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Madonna wird 60: Hure & Heilige – warum sie die Welt prägte


Madonna wird 60
Provokateurin und Heldin, Hure und Heilige, Feministin und Diva

MeinungPaula Irmschler

Aktualisiert am 16.08.2018Lesedauer: 4 Min.
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Fans werden sich zudem noch sehr gut an ihre Hauptrolle in dem Erotikthriller "Body of Evidence" erinnern. Darin spielte sie an der Seite von Willem Dafoe. Der Streifen gilt als Flop.Vergrößern des Bildes
Fans werden sich zudem noch sehr gut an ihre Hauptrolle in dem Erotikthriller "Body of Evidence" erinnern. Darin spielte sie an der Seite von Willem Dafoe. Der Streifen gilt als Flop. (Quelle: imago-images-bilder)

Unsere Autorin ist in den 90ern aufgewachsen. Sie musste erst begreifen, wie sehr Madonna die Welt geprägt hat, die sie für selbstverständlich hielt. Und dass der Titel "Queen of Pop" viel zu klein ist für diese Künstlerin, an der sich auch heute noch alle messen lassen müssen.

Das Phänomen Madonna wird noch von einigen kommenden Generationen entdeckt und verstanden werden wollen. Madonna war für mich immer da. Es gibt keine Kultur vor Madonna, das kann gar nicht sein. Natürlich gibt es sie doch, aber wenn man in der Zeit n.M. (nach Madonna) geboren wurde, ist es nicht vorstellbar, dass es diese Göttin irgendwann mal nicht auf diesem Planeten gegeben hat. Wir jungen 90er-Jahre-Leute konnten mit Madonna nicht allzu viel anfangen. Wir hatten doch Britney!

Madonna war schon erwachsen, Madonna war schon fertig, Madonna war nicht zugänglich, Madonna war 80er, Madonna war feste Instanz, bei Madonna konnten wir nicht mitmachen, sie war im Grunde unsere Mutter, sie hatte alles schon gemacht und alles schon gewusst. Wie langweilig ist das denn?

Bei jedem Phänomen, das ich entdeckte, hat meine – richtige – Mutter immer gesagt: "Ja, das hatten wir auch schon, das gab es schon, ach, das kommt jetzt wieder." So war Madonna auch immer mit ihren ganzen Image-Wandeln, Outfits, Frisuren und Genre-Versuchen. Das kann man alles erst verstehen, wenn man begreift, dass die Welt, in die man geschossen wird, nicht selbstverständlich so ist, wie sie ist, sondern erst so werden musste.

An Madonna müssen sich alle Künstlerinnen messen lassen

Madonna wird heute 60 Jahre alt. Davon hat sie 35 Jahre im Musikbusiness verbracht und sich mit der Kirche, Sexisten, Homophoben, Rechten, Männlichkeitsfanatikern und generell Prüden angelegt. Sie ist: die erfolgreichste Künstlerin der Welt (laut Zahlen), "greatest woman in music" (laut VH1), eine der mächtigsten Frauen des vergangenen Jahrhunderts (laut Time Magazine), schlechteste Schauspielerin des Jahrhunderts (laut Goldene Himbeere) und die einflussreichste Musikerin überhaupt (laut allen). Und sonst so?

Ach, ja: Die Königin des Pop, Verwandlungskünstlerin, Provokateurin, Skandalauslöserin, Feministin, Wohltäterin, Modeikone und überhaupt Kult. An ihr müssen sich alle heutigen Künstlerinnen messen lassen, über sie müssen alle brav gegenüber Journalisten sagen, dass sie inspiriert sind von ihr – ob sie nun Britney, Christina, Gaga oder Sia heißen. Bei dieser medialen Präsenz geht das auch gar nicht anders; vermutlich ist auch der abgeschiedenste Aussteigertyp auf Grönland inspiriert von Madonna, weil sie überall beeinflussend hinstrahlt.

Hure oder Heilige – Madonna lebt den Widerspruch

Dabei folgt sie weniger dem Mainstream, als ihn vielmehr zu kreieren und zu bereichern. Madonna bringt Szenecodes und Themen von Marginalisierten zum Publikum statt es andersherum und paternalistisch anzugehen. Madonna ist eine Collage aus Pop, Folk, HipHop, Schwulenszene, Punk, Dance, Drag, Hollywood und vielem anderen. Dass sie als so provozierend wahrgenommen wurde und wird, ist vor allem der Frauen angedachten Rolle zu verdanken, die sie nie erfüllen wollte. Hure oder Heilige, damned if you do, damned if you don’t – Madonna lebt den vermeintlichen Widerspruch.

In ihrer Karriere hat sie immer selbst die Entscheidungen treffen können, hatte das Privileg, ihre eigene Chefin sein zu können. Ein Verhalten, das man bei Frauen noch immer als “bossy” bezeichnet und als arrogantes Divagehabe abstempelt, während Selbstbewusstsein männlichen Künstlern als normal und bewundernswert zugestanden wird. Ihre offen gelebte Sexualität ist nie eine, die man als zu beherrschende rezipieren kann und sie beweist, dass weiblicher Pop nicht gleichbedeutend mit Regression sein muss, sondern selbstermächtigend sein kann.

Feministinnen lieben die Queen of Pop

Madonnas hohes Ansehen bei vielen Feministinnen lässt sich durch ein hohes Identifikationspotenzial erklären. So groß sie als Star ist, so denkbar ist es – klar, nur hypothetisch – dass sie in eine unsere Szenen reinmarschiert und uns versteht. Sie ist auf der Tanzfläche dabei ("Ray of Light"), beim wahnsinnigen Verlieben ("Like A Virgin"), beim Abschalten ("Holiday"), bei der Revolte ("Like A Prayer"), beim Sexyfühlen ("Vogue") und beim Aufrichten ("Tell Me"). Dabei sind ihre Songs nie so schwer, nie so offen politisch, nicht so schmerzend, dass sie immer als Empowerment funktionieren statt als Stagnation, als bewusstseinserweiternde Droge, als Ansporn, als Mut.

"Es ist uns nicht erlaubt, gleichzeitig intelligent und sexy zu sein. Nichts hat sich verändert", konstatierte Madonna 2015 zur Musikplattform Pitchfork, aber man muss ihr hier, ausnahmsweise, ein wenig widersprechen. Im 61. Jahr von Madonna kann man durchaus feststellen, dass sich etwas verändert hat. Es gibt nun nämlich mehrere Madonnas.

Vielleicht Madonna die Simone de Beauvoir des Pop

Die Sehnsucht von Feministinnen nach Ikonen ist ungebrochen, geben sie einem doch Halt und Identifikation. Aber die Madonnas sind mannigfaltiger geworden. Musikerinnen wie Beyoncé, die auch als Königin verehrt wird, hat den Fokus auf die Lebensrealität von schwarzen Frauen erweitert. Lady Gaga setzt sich immer wieder offen für die Belange von Homosexuellen und Transmenschen ein und Rihanna bringt die Wut und den Punk.

Vielleicht ist Madonna so etwas wie die Simone de Beauvoir des Pop – es lohnt sich ihre Agenda und die Kämpfe darum zu erweitern. Aber auch, sich immer wieder auf sie zu besinnen – die Diskographie als Lesekreis quasi – sie immer wieder zu hören. Genau, wie es sich lohnt, sich mit der eigenen Mutter immer wieder hinzusetzen und zu begreifen, was für Hürden sie zu ihrer Zeit für einen umgeballert hat, dass sich doch einiges geändert hat, aber wir weitermachen müssen. Ein bisschen so wie in der letzten Staffel von Buffy (Achtung, Spoiler!), in der alle Frauen zu potenziellen Jägerinnen werden. Jetzt sind wir also alle dran, oder: "Everybody get up and do your thing." Das Werkzeug dafür verdanken wir: Madonna Louise Ciccone.

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