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DHB-Bundestrainer Groener im Interview: "Ergebnisziele bringen nichts"


DHB-Bundestrainer Henk Groener
"Man muss bereit sein, für etwas gefeuert zu werden, an das man glaubt"

InterviewVon Benjamin Zurmühl

28.09.2018Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Hält wenig von Ergebniszielen: Henk Groener.Vergrößern des Bildes
Hält wenig von Ergebniszielen: Henk Groener. (Quelle: masterpress/imago-images-bilder)

Bei ihm studieren die Größen des Sports: Henk Groener. Der Niederländer bildet am Johan-Cruyff-Institut die Coaches von morgen aus – und ist parallel auch noch Handball-Bundestrainer der deutschen Frauen. Im Interview mit t-online.de erklärt er, wie Johan Cruyff den Trainerberuf revolutionierte und warum Ergebnisziele nichts bringen.

Die Niederlande sind nicht dafür bekannt, eine Handball-Nation zu sein. Nein, "Oranje" ist eine Macht beim Eisschnelllauf und war jahrelang auch im Fußball Teil der Weltspitze. Doch im Handball sind die Niederlande eher ein Zwerg. Das trifft jedoch nur auf die Männer zu. Bei den Frauen wurde der deutsche Nachbar Vize-Weltmeister und Olympia-Vierter. Der Grund dafür war Henk Groener, der die Niederlande mit seinen Methoden nach ganz oben führte.

Seit Januar ist Groener Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Auch mit den DHB-Frauen will er in der Weltspitze mitmischen. Bis dahin hat er noch viel Arbeit vor sich. Doch mit großen Aufgaben weiß er umzugehen. Der 57-Jährige arbeitet nämlich noch nebenbei als Dozent am Johan-Curyff-Institut in Amsterdam, einer der renommiertesten Hochschulen weltweit. Dort lehrt er den Master in "Coaching". Mit t-online.de hat Groener über die Arbeit am Institut, das Trainer-Dasein und die kommenden Testspiele gegen Russland gesprochen.

t-online.de: Herr Groener, haben Sie ein Lieblingszitat von Johan Cruyff?

Henk Groener (57): Ja, aber die sind alle auf Holländisch (lacht). Er hatte einen ziemlich eigenen Sprachgebrauch, die Zitate kann man nicht direkt übersetzen. Aber es bedeutet so viel wie: „Man sieht es erst, wenn man es versteht.“ Außerdem gefällt mir: "Jeder Nachteil hat einen Vorteil."

Was hat Johan Cruyff mit dem Institut zu tun?

Johan Cruyff war nicht nur der beste niederländische Fußballspieler aller Zeiten, sondern auch als Mensch und Trainer sehr besonders. Er hat nie studiert, aber er wollte immer, dass sich die Sportler weiterbilden. Johan Cruyff hatte deshalb die visionäre Idee einer Sporthochschule und deren Aufbau ermöglicht. Er hat sich Leute gesucht, die in seinem Namen und in seinem Sinne, aber mit allen Freiheiten gehandelt haben. Cruyff hat immer gesagt: Du musst wissen, was du gut kannst und was nicht. Und umringe dich mit Leuten die ihre Stärken da haben, wo du sie nicht hast – so bekommst du ein starkes Team.

Sie sagen, dass Cruyff als Mensch und Trainer besonders war. Können Sie das genauer erklären?

Er hat sich in seiner aktiven Zeit oft mit Offiziellen der Vereine gestritten. Für ihn hatten immer der Sport und die Interessen der Sportler Vorrang. Und das ist bekanntlich selten der Fall.

Wie kam es dazu, dass Sie am Johan Cruyff Institut angefangen haben?

Ich war 2006/07 Trainer in Ludwigsburg, als der Verein in der Saison-Vorbereitung leider insolvent ging. Daraufhin bin ich wieder zurück in die Niederlande und habe angefangen, am Institut Workshops zu geben. Damals gab es einen Master in Sportmanagement. Da dachte ich mir: Johan Cruyff war nie Manager, sondern Coach. Warum gibt es also keinen Master in Coaching?

Was war Ihnen wichtig bei der Entwicklung des Kurses?

Unabhängig von der Sportart wird bei der Trainer-Ausbildung in den Niederlanden wenig Wert auf das Coaching und schon gar nicht auf den Job als Coach gelegt. Da geht es um viel mehr als Taktik oder Ähnliches. Über diese Idee konnte ich auch mit Johan Cruyff selbst reden. Dann habe ich das Programm entwickelt und 2008 mit dem Kurs begonnen.

Im Fußball war Cruyff ein Revolutionär. Mit dem "Totaalvoetbal", dem "Totalen Fußball", hat er viele heutige Trainer wie Pep Guardiola oder Thomas Tuchel stark beeinflusst. Ist Cruyff das beste Beispiel um zu zeigen, wie wichtig der Trainerberuf eigentlich ist?

Der Trainer führt die Mannschaft, hat eine Philosophie, und wenn es nicht der Richtige ist, dann merkt man das sehr schnell. Das heißt, der Einfluss ist unbestritten groß, aber man muss sich auch als Trainer nicht wichtiger machen, als man ist. Die Spieler und Spielerinnen sind immer das Wichtigste in einer Mannschaft. Das hat Cruyff ja auch so gesagt und verkörpert.

Unter den ehemaligen und aktiven Studierenden sind einige bekannte Gesichter wie Edwin van der Sar, Guillermo Ochoa oder Alfred Finnbogason. Was macht denn das Institut aus? Auf welche Kernpunkte legen Sie bei der Ausbildung wert?

Normalerweise sind Studiengänge ja mit einem festen Lehrplan ausgestattet und dann wird gesagt: "Das sind die Bücher. Am Ende des Semesters fragen wir alles ab." Für unsere Programme gilt, dass sie auf die Leute ausgerichtet sind, die daran teilnehmen. Es geht für uns um deren Qualitäten und Eigenschaften. Wenn wir beispielsweise 20 Leute mit unterschiedlichen Hintergründen in einem Studiengang haben, können wir ja nicht einfach sagen: "Ihr seid alle gleich." Deshalb gibt es für unsere Studierenden auch einen Personal Coach, mit dem sie einzelne Aspekte fokussieren können.

Sie selbst sind Handball-Trainer. Unter Ihren Studierenden sind unter anderem Radsportler, Ruderer und Schwimmer. Was verbindet diese Sportler für Ihren Studiengang?

Bei uns geht es nicht um den Sport. Bei uns geht es wirklich um das Trainersein, und da merkt man, wie viele Gemeinsamkeiten es über die Sportarten hinaus gibt. Alle wollen mit Hochleistungssportlern arbeiten, und daher verbindet alle die Frage, wie man diese betreut und begleitet, aber auch, wie man mit der anderen Seite umgeht.

Im Bild: Henk Groener mit den Absolventen es Master-Studiengangs im November 2017.

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Was macht denn einen guten Coach aus?

Das ist schwer zu sagen, weil das eine sehr persönliche Auffassung ist. Ein Coach sollte aber in der Lage sein, seine Sportler an das Maximum zu bringen. Er sollte verstehen, dass man mit Menschen und nicht mit Robotern arbeitet. Und: Man darf den Athleten nicht im Weg stehen, sondern sollte ihren Ehrgeiz und die Motivation fördern.

Trainer müssen aber nicht nur mit dem Team oder den Sportlern umgehen, sondern auch mit dem öffentlichen Druck bei Großevents wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen.

Da muss man sich bewusst sein, wie gut man mit Druck umgehen kann. Im Leistungssport geht es, wie der Name sagt, um die Leistung. In diesen Momenten muss man sich klar darüber sein, was man will. Da darf sich kein Trainer der Welt von außen irgendwas einreden lassen. Man muss bereit sein, für etwas gefeuert zu werden, an das man glaubt.

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Wenn es nicht läuft, werden Trainer schnell entlassen. Auch Ihr Kollege Christian Prokop bei den DHB-Herren geriet Anfang des Jahres in die Kritik. Werden Trainer zu schnell entlassen?

Meistens ja. Aber man kann den Medien auch nicht verbieten, über solche Themen zu sprechen oder zu diskutieren. Gleichzeitig dürfen die Verantwortlichen sich auch nicht von den Medien leiten lassen. Wenn ich immer das tun würde, was einzelne Medien mir vorschlagen, wäre ich kein Trainer mehr. Auf der anderen Seite sollten sich auch häufiger diejenigen hinterfragen, die einen Trainer einstellen und kurze Zeit später wieder feuern.

Wie gehen Sie persönlich mit Druck um?

In erster Linie ist der Druck nur so groß, wie man ihn sich selbst macht. Außerdem bin ich nun schon länger im Geschäft und gewohnt, damit umzugehen. Aber im Leistungssport willst du immer oben stehen und deine besten Leistungen abrufen. Das ist im Training genauso wie bei einer Europameisterschaft. Nur von außen stehst du größer im Fokus. Man wird als Trainer dann ja oft gefragt, was das Ziel ist. Also ob es das Halbfinale, Finale oder was auch immer ist. Dabei ist die Antwort doch immer die gleiche: Man will Europameister werden, aber das wollen 15 andere Mannschaften auch.

Wann sind Sie denn zufrieden mit einer Leistung?

Wenn ich nach dem Turnier sagen kann: Mehr war nicht drin. Das kann bedeuten, dass man die Hauptrunde knapp verpasst hat. Das kann aber auch bedeuten, dass wir unzufrieden mit einer Medaille nach Hause fahren, weil wir merken, dass mehr drin gewesen wäre. Deswegen kann ich vorher kaum sagen, welches Ergebnis mich zufrieden stellt. Nehmen wir die Handball-WM unter meinem Vorgänger (Michael Biegler, Anm. d. Red.). Da kann man vor dem Turnier viel sagen, aber wenn anderthalb Monate vor dem Start Anne Hubinger und im ersten Spiel nach wenigen Sekunden Kim Naidzinavicius ausfallen, ändert sich alles. In all meinen Jahren als Trainer habe ich die Erfahrung gemacht, dass diese Ergebnisziele nichts bringen. Wir wollen natürlich an die Weltspitze, wollen gerne Medaillen sammeln. So ist das im Spitzensport. Aber wir haben nur einen Einfluss darauf, was wir machen. Ich kann nicht die anderen Mannschaften aufstellen.

Sie haben eben die WM angesprochen. Die war aus deutscher Sicht leider eine Enttäuschung. Nur einen Monat später begann Ihre Tätigkeit als Cheftrainer beim DHB. Wie viel Aufbauarbeit mussten Sie leisten?

Ich bin damals mit Wolfgang Sommerfeld (ehemaliger Sportdirektor des DHB und bis Ende Juni Teammanager der Frauen-Nationalmannschaft, Anm. d. Red.) zu den Vereinen gefahren und habe mit den Spielerinnen gesprochen. Da war die Enttäuschung bei vielen von ihnen noch komplett da. Aber als wir dann im Februar als Team zusammengekommen sind, war diese Trauer verflogen und der Blick war wieder nach vorne gerichtet.

Zu Ihrem Antritt sagten Sie, dass Sie "schnellen, dynamischen und begeisternden" Handball spielen lassen wollen. Sind Sie mit den bisherigen Auftritten des Teams zufrieden?

Ja, das bin ich. Die Mannschaft hat sehr schnell das aufgegriffen und umgesetzt, was ich gefordert habe. Das hat zwar nicht immer geklappt, aber wir hatten bisher auch nur fünf Spiele. Davon haben wir vier gewonnen. Bei unseren Heimspielen sind die Fans begeistert aus der Halle gegangen. Genau das ist es, was wir wollen. Wir wollen mit viel Tempo und Mut spielen und uns als Mannschaft zeigen. Aber in der EM-Vorrunde lauern der aktuelle Europameister Norwegen, Rumänien und Tschechien. Das sind drei dicke Brocken, die sind stärker als Litauen oder die Türkei. Da muss eine Steigerung her.

Am Samstag und Sonntag treffen Sie auf Russland. Was wollen Sie in diesen Duellen testen?

Unser System hält man nicht mit acht bis neun Spielerinnen über 60 Minuten durch. Geschweige denn an mehreren Tagen in einer Woche. Wir müssen viel und zügig wechseln. Nicht nur die Spiele gegen Russland, auch die EM ist für uns nur eine Zwischenstation auf dem Weg in die Weltspitze. Das ist ein Prozess, der länger dauert. Wir wollen uns auf einem hohen Niveau behaupten, und da ist Russland ein sehr guter Gegner.

Die Länderspiele der deutschen Handball-Nationalmannschaft gegen Russland am Samstag in Dessau-Roßlau und Sonntag in Nordhausen überträgt Sport1 ab 15:00 Uhr.

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