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Janelt: Brentford-Star über Unterschiede zwischen Premier League und Bundesliga


Premier-League-Star Janelt
"Selbst Brentfords Budget übersteigt Augsburgs um ein Vielfaches"

  • Dominik Sliskovic
InterviewVon Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 25.09.2021Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Vitaly Janelt: Der deutsche U21-Europameister zählt zu den Leistungsträgern des Premier-League-Aufsteigers FC Brentford.Vergrößern des Bildes
Vitaly Janelt: Der deutsche U21-Europameister zählt zu den Leistungsträgern des Premier-League-Aufsteigers FC Brentford. (Quelle: Offside Sports Photography/imago-images-bilder)

Mit der DFB-U21 holte Vitaly Janelt den EM-Titel, mit dem FC Brentford erobert er die Premier League im Sturm. Vor dem Kracher gegen Liverpool spricht das Mittelfeld-Ass mit t-online über Geld und Erwartungen.

Vitaly Janelt ist bewusst, dass es eine Menge zu besprechen gibt. "Die vergangenen zwölf Monate sind schwer in Worte zu fassen", erklärt der 23-Jährige. Vergangenes Jahr pendelte der gebürtige Hamburger beim VfL Bochum zwischen Bank und Startelf, haderte mit sich und seiner Karriere – und entschied sich am letzten Tag der Transferperiode für einen Wechsel zum damaligen englischen Zweitligisten FC Brentford.

Beim Klub aus dem Londoner Westen spielte sich das flexible Mittelfeld-Ass innerhalb kürzester Zeit in der Startelf fest und fand das, was er in Bochum vermisste: Kontinuität. Oder wie Janelt es verdeutlich: "Ich habe in drei Jahren 54 Pflichtspiele für den VfL gemacht. Zum Vergleich: In Brentford stehe ich nach nicht einmal einem Vertragsjahr bereits bei 53 Pflichtspielen."

Dass Brentford nun nach 74-jähriger Durststrecke wieder erstklassig ist und am Samstag auf Jürgen Klopps FC Liverpool trifft (ab 18.30 Uhr im t-online-Liveticker), ist also auch Janelts Verdienst. Zuvor spricht der England-Legionär im t-online-Interview über seine Premier-League-Premiere, erklärt, was hinter Brentfords besonderer Klubphilosophie steckt und warum die Faktoren Geld und Erwartungen eine Lücke zwischen der Premier League und der Bundesliga aufklaffen lassen.

t-online: Herr Janelt, im vergangenen Mai sind Sie mit Brentford in die Premier League aufgestiegen, wenige Tage später dann auch noch mit Deutschland U21-Europameister geworden. Konnten Sie das alles schon richtig genießen?

Vitaly Janelt (23): Viel Zeit zum Feiern blieb mir nach dem gelungenen Aufstieg im Playoff-Finale gegen Swansea nicht. Morgens um 9 Uhr nahm ich den Flieger nach Ungarn, wo die Endrunde der U21-EM stattfand. Dort habe ich zwar nicht viel gespielt, bin aber zusammen mit dem Team Europameister geworden. Das kann mir niemand nehmen.

Wenn ich jetzt die vergangenen zwölf Monate Revue passieren lasse und darüber rede, kann ich immer noch nicht so ganz realisieren, was da alles passiert ist. Dass ich mich U21-Europameister nennen kann, dass ich mit Brentford aufgestiegen bin und mich nun Stammspieler bei einem Premier-League-Klub nennen kann.

Brentford ist erstmals seit 1947 wieder in der ersten englischen Liga vertreten – und startete gleich mit einem 2:0 gegen den 13-fachen englischen Meister Arsenal.

Wir hätten uns keinen besseren Start in die Premier League wünschen können. Erster Spieltag, Heimspiel, ausverkauftes Stadion, Flutlicht, perfektes Wetter. Und dann gewinnen wir auch noch 2:0. Nein, besser hätte es wirklich nicht laufen können für uns. Nach dem Arsenal-Heimsieg zum Auftakt haben mit Crystal Palace und Aston Villa zwei harte Auswärtsspiele auf uns gewartet, aus denen wir zwei Punkte holen konnten. Natürlich lässt sich nun argumentieren, dass wir in einer der beiden Partien auch als Sieger vom Platz hätten gehen können, aber unter dem Strich können wir mit der Ausbeute von fünf Punkten aus den ersten drei Partien als Aufsteiger zufrieden sein.

Gab es ein deutliches fußballerisches Defizit, das Ihnen in Ihren ersten Monaten in England deutlich wurde?

Wir haben es seit meiner Ankunft in Brentford als Team sehr gut gemacht. Wir gehen sehr geschlossen ins Pressing und können so auch mal die etwas schwächere Tagesform des Nebenmannes ausgleichen. Dass nicht jeder von uns in jedem Spiel sein absolutes Leistungsvermögen abrufen kann, die Beine auch mal schwer sind, ist bei konstant drei Partien in sieben Tagen verständlich. Trotz allem versuchen wir, jedes Spiel zu gewinnen. Das ist eine Mentalität, die ich mir in den vergangenen Monaten komplett einverleibt habe. Egal, ob der Gegner Nottingham Forrest, West Ham oder Manchester City heißt: Ich gehe mit meinen Teamkollegen auf den Platz, um das Spiel zu gewinnen.

Wenn es nur so einfach wäre…

Natürlich wird einem da früher oder später auch mal deutlich, mit welcher individueller Klasse man es in der Premier League auf einmal zu tun hat. Plötzlich läuft ein Kevin De Bruyne oder ein Declan Rice auf einen zu. Da bin ich ganz ehrlich: Das sind für mich ungleich härtere Duelle als für die beiden, wenn ich auf sie zudribble.

Am sechsten Spieltag kommt es bereits zum Kracher gegen Jürgen Klopps FC Liverpool. Was ist drin für Brentford?

Gegen Liverpool wird es unsere erste Pflicht sein, gegen den Ball hoch zu stehen, aggressiv zu pressen und die Umschaltmomente zu erzwingen. Wir sind auf keinen Fall eine Mannschaft, die gegen Liverpool mit dem Plan antritt, nur lange Bälle hinter die letzte Kette zu spielen. Wenn wir den Ball am Fuß haben, wollen wir unser offensives Spiel aufziehen. Ob da dann auch mal ein langer Ball gespielt wird, ist dann immer eine situative, individuelle Entscheidung.

Brentford gilt als die englische Antwort auf das aus dem US-Sport bekannte Moneyball-System, also dem Prinzip, Spieler grundsätzlich auf der Basis von erhobenen Daten und Statistiken zu scouten und zu verpflichten. Wie ist Brentford an Sie herangetreten?

Brentford hat vor unserem ersten Gespräch zwei Portfolios zu mir erstellt und mir zukommen lassen: eines, das mir als Sechser, und eines, das mir als Achter gewidmet war. Darin wurden meine jeweiligen Leistungen analysiert und darauf basierend Ziele definiert: Als Sechser sollte ich sechs Tore und sechs Assists beisteuern, als Achter acht Tore, acht Assists. Am Ende meiner ersten Saison hatte ich vier Tore und drei Vorlagen auf dem Konto – wir sind aber trotzdem aufgestiegen und ich bin als Stammspieler in meine erste Premier-League-Saison gegangen. Daran erkennt man, dass diese datenbasierten Ziele auch nur Voraussagen sind. Niemand nimmt mich aus dem Kader, nur weil ich gewisse Statistiken nicht erreicht habe.

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Hinter den vier Großklubs ManCity, ManUnited, Liverpool und Chelsea birgt die Premier League zuletzt mehr Spannung als erwartet – auch dank Teams wie Brentford. Inwiefern könnte ein solcher Klub mit klarer langfristiger Ausrichtung auch der Bundesliga guttun?

Ich möchte die Bundesliga nur ungern mit der Premier League vergleichen. Dafür ist der finanzielle Unterschied zwischen den Ligen viel zu groß. Schaut man nur auf die TV-Einnahmen, die die Premier League generiert, dürfte deutlich werden, dass die Bundesliga nicht die gleiche Ausgangslage besitzt. Ich greife dennoch mal Klubs wie Mainz und Augsburg heraus: Die machen tolle Arbeit, halten sich nun bereits seit Jahren mit deutlich geringeren finanziellen Mitteln als Bayern, Leipzig und der BVB in der Liga. Nur behaupte ich, dass sowohl in Mainz als auch in Augsburg Jahr für Jahr der Klassenerhalt als Ziel ausgerufen wird. Eine solche defensive Herangehensweise gibt es in England nicht.

Wie erklären Sie sich das?

Selbst das Budget eines englischen Aufsteigers übertrifft das von Mainz und Augsburg um ein Vielfaches, dementsprechend hat beispielsweise auch Brentford viel mehr Möglichkeiten, seinen Kader zu verstärken und die Infrastruktur auszubauen. Solche Investitionen ziehen verständlicherweise dann auch höhere Erwartungen nach sich. Ich möchte ganz ehrlich sein: Das sind die Aspekte, die einen Spieler interessieren. Natürlich will man als Fußballer vor allem spielen, aber danach sind Dinge wie Trainingsgelände, medizinische Abteilung, Kaderstruktur und natürlich auch das Gehalt das Entscheidende.

Das Gesamtpaket in der Premier League ist besser?

Ein Aufsteiger kriegt von der Premier League über den Zeitraum von drei Jahren zugesicherte 170 Millionen Euro ausgezahlt. Das macht den Klub vom einen auf den anderen Tag konkurrenzfähig. Das gibt es so in Deutschland nicht, Bochum beispielsweise konnte im Sommer nicht 15 Millionen Euro für einen Spieler ausgeben (Brentford zahlte für Innenverteidiger Kristoffer Ajer 15 Millionen Euro an Celtic Glasgow, Anm. d. Red.).

Deutsche Talente wie Sie, aber auch Kai Havertz, trauen sich früher den Schritt nach England zu, verzichten auf einen Zwischenschritt bei einem größeren Bundesliga-Team. Verliert der deutsche Fußball den Anschluss?

Es gibt auch genügend Beispiele, die den anderen Weg gegangen sind. Jadon Sancho etwa zum BVB, Reiss Nelson zu Hoffenheim: Das waren Spieler, die in der Bundesliga die besseren Entwicklungsmöglichkeiten für sich entdeckt haben. Genauso gibt es genügend deutsche Talente, die ihre ersten Schritte im Profifußball bei Klubs wie Mainz und Augsburg machen und dort genau auf das Umfeld treffen, das sie benötigen.

Und was Kai Havertz betrifft: Was wären denn seine Optionen in Deutschland gewesen? Der FC Bayern. Vielleicht wollte er aber – genauso wie ich – das Abenteuer Ausland schon früh in seiner Karriere wagen, vielleicht ist er – genauso wie ich – riesiger Fan des englischen Vereinsfußballs. Für mich persönlich gab und gibt es nämlich keinen besseren in Europa. Bei mir muss im Übrigen auch keiner denken, ich sei nur wegen des Geldes zu Brentford gegangen.

Nein?

Mein Gehalt in der vergangenen Championship-Saison lag nur minimal über dem Durchschnitt eines deutschen Zweitliga-Profis. Das mag sich jetzt durch den Aufstieg und dem damit einhergehenden neuen Vertrag deutlich geändert haben, aber es war ja nicht vorauszusehen, dass am Ende der sichere Aufstieg für Brentford herausspringt.

Nach dem Sieg gegen Arsenal ist ein Video aus dem Brentford Community Stadium um die Welt gegangen. Darin zu sehen ist, wie Ihr Trainer Thomas Frank und Sie mit Woody, einem jungen Brentford-Fan mit Down-Syndrom jubeln. Machen solche Geschichten Ihnen Ihr Privileg, aber auch Ihre Verantwortung, als Profifußballer bewusster?

Ich kann mich noch gut an diese Szene erinnern, weil sein Lächeln pure Freude ausgestrahlt hat. Für mich als Fußballer gibt es kein schöneres Gefühl als zu wissen, dass die Leistung meiner Mitspieler und mir Menschen glücklich macht.

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Deshalb hat mich eine andere Szene nach dem Arsenal-Spiel noch tiefer berührt: Nach dem Abpfiff blickte ich auf die Ränge und da saß ein Mann, jenseits der 70 Jahre alt, und weinte. Wie ich später erfuhr, hatte er noch Brentfords letzte Saison in Erstklassigkeit 1947 als Fan auf der Tribüne erlebt. Mir wurde mit einem Schlag klar, was dieser Sieg und davor der Aufstieg den Menschen in Brentford bedeutet. 74 Jahre haben sie für diesen Moment zusammengehalten.

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Zu sehen, wie sehr sie diesen Verein lieben, lässt dich als Spieler demütig werden. Sich für diese Fans auf dem Platz zu zerreißen und nach dem Spiel Zeit für sie zu nehmen – egal, wie die Partie ausgegangen ist –, ist eine Frage des Respekts und Anstands.

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