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Super League: So funktioniert Chinas Milliarden-Liga


Online-Lebenslauf statt Scouting
So funktioniert Chinas Milliarden-Liga

Von t-online
Aktualisiert am 02.08.2016Lesedauer: 4 Min.
Ausländische Stars im Duell: Fredy Montero von Tianjin Teda (re.) stoppt Ex-Chelsea-Star Ramires von Jiangsu Suning.Vergrößern des BildesAusländische Stars im Duell: Fredy Montero von Tianjin Teda (re.) stoppt Ex-Chelsea-Star Ramires von Jiangsu Suning. (Quelle: China Press Foto/imago-images-bilder)
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Von Marc L. Merten
Der internationale Fußball hat ein neues Schlaraffenland. China spielte bis vor wenigen Jahren auf den Transfermärkten dieser Welt keine Rolle. Das hat sich dank staatlich verordneter Begeisterung verändert. Die Milliarden-Liga flutet den europäischen Fußball mit Geld.

Doch nicht nur deswegen sind die Methoden höchst zweifelhaft. Fachfremde Sportdirektoren machen sich oft via transfermarkt.com schlau, ehe sie einen Spieler verpflichten.

Wayne Rooney hätte viel Geld verdienen können. Richtig viel Geld. Nicht, dass der Stürmerstar bei Manchester United am Hungertuch nagen würde. Bei den Red Devils verdient er immerhin rund 360.000 Euro – pro Woche. Doch was sind 360.000 Euro gegen umgerechnet 640.000 Euro wöchentlich, die ihm aus China geboten wurden? Selbst für die verwöhnten Engländer bieten die Klubs aus der chinesischen Super League unanständig hohe Gehälter.

Italiens Star Pelle der jüngste China-Export

Auch die Premier League, die bekanntlich reichste Liga Europas, kann seine Spieler nicht mehr um jeden Preis halten. China wirbt sie einfach ab, so wie Ramires, den brasilianischen Nationalspieler vom FC Chelsea, der im vergangenen Sommer für 30 Millionen Euro zu Jiangsu Suning wechselte. Oder wie Italiens EM-Stürmer Graziano Pelle, der mehrere Angebote aus der Premier League ablehnte, um sich Shandong Luneng anzuschließen.

Auch die Bundesliga kennt dieses Phänomen. Anthony Ujah ist das jüngste Beispiel für Spieler, die Deutschland den Rücken kehrten. Angeblich soll der Nigerianer nun sechs Millionen Euro jährlich verdienen. Das Dreifache dessen, was er in Bremen kassierte – und dort bereits zu den Topverdienern gehört hatte. Auch Felix Magath lässt sich seine letzten Jahre als Trainer im fernen Osten noch einmal vergolden. Andere, wie zum Beispiel der ehemalige Hoffenheim-Coach Marco Pezzaiuoli, leisten Entwicklungshilfe im Nachwuchsbereich.

Chinas Hass auf die eigene Nationalmannschaft

Denn nichts anderes ist das Fußballland China weiterhin: ein Entwicklungsland. Die Nummer 81 auf der FIFA-Weltrangliste ist nicht gerade bekannt für ihre Fußballkunst. Tischtennis, Turnen und Basketball, ja. Aber Fußball? Die erste chinesische Liga hat im Durchschnitt deutsches Zweitliga-Niveau.

Die eigene Nationalmannschaft wird für ihren Misserfolg verachtet, noch immer ist die Schmach der WM 2002 nicht vergessen. Es war die erste und bislang einzige Teilnahme an einer Endrunde. Doch ausgerechnet in Japan und Südkorea schied man ohne ein einziges erzieltes Tor in der Vorrunde aus. Und auch die aktuell als "Goldene Generation" gepriesene U18 besteht lediglich aus Spielern, denen Experten in einigen Jahren gerade einmal die Dritte Liga in Deutschland zutrauen würden. Chinesische Superstars sucht man in Europa vergeblich.

Das soll sich ändern. Nicht nur durch europäische Importe, sondern weil der Fußball-Boom staatlich verordnet wurde. Staatspräsident Xi Jinping gilt als Fußballfanatiker. Er persönlich ordnete an, dass Fußball künftig der Volkssport Nummer eins werden soll. Und was der Chef der Kommunistischen Partei sagt, ist seinen Landsleuten Befehl. Dabei rennt er auf offene Türen ein. Im Gegensatz zu den USA, wo Soccer mit Eishockey, American Football, Baseball und Basketball konkurriert, ist die Akzeptanz in China bereits jetzt deutlich höher.

Investitionen in 70.000 Fußball-Plätze und über 50.000 Trainer

Das Problem: Es fehlen die Fußball-Fachleute, die das vorhandene Geld in eine entsprechende Strategie gießen. "Die aktuelle Strategie lautet, große Unternehmen mit staatlichen Subventionen in den Fußball zu locken", sagt Fußball-Funktionär Christian Stecher im Gespräch mit t-online.de. Stecher koordiniert seit einem Jahrzehnt Investitionen in den chinesischen Fußball. Präsident Xi spiele dabei eine große Rolle. Die Funktionäre in Politik und Sport "wollen ihm gefallen und sorgen deshalb für immense Investitionen".

In 70.000 Fußball-Plätze, in über 50.000 Trainer, die nun ausgebildet werden, um künftig Kinder und Jugendlichen das Kicken beizubringen, und in Familienförderung. Jene Eltern, die ihre Kinder zum Fußballspielen bringen, sollen finanziell gefördert werden. Ganz nach dem Motto: Bei gut 1,4 Milliarden Chinesen wird die schiere Quantität an Fußballern irgendwann auch eine entsprechende Qualität bringen, damit die Nation stolz sein kann auf ihre Nationalmannschaft.

Selbst der Marktwert auf transfermarkt.com spielt eine Rolle

Bis dahin müssen ausländische Spieler als Stars herhalten, während die eigenen Kicker dazu nicht taugen. Der Weg, wie diese Spieler nach China finden, ist allerdings höchst zweifelhaft. Denn: "Die meisten Sportdirektoren haben selbst nie Fußball gespielt", sagt Stecher. "90 Prozent der Klubs betreiben kein Scouting, sondern verpflichten ihre Spieler über Online-Lebensläufe.“ Was klingt wie ein Managerspiel am Computer, ist in China Realität. "Länderspiele, erzielte Tore und selbst der Marktwert auf transfermarkt.com spielen eine Rolle“, weiß Stecher. "Die Sportlichen Leiter brauchen Zahlen und Werte, an denen sie sich festhalten und im Zweifel darauf berufen können. Wenn ein Spieler nicht einschlägt, müssen sie ihr Gesicht wahren können."

Weil das Geld in den meisten Fällen von halbstaatlichen Unternehmen bereit gestellt wird, sichern sich die Sportdirektoren über Fakten ab, die zwar nicht mehr wert sind als das Papier, auf dem sie stehen, ihnen aber eine Argumentationsgrundlage gegenüber den Eigentümern gibt. "Ein großes Problem in China ist, dass Verantwortliche Risiken vermeiden wollen, welche ihrem 'Gesicht' schaden könnten", sagt Stecher.

Ähnlich wie in der chinesischen Industrie, die oftmals bereits erfolgreiche europäische Produkte kopiert und somit auf Nummer sicher geht, gehen auch die Sportdirektoren kein Risiko, indem sie neue Wege vermeiden. Das Motto: Wer in einer europäischen Top-Liga, bei einer EM oder einer WM erfolgreich ist, wird auch in China erfolgreich sein.

Rubin Okotie wechselt in die zweite chinesische Liga

Dies hat zu wilden Auswüchsen auf dem Transfermarkt geführt. So wild, dass im vergangenen Winter selbst die 16 Vereine der zweiten chinesischen Liga mehr Geld für Neuzugänge investierten (55 Mio. Euro) als alle (!) deutschen Erstliga-Klubs zusammen (52,6 Mio.).

Jüngst entschied sich Rubin Okotie, österreichischer EM-Teilnehmer und Torjäger des TSV 1860 München, mit seiner Frau und einem zweijährigen Kind in die zweite chinesische Liga zu wechseln. Mehrere Angebote aus Deutschland lehnte er ab.

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