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FC Barcelona: Marc-André ter Stegen steht wieder in der Kritik


Fluch der kuriosen Gegentore?
Barca-Keeper Ter Stegen schon wieder in der Kritik

Von t-online
Aktualisiert am 17.09.2015Lesedauer: 5 Min.
Marc-André ter Stegen ärgert sich nach dem Gegentor in Rom.Vergrößern des BildesMarc-André ter Stegen ärgert sich nach dem Gegentor in Rom. (Quelle: Insidefoto/imago-images-bilder)
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Von Florian Haupt

War das nun ein Torwartfehler? Oder ein Jahrhunderttor? Oder beides? Wenn ein Spieler aus über 50 Metern und von der Seitenlinie aus trifft wie der Römer Alessandro Florenzi beim 1:1 in der Champions-Leage gegen den FC Barcelona, dann gibt es jedenfalls viel Raum für Interpretationen.

Beginnen wir mit den direkten Tatbeteiligten: Florenzi bedeckte sich ungläubig mit den Händen das Gesicht, als der Ball sich gegen den Innenpfosten gesenkt hatte, mit einer Flugkurve, wie sie auch nur die modernen Spielgeräte zulassen. "Es war ein großartiges Tor, es bewegt mich, es anzuschauen", sagte er später.

Ter Stegen im falschen Film

Marc-André ter Stegen sagte lieber nichts. Der Deutsche, über dessen Kopf die Kugel gesegelt war, musste sich wie im falschen Film vorkommen. Bereits vorigen Monat, während des 0:4 im spanischen Supercup-Hinspiel bei Athletic Bilbao, hatte ihm Mikel San José eine Bogenlampe von kurz hinter der Mittellinie ins Netz gesetzt.

Wie bei manchen Patzern während der gelegentlichen Auftritte in der deutschen Nationalelf muss er denken, dass ihm zusammen mit seinem Talent und seinem Selbstbewusstsein auch ein Fluch mit auf den Weg gegeben wurde. Er kassiert regelmäßig Tore, wie sie andere Keeper ein Leben lang nicht kassieren.

Vielleicht ist es aber auch kein Fluch. Vielleicht liegt es an seinem bekannt riskanten Torwartspiel. So unvorhersehbar Florenzis Schuss nach einem schnellen Antritt über die Mittellinie war, so unbestritten war ter Stegen ja aufgerückt, um einen möglichen Steilpass auf Edin Dzeko abzufangen. Die Kritiken in der so meinungsfreudigen wie kreativen spanischen Presse ließen nicht lange auf sich warten.

Presse geht mit dem Deutschen hart ins Gericht

Die klubnahe "Mundo Deportivo" titelte: "Florenzis Tor gibt der Torwartdebatte neue Nahrung". Im Leitartikel wird ter Stegen vorgeworfen, aus dem Gegentreffer in Bilbao nicht gelernt zu haben: "Er ist ein guter Torwart, der aber sein Stellungsspiel und sein Herauslaufen verfeinern muss."

"Die pubertäre Gebärde eines Studenten"

In dieselbe Kerbe, aber tiefer, schlägt ein Kolumnist der Madrider Zeitung "As". Es scheine, dass ter Stegen "eine Doktorarbeit über die Distanz anfertigt, die das Tor von der logischen Position eines Torwarts trennt". Sein Urteil: "Die pubertäre Gebärde eines Studenten, der seine Fehler wiederholt."

Insgesamt herrscht auch in den Zeitungen jedoch Uneinigkeit darüber, ob es sich nun wirklich um einen Torwartfehler handelt oder nicht. Nicht nur seine fest aufgerückte Position – "gefährlich fest, germanisch und naiv" – sei zu kritisieren, sondern vor allem, dass er nach erfolgtem Schuss "desorientiert" gewesen sei "Ohne weder zu wissen, wo der Ball hinfällt, noch, wo er steht", kritisiert ein weiterer Kommentator der "Mundo Deportivo".

Auch Zuspruch für den Keeper

Im Kommentar daneben verteidigt ihn ein Kollege: "Wegen des Wahnsinnstors von Florenzi an ter Stegen zu zweifeln, erscheint übertrieben." Auch vorige Saison sei nach dem ersten Champions-League-Auswärtsspiel in Paris über den deutschen Torwart debattiert worden. "Am Ende spielte er eine brutal gute Saison mit einer ungeheuren Leistung in München."

Für ter Stegen war das Spiel in Rom ja tatsächlich so etwas wie die Rückkehr in seinen Wettbewerb. Die ganze Fußball-Welt beeindruckte er vorige Saison in der Champions League mit seinem modernen Torwartspiel und seinen punktuellen Glanzparaden. Eine davon, gegen Robert Lewandowski beim Halbfinal-Rückspiel in München, wurde von der UEFA als "Parade des Jahres" ausgezeichnet.

Rotation mit Claudio Bravo

Allenfalls beim ersten Auswärtsspiel, einem 2:3 in Paris, war ihm damals noch anzumerken gewesen, dass er als Debütant in der Königsklasse agierte, ohne die Spielpraxis regelmäßiger Ligaeinsätze – und mit dem Druck, sich deshalb in der Champions League besonders beweisen zu müssen. Danach stellte sich die von Trainer Luis Enrique etablierte Torwartrotation mit Claudio Bravo als voller Erfolg heraus. So wie ter Stegen in Europa und Königspokal brillierte (16 Gegentore in 21 Spielen), überzeugte der chilenische Routinier mit nur 19 Gegentoren in 37 Ligaspielen.

Ter Stegen machte freilich nie einen Hehl daraus, dass er Bravo zwar als Kollegen schätzt – das Barca-Tor aber dennoch gern möglichst exklusiv für sich reklamieren würde. Insgesamt hat das Duell zwischen beiden Keepern inzwischen schon so viele Wendungen genommen, dass Prognosen aussichtslos erscheinen.

Im Sommer 2014 schien ter Stegen fest auf den Stammplatz in der Liga zuzusteuern, als ihn eine Verletzung im unglücklichsten Moment um einen Auftritt an den ersten Spieltagen brachte. Weil Bravo sich nichts zuschulden kommen ließ, zementierte sich in den folgenden Wochen die Aufgabenverteilung quasi von selbst.

Urlaub früher beendet, um Nummer eins zu werden

Im Sommer 2015 unternahm der Deutsche einen neuerlichen Angriff auf die Nummer eins: er kürzte seinen Sonderurlaub nach der U21-EM eigenhändig um acht Tage. Fast so etwas wie eine offene Kriegserklärung an Bravo, der bei der Copa America noch länger im Einsatz war und erst Wochen später wieder ins Training einstieg.

Doch ter Stegens Kalkül ging nicht auf. Zwar funktionierte der erste Teil des Plans: Für den europäischen Supercup gegen Sevilla sowie das Match in Bilbao, die ersten beiden Pflichtspiele der Saison, wurde er nominiert. Das allerdings sollte sich eher als Nachteil erweisen – seine Vordermannschaft befand sich gedanklich noch in den Ferien, und er selbst konnte das weit offene Tor auch nicht schließen.

Acht Gegentore kassierte ter Stegen in diesen beiden Spielen, konnte keine nennenswerte Parade anbringen und zeichnete für den Gegentreffer in Bilbao unumstritten verantwortlich: seine vorangegangen Klärungsaktion mit dem Kopf weit vor dem eigenen Strafraum war so misslungen wie übermütig.

Ist Trainer Luis Enrique unzufrieden?

In der Folge ging nicht nur der Stammplatz in der Liga wieder an Bravo. Sogar seine angestammte Position in der Champions League geriet in Gefahr. Anfang voriger Woche berichtete die klubnahe Zeitung "Sport", dass Luis Enrique mit ter Stegens Einstellung und Trainingsleistungen unzufrieden sei. Der Trainer habe das Spiel in Rom zur vorerst letzten Bewährungschance für den deutschen Torwart ausgerufen.

Am selben Tag verletzte sich Bravo. Rund einen Monat wird er ausfallen. Für ter Stegen ging ein langes Warten zu Ende. Am Samstag konnte er endlich in der Liga debütieren.

Ob das Glück sich damit final gewendet hat, werden die nächsten Wochen zeigen. Beim 2:1 im Spitzenspiel bei Atletico Madrid machte ter Stegen insgesamt eine ordentliche Figur. Beim Gegentor jedoch, einem schnellen Konter, entschied er sich diesmal gegen ein Herauslaufen und erwartete Fernando Torres vor seinem Tor, obwohl gerade er, der mitspielende Torwart, den Ball vielleicht hätte abfangen können.

Womöglich stand er zu weit hinten, womöglich war es die falsche Entscheidung, es sah zumindest unglücklich aus. Der Rasen des Estadio Vicente Calderón ist aber auch besonders langsam. Dadurch schien der Ball eine halbe Ewigkeit auf ihn zuzurollen.

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Auch Bravo nicht fehlerfrei

Wie man es macht, ist es falsch – wer mochte, konnte in dem ungewohnten Zaudern ter Stegens auch eine Reaktion auf die letzten Wochen erkennen. Nach dem Ligaspiel zuvor gegen Malaga, als Bravo nach einem Ballverlust der Vorderleute beinahe zu einem Gegentor überlobbt worden wäre, hatte Luis Enrique den Chilenen offen kritisiert. "Wenn wir selbst den Ball haben, muss er nicht so weit vorne stehen." Fast schien es, als würde der Trainer den Druck auf seine Torhüter noch einmal erhöhen wollen.

Was in der vergangenen Saison so ausgezeichnet funktionierte, muss für die Zukunft nichts bedeuten. Das klassische Torwartlatein besagt ja ohnehin, dass Keeper eher besonders viel Vertrauen brauchen. Fehler, Verletzungen – womöglich zollen ter Stegen und Bravo der dauerhaften Stresssituation zunehmend Tribut.

Barca-Coach nimmt Schuld für Gegentor auf sich

Auch deshalb nahm Luis Enrique das Gegentor in Rom nun exklusiv auf seine Kappe: "Wenn irgendwer an diesem Tor Schuld ist, dann ich, weil ich meine Mannschaft anweise, so zu verteidigen." Mit der Situation gegen Malaga habe diese nichts zu tun gehabt: "Damals gab es tatsächlich einen Fehler im Stellungsspiel."

Wie sein Trainer, so stellten sich auch die Mitspieler eindeutig vor ihren Torwart. "Marc rettet uns Innenverteidigern das Leben, weil er so weit aufgerückt spielt", sagte Gerard Pique. Der Abwehrmann brachte zum Ausdruck, was wohl unbestritten Mehrheitsmeinung sein dürfte: "Ich kann dieses Tor immer noch nicht glauben."

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