Ohne ihn ging es steil bergab
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Vor vier Monaten trennte sich der FC Chelsea von Thomas Tuchel. Sein Aus sollte die Wende bringen. Doch es kam anders.
Zagreb war der Schlusspunkt. In der kroatischen Hauptstadt stand Thomas Tuchel das letzte Mal an der Seitenlinie des FC Chelsea. Anfang September verloren die "Blues" beim kroatischen Serienmeister mit 0:1. Schon auf dem Rรผckweg soll Tuchel darรผber informiert worden sein, nicht mehr Chelseas Trainer zu sein.
Die neue Klubfรผhrung um Todd Boehly war ungeduldig, wollte eigene Akzente setzen. Tuchel war nicht ihr Trainer, er war der Trainer der Vorgรคnger. Und auch wenn der 49-Jรคhrige in London รคuรerst erfolgreich war, hielt das Boehly und seine Gefolgsleute nicht davon ab, nach einem durchwachsenen Saisonstart frรผhzeitig die Reiรleine zu ziehen.
Tuchel รผbergab Chelsea mit zehn Punkten nach sechs Spielen in der Premier League auf dem sechsten Platz. Vier Monate spรคter stehen die "Blues" auf Platz zehn โ und vor dem Duell gegen Crystal Palace am heutigen Sonntag (ab 15 Uhr im Liveticker bei t-online) unter groรem Druck.
Erst der Traumstart, dann der Einbruch
Nachdem Tuchel von seinen Aufgaben entbunden worden war, machte Chelsea den Englรคnder Graham Potter zum neuen Trainer. Fรผr รผber 17 Millionen Euro wurde er von Brighton geholt. Potter sollte zum Gesicht des "neuen FC Chelsea" werden. Jung, vielseitig, modern in allen Facetten der Arbeit.
Sein Start verlief nach Plan, keines seiner ersten neun Pflichtspiele verlor Potter. Besonders in der Champions League glรคnzte Chelsea. Zwei Siege gegen den AC Mailand und vier Punkte gegen Salzburg holte der neue Trainer mit seinem Team. In der Premier League waren die Londoner immerhin Fรผnfter und in Schlagdistanz zu Champions-League-Platz vier. Alles im Lot an der Stamford Bridge.
Doch die Wochen und Monate danach sind der Grund dafรผr, dass das Lรคcheln aus Graham Potters Gesicht verschwunden ist. Inzwischen fordern die Fans im Stadion lautstark die Rรผckkehr von Thomas Tuchel und das Aus Potters, der bei seinen Pressekonferenzen immer mehr in Erklรคrungsnote gerรคt: "Es ist wirklich frustrierend und unglaublich herausfordernd. Es ist ein schwieriger Moment, ich fรผhle mit den Fans. Wir sind enttรคuscht, dass wir verloren haben. Ich denke, die Grundlagen kรถnnen wir noch ein bisschen besser machen", sagte er nach der 1:2-Niederlage gegen Fulham am Donnerstag.
Doppeltes Pokal-Aus und Mittelmaร in der Liga
Niederlagen sind aktuell ein gewohntes Bild fรผr Chelsea. Seit der besagten Serie zum Start hat Potter nur zwei von zehn Pflichtspielen gewonnen: gegen Dinamo Zagreb in der Champions League und gegen Aufsteiger Bournemouth in der Premier League.
Dazu kommen ein Unentschieden (gegen Aufsteiger Nottingham) und sieben Niederlagen. Darunter das Aus im Ligapokal und im FA Cup. In der Premier League ist Chelsea nur noch Mittelmaร und steht in der Tabelle sogar hinter den ebenfalls kriselnden "Reds" von Jรผrgen Klopp. Nur 15 Punkte sind in den 12 Spielen seit Tuchels Aus dazugekommen.
Die Fans, die die Entlassung des Deutschen schon damals als vorschnell und รผberhastet kritisierten, sehen sich im Recht. Tuchel hatte Chelsea 2021 zum Champions-League-Titel gefรผhrt und in der anschlieรenden Saison den dritten Platz hinter dem Super-Duo Liverpool/Manchester City in der Premier League erreicht. Und das trotz der Unruhe rund um den damaligen Klubbesitzer Roman Abramowitsch.
Spรคte Transfers kommen fรผr Tuchel zu spรคt
Die Sanktionen gegen den Oligarchen sorgten dafรผr, dass Chelsea im Frรผhjahr 2022 wochenlang handlungsunfรคhig war. Stammspielern wie Andreas Christensen und Antonio Rรผdiger konnte keine Vertragsverlรคngerung angeboten werden, sie wechselten. Chelseas komplette Transferperiode wurde durcheinandergewirbelt. Drei Neuzugรคnge โ Denis Zakaria, Pierre-Emerick Aubameyang und Wesley Fofana โ kamen erst an den finalen Tagen des Transferfensters Ende August. Eine Woche spรคter musste Tuchel gehen.
Mit Fofana sollte die zweite offene Stelle in der Innenverteidigung gelรถst werden, Aubameyang war zudem Tuchels Wunschspieler fรผr den Sturm. Wirklich nutzen konnte er die Neuzugรคnge aber nicht. Dafรผr reichte die Geduld der neuen Chefetage nicht aus.
Im Winter kaufte Chelsea weiter fleiรig ein. Mit Benoit Badiashile (AS Monaco), David Fofana (Molde FK), Andrey Santos (Vasco da Gama) und Joao Felix (Atlรฉtico Madrid) sind bereits vier Neuzugรคnge da. Mykhaylo Mudryk von Schachtar Donezk soll noch fรผr ein Gesamtpaket von 100 Millionen Euro kommen.
Wenn der Mudryk-Deal klappen sollte, hรคtte Chelsea seit dem Sommer รผber 450 Millionen Euro in neue Spieler investiert. Die Ambitionen sind dementsprechend groร. Die Frage ist nur, ob das auch auf die Geduld von Todd Boehly zutrifft. Denn ansonsten ist Graham Potter schon bald wieder auf der Suche nach einem neuen Klub.
- Eigene Recherche und Beobachtung
- Pressekonferenz mit Graham Potter am 12.01.2023
- transfermarkt.de: "Thomas Tuchel"
- transfermarkt.de: "FC Chelsea"