DFB-Elf in der Analyse: Hansi Flick ist mit seinem Latein am Ende

Die Testspiele im Juni sollten für die DFB-Elf ein positives Erlebnis zum Abschluss der Saison werden. Stattdessen sind die Sorgen größer denn je. Hansi Flick wirkt ratlos.

Für die drei Länderspiele im Juni hatte sich Hansi Flick eine neue taktische Variante überlegt. Nachdem er zuletzt im März auf ein recht konventionelles 4-2-2-2 gesetzt hatte, probierte er gegen die Ukraine, Polen und Kolumbien ein System mit Dreierabwehr aus.

Gegen die Ukraine war es ein 3-3-2-2, bei den anschließenden beiden Partien ein 3-4-2-1. Diese neuerlichen Experimente verdeutlichen, dass Flick noch keine konkrete Vorstellung davon hat, wie genau die Nationalmannschaft bei der Heim-Europameisterschaft in einem Jahr auftreten soll.

Sicherlich sind Formationen nur ein Teil einer Erfolgsformel, aber Spieler in immer neuen Rollen einzusetzen, zeugt in diesem Fall von einer gewissen Ratlosigkeit. Sportdirektor Rudi Völler bemängelte die aktuell zur Verfügung stehenden Spieler. "Da fehlt es bei dem einen oder anderen an der Topqualität", sagte Völler nach dem 0:2 gegen Kolumbien am Dienstag. Von der Hand zu weisen ist dieser Einwurf nicht. In den vergangenen drei Partien standen beispielsweise David Raum, Marius Wolf und Thilo Kehrer in einzelnen Startformationen, denen die besagte Topqualität fehlt.

Sicherlich hat der eine oder andere zumindest Talent, aber vielleicht noch nicht die Klasse für eine herausragende Nationalmannschaft. Gerade auf den Außenbahnen ist Deutschland momentan arg dünn und ohne Spitzenspieler besetzt.

Taktische Abläufe ändern sich ständig

Allerdings lässt sich Flick auch von diesen teilweise mangelnden Qualitäten treiben. Er muss sich für gewisse taktische Strukturen entscheiden und auf die perfekte Ausführung eben dieser hintrainieren lassen. Eine Dreierabwehr erfordert etwa in der Spieleröffnung ganz andere Abläufe als eine Viererkette.

Die Mittelfeldspieler davor müssen sich anders verhalten, die Außenbahnen zu anderen Zeitpunkten angespielt werden. Da die DFB-Auswahl ohnehin nicht überall hochklassig besetzt ist, wird es jenen Spielern, die nur mit Mühe und Not mithalten können, noch schwerer gemacht.

Aber auch angestammte Kräfte wie Joshua Kimmich wirken ob der Umstellung ein wenig verloren. Denn aus dem Verein sind sie die recht radikalen Umstellungen zumeist nicht gewohnt. İlkay Gündoğan könnte bestimmt ausgiebig darüber berichten, wie Pep Guardiola das erfolgreiche 3-2-4-1-System bei Manchester City implementierte und perfektionierte.

Flick selbst galt aufgrund seiner Triumphe mit Bayern München, darunter der Champions-League-Sieg 2020, als Erfolgscoach. Aber in jener Zeit konnte er auf eine starke Endverteidigung mit David Alaba und Jérôme Boateng sowie die Spielmacherqualitäten eines Thiago in Kombination mit Kimmich bauen.

Das taktische System der Bayern war damals auch nicht hochgradig ausgereift, aber die zentralen Akteure auf dem Feld füllten es selbst mit Leben. Spieler mögen für gewöhnlich die Arbeit unter Flick, weil er ihnen viele Freiheiten gewährt. Doch solche Freiheiten sind nicht angebracht, wenn ein Team keine absolute Spitzenqualität besitzt. Dann braucht es klare Vorgaben, ansonsten wirkt die Mannschaft orientierungslos.