Wer glaubt, dass er sich auf Kosten des jeweils anderen profilieren kann, der irrt. Wir schaden mit permanenten Auseinandersetzungen uns allen – und damit dem Fußball. Das muss aufhören. Wir brauchen eine neue Kultur des Miteinanders." Ob sich die beiden Lager auch in der Praxis aufeinander zu bewegen? Donata Hopfen, seit wenigen Monaten DFL-Geschäftsführerin und ebenfalls ins DFB-Präsidium wiedergewählt, sieht zumindest "eine große Chance auf einen Neuanfang – für den DFB selbst, aber auch für die Beziehung zwischen DFB und DFL".

Es bleiben Zweifel

Fragt man den früheren DFL-Chef Andreas Rettig, so wurde die in seinen Augen wichtigste Aufgabe, nämlich der Aufbau eines vertrauensvollen Miteinanders zwischen Amateuren und Profis, bereits vor dem Bundestag angegangen: Der 58-Jährige sagt im Gespräch mit t-online: "Bernd Neuendorf hat es geschafft, in vielen Gesprächen und Verhandlungen zwischen DFB und DFL einen Konsens herzustellen. Der Wettbewerb ist nicht zwischen DFB und DFL zu führen. Der deutsche Fußball steht im Wettbewerb mit den anderen europäischen Nationen."

Rettig ist der Überzeugung, dass der Neuanfang unter Neuendorf gelingen kann: "Es gibt ja nicht nur einen neuen DFB-Präsidenten, sondern auch einen neuen Schatzmeister (Stephan Grundwald, Anm. d. Red.), eine neue Generalsekretärin und auch eine neue DFL-Spitze, die ja Mitglieder im engsten Entscheidungszirkel sind. Auch die Tatsache, dass hierbei zwei der fünf Ämter mit Frauen besetzt sind, ist ein Schritt in die richtige Richtung."

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"Der allerwichtigste Punkt ist, dass wir den Fußball wieder in den Mittelpunkt rücken. Wir haben Jahre hinter uns, wo der DFB sich sehr stark mit sich selbst beschäftigt hat. Das muss beendet werden", hatte Neuendorf bereits vor seiner Wahl angekündigt.

"Worten müssen Taten folgen. Es darf nicht bei Sonntagsreden bleiben. Die Kluft zwischen 'denen da oben' und der Basis muss erkennbar kleiner werden", fordert Rettig, der Neuendorf von seinem bisherigen Amt als Präsident des Fußball-Verbandes Mittelrhein kennt. "Das geht nur, indem sich Entscheider in erster Linie als Dienstleister und Unterstützer der Basis begreifen – frei von eigenen Interessen. Diese Entscheider im DFB sollten intensiver zuhören und auch die Schwarmintelligenz der über sieben Millionen DFB-Mitglieder nutzen."

Trotzdem bleiben Zweifel, ob der DFB unter dem früheren SPD-Mann sein massiv angekratztes Image aufpolieren kann. Zu negativ war das Bild, das der Verband in den vergangenen Jahren nach außen abgegeben hat. Zu kläglich blamierte sich in den vergangenen Jahren ein Kandidat nach dem anderen. Der DFB-Präsident, zum Scheitern verurteilt? Es ist nun an Bernd Neuendorf, das Gegenteil zu beweisen.

Verwendete Quellen
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