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Deutschland gegen Frankreich: Taktikanalyse für das WM-Viertelfinale


Taktik-Analyse
Die Viererkette braucht Lahm und Hummels

Von t-online
02.07.2014Lesedauer: 5 Min.
Philipp Lahm (li.) und Mats Hummels werden gegen Frankreich mehr gebraucht denn je.Vergrößern des BildesPhilipp Lahm (li.) und Mats Hummels werden gegen Frankreich mehr gebraucht denn je. (Quelle: Pressefoto Baumann/imago-images-bilder)
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Der deutschen Nationalmannschaft fehlen noch genau drei Siege bis zum WM-Titel. Angesichts der dürftigen Leistung beim 2:1-Erfolg nach Verlängerung gegen Algerien scheint der Triumph in Brasilien allerdings weiter entfernt zu sein als jemals zuvor. Denn mit einer ähnlich schwachen Leistung könnte schon das Viertelfinale gegen Frankreich (Freitag, ab 17.30 Uhr im t-online.de Live-Ticker) die Endstation sein. Das glaubt auch Taktik-Experte Christian Titz, der sich die Equipe Tricolore genau angesehen hat.

Der 43-jährige Fußballlehrer warnt vor den schnellen französischen Außenspielern und erklärt, was sich im DFB-Team alles ändern muss. Zudem deckt er eine ganz besondere Stärke der deutschen Mannschaft auf.

t-online.de: Herr Titz, Fußballdeutschland macht sich Sorgen. Platzt der WM-Traum der DFB-Elf gegen Frankreich?

Christian Titz: Also erst einmal können wir festhalten, dass der 2:1-Sieg gegen Algerien zwar keine Glanzleistung war, aber trotzdem verdient. Der Druck und die Nervosität steigen in der K.o.-Phase enorm, das haben alle anderen Spiele auch gezeigt. Brasilien, Holland, Argentinien oder auch Frankreich haben sich ebenfalls sehr schwer getan. Es ist also nach wie vor alles möglich.

Aber Algerien ist nicht annähernd so stark wie Chile oder Mexiko - und trotzdem hatte das DFB-Team Probleme.

Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Die Algerier haben sehr tief gestanden, waren laufstark und haben sich aufs Kontern verlegt. Das sah in der einen oder anderen Aktion gefährlich aus, aber letztlich hatten sie gerade einmal drei richtige Torchancen. Man neigt dazu, den Underdog stärker und den Favorit schwächer zu sehen als es wirklich war, da sollte man aufpassen. Trotzdem lag beim DFB-Team natürlich einiges im Argen.

Was genau ist bei der deutschen Mannschaft schiefgelaufen?

Die große Schwachstelle war dieses Mal ganz klar die Viererkette, dort lag der zentrale Fehler. Die Tiefenstaffelung hat gefehlt, die Abstände zwischen den einzelnen Gliedern haben überhaupt nicht gestimmt, die Spieler sind nicht in die Zweikämpfe gekommen und somit hat natürlich auch das Gegenpressing nicht funktioniert. Zudem hat Toni Kroos ungewöhnlich viele Fehlpässe gespielt. Das hat Algerien ausgenutzt.

Können Sie die Probleme in der Abwehr genauer erklären?

Die beiden Innenverteidiger Jerome Boateng und Per Mertesacker standen viel zu eng beieinander und fast immer auf einer Linie. Nach Ballverlusten sollte sich normalerweise der ballferne Innenverteidiger etwas fallenlassen und absichern, die Außenverteidiger einrücken. Das ist nicht – oder nur viel zu langsam - passiert, und so wurde beinahe jeder lange Ball gefährlich. Gleichzeitig hat darunter auch das Aufbauspiel gelitten, da die Außenverteidiger falsch standen und nicht angespielt werden konnten. So hat es die deutsche Elf nicht geschafft, in der Mitte eine Überzahl herzustellen. Das hat sich bis in die Offensive ausgewirkt.

Welche Rolle spielte der Ausfall von Mats Hummels für diese Unordnung in der Viererkette?

Mats Hummels hat an allen Ecken und Enden gefehlt, das hat das Spiel ganz klar gezeigt. Er weiß genau, wann er sich mal absetzen muss, um Pässe in die Tiefe zu erlaufen. Er erkennt die Situationen, dirigiert die Viererkette und ist vor allem für die Spieleröffnung enorm wichtig. Das DFB-Team braucht ihn.

Braucht die DFB-Elf auch echte Außenverteidiger?

Ja. Vor allem im Hinblick auf Frankreich könnte ich mir vorstellen, dass sich Joachim Löw da etwas überlegen wird.

Was genau – und warum?

Bei den Franzosen kommen Spieler wie Antoine Griezmann, Mathieu Valbuena oder Karim Benzema über die Außenpositionen. Das sind ganz andere Kaliber als die Algerier. Und selbst da hatten Benedikt Höwedes und Skhodran Mustafi einige Male Probleme. Löw hat also zwei Möglichkeiten: Entweder er lässt eher defensiv spielen und überlässt Frankreich die Kontrolle. Dann kann er die Viererkette mit vier Innenverteidigern beibehalten. Falls er allerdings – und davon gehe ich aus – auch weiterhin dominant spielen will, wäre Lahm eine gute Alternative als Außenverteidiger. Denn dann braucht Löw zwei schnelle, sichere Spieler auf den Außen.

Aber ist es auch realistisch, dass der Bundestrainer Lahm wieder von der Sechser-Position holt?

Die Partie gegen Algerien hat gezeigt, dass das Trio Toni Kroos, Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira in der Mitte sehr wohl funktioniert und Löw dazu bereit ist, Lahm auch hinten spielen zu lassen. Frankreich hat mit Blaise Matuidi und vor allem mit Paul Pogba zwei dynamische und kraftvolle Spieler in der Zentrale. Da wären Schweinsteiger und Khedira zusammen in Mittelfeld durchaus eine Option, Lahm könnte dann nach hinten rücken. Bei einer WM überdenkt der Bundestrainer das System und die Aufstellung von Spiel zu Spiel, von daher halte ich das tatsächlich für nicht unrealistisch.

Und wie sieht es in der Offensive aus? Wo sollte das DFB-Team da ansetzen?

Das französische Team wird definitiv offensiver agieren als die Algerier. Und genau das könnte der DFB-Elf in die Karten spielen. Das schnelle Umschaltspiel ist eine Waffe und Yohan Cabaye, der einzige Sechser der Franzosen, durchaus bezwingbar. Wenn es die Spieler im zentralen Mittelfeld schaffen, die Räume eng zu halten und kluge Pässe durch die Nahtstellen zu spielen, kann das zum Erfolg führen.

Was passiert, wenn die Franzosen tief stehen?

Das Spiel gegen Nigeria hat gezeigt, dass sie anfällig bei Angriffen von außen sind. Der linke Außenverteidiger Patrice Evra ist ein sehr erfahrener Spieler, aber nicht mehr der Schnellste. Wenn Benzema vor ihm auf der linken offensiven Seite spielt, ist er zudem meistens auf sich alleine gestellt. Mathieu Debuchy auf der anderen Seite ist sehr offensiv. Hier kann das DFB-Team ansetzen und mit Flanken versuchen, ihre kopfballstarken Spieler in Szene zu setzen. Es wäre also durchaus eine Überlegung wert, Miroslav Klose als echten Stürmer zu bringen.

Was sagen Sie eigentlich zur Aussage von Per Mertesacker, dass er lieber hässlich spielt und weiterkommt als schön spielt und ausscheidet? Beides – also gut und erfolgreich spielen – geht nicht?

Das geht schon, ist aber nicht immer angebracht und möglich. Das DFB-Team hatte gegen Algerien einen schlechten Tag und ist dank der individuellen Klasse und Physis trotzdem weitergekommen. Das ist auch eine Qualität. Warten wir ab, was passiert, wenn sie einen guten Tag erwischen.

Das Interview führte Mark Weidenfeller

Mehr Informationen zu Christian Titz, der schon bei großen Vereinen wie Bayer Leverkusen, Schalke 04 oder Ajax Amsterdam hospitierte und den FC Homburg als Chefcoach 2012 in die Regionalliga Südwest führte, finden Sie bei Facebook (www.coaching-zone-portal.de) und seinem YouTube-Channel (https://www.youtube.com/watch?v=unV1795mTkA).

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