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"Islamhasser"-Netzwerk von Michael Stürzenberger steht vor Zusammenbruch


Schwerwiegende Vorwürfe
"Islamhasser"-Netzwerk steht vor Zusammenbruch


Aktualisiert am 26.04.2023Lesedauer: 4 Min.
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Deutschlands wohl größter "Islamhasser" bei einer Demonstration in München (Archivbild): Doch jetzt gerät Michael Stürzenberger selbst in seinem eigenen Verein massiv in die Kritik.Vergrößern des Bildes
Deutschlands wohl größter "Islamhasser" bei einer Demonstration in München (Archivbild): Doch jetzt gerät Michael Stürzenberger in seinem eigenen Verein in die Kritik. (Quelle: IMAGO/Sachelle Babbar)

Ein Zusammenschluss großer deutscher "Islamhasser" droht zusammenzubrechen. Bald könnte die Steuerfahndung ihnen ernsthafte Schwierigkeiten bereiten.

Das Netzwerk von Deutschlands größtem "Islamhasser" Michael Stürzenberger, der seit vielen Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird, droht zusammenzubrechen. Denn den 59-Jährigen, gebürtig aus Bad Kissingen – etwa 150 Kilometer von Nürnberg entfernt – treffen schwerwiegende Vorwürfe.

Dabei geht es um die mögliche Veruntreuung von Geldern im fünfstelligen Bereich in Zusammenhang mit einem Verein, dessen Vorstandsmitglied er ist. Bei dem gemeinnützigen Verein, den auch Stürzenberger vertritt, handelt es sich um die "Bürgerbewegung Pax Europa" (BPE), die eigenen Angaben zufolge rund 1.600 Mitglieder in Deutschland zählt. Der Verein veranstaltet regelmäßig sogenannte "Mahnwachen" in verschiedenen Innenstädten, bei denen Stürzenberger oft als radikaler Redner auftritt.

In seinen Ansprachen stempelt der "Islamhasser" unter anderem den Nationalsozialismus als linke Bewegung ab, vergleicht den Koran mit Adolf Hitlers "Mein Kampf" und setzt sich massiv gegen den Bau von Moscheen ein.

Mögliche Veruntreuung von Geldern wurde bekannt

Jetzt könnte dieser Verein auseinanderbrechen, weil intern massive Vorwürfe gegen Vorstandsmitglieder laut werden. Insgesamt sollen Gelder in Höhe von 157.000 Euro veruntreut worden sein, sagte Günter Geuking, seit Ende 2022 Bundesvorsitzender des islamfeindlichen Vereins bei einer Pressekonferenz, die auf YouTube hochgeladen wurde. Die Anschuldigungen dürften auch die Steuerfahndung auf den Plan rufen.

Die Rede ist unter anderem von 35.000 Euro, die Stürzenberger ausgegeben haben soll. Die zugehörigen Rechnungen sollen allerdings "nicht anerkennungsfähig" sein.

Nach fast jeder "Mahnwache" soll der "Islamhasser" beispielsweise Vereinsgelder beim Essengehen veruntreut haben – teilweise mit Rechnungen bis zu 1.000 Euro. Auch "Zusatzleistungen", unter anderem private Autoreparaturen, soll der eigentlich gemeinnützige Verein für den Ehemann der Schatzmeisterin bezahlt haben. Vermisst werden, zumindest laut Geukings Angaben, ebenso Bargeld-Spenden, die Stürzenberger bei "Mahnwachen" einnahm.

Günter Geuking sagt in seiner Ansprache, dass die Finanzbehörden bald darauf aufmerksam werden. "Die Mühlen mahlen zwar langsam, doch sie mahlen", sagte er in der Pressekonferenz. Michael Stürzenberger bestreitet die Vorwürfe. In einem Telefonat mit t-online erklärte er: "Das sind lediglich Verleumdungsversuche – das kann man so einfach nicht unkommentiert stehen lassen!"

Machtkampf zwischen "Islamhassern" im Internet

Auslöser der finanziellen Schwierigkeiten soll laut der zweistündigen Pressekonferenz die Main-Tauber-Bank sein, die das Vereinskonto gekündigt haben soll. Daraufhin war das Geld wohl vorerst eingefroren und soll teilweise auf private Bank- und Paypal-Konten übertragen worden sein. Dort sei es laut dem Bundesvorsitzenden, unter anderem durch Stürzenberger, zweckentfremdet worden.

Nach der Pressekonferenz entbrannte ein Wortgefecht im Internet zwischen dem Vorstandsmitglied Stürzenberger und dem Bundesvorsitzenden Geuking – ausgestrahlt auf dem tendenziösen YouTube-Kanal "Europäischer Widerstand Online" (EWO), der auch die "Mahnwachen" des Vereins überträgt. Darauf kritisieren sich Stürzenberger und Geuking gegenseitig in zahlreichen Videos, in denen sie ihren Machtkampf offen austragen.

Während der Vorstand Michael Stürzenberger aus dem Verein werfen wollte, machte sich dieser zeitgleich für eine Absetzung des Vorstands stark. Er rief unter anderem zu einer Mitgliederversammlung im baden-württembergischen Wertheim auf. Dort wurde am Samstag "EWO" zufolge mit rund 100 Mitgliedern der Vorstand des Vereins für abgesetzt erklärt. Dabei ist unklar, ob dieses Vorhaben einer rechtlichen Prüfung standhält. Stürzenberger-Vertraute Claudia Duval und Günter Geuking sehen sich jetzt beide als Vorsitzende.

Stürzenberger ist Dauergast vor Gericht

Hintergrund des Streits könnte Geukings gemäßigter Kurs im Verein sein. Statt wie Stürzenberger auf aggressiveren "Straßenkampf" zu setzen, wolle Geuking eher klassische Reden, unter anderem an Universitäten, halten und Flyer verteilen, wie zuerst "Endstation Rechts" berichtete, ein Blog, der von den Jusos in Mecklenburg-Vorpommern gegründet wurde. Durch diesen gemäßigteren Kurs könnte Stürzenbergers Geschäftsmodell gefährdet sein, der durch seine teilweise monetarisierten Livestreams zehntausende Onlinenutzer erreicht, wie ein Szeneexperte t-online verrät.

Die aktuellen Vorwürfe sind nicht die einzigen gegen Michael Stürzenberger. Dem Szenekenner zufolge wurde der Mann bereits viermal verurteilt – einmal wegen Volksverhetzung, einmal wegen Beleidigung, einmal wegen der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen, und ein weiteres Mal wegen Verhetzung in Österreich. Bei zahlreichen anderen Prozessen, unter anderem am Montag wegen Volksverhetzung vor dem Landgericht in Augsburg, wurde er meist in zweiter Instanz freigesprochen.

Von der CSU zum rechtem Rand

Das liegt wohl auch daran, dass Stürzenberger politische Erfahrung mitbringt und weiß, wie weit er mit seinen Äußerungen gehen kann. Der "Islamhasser" machte ursprünglich ab 2003 in der CSU Karriere – unter anderem als Pressesprecher der Münchner CSU unter Strauß-Tochter Monika Hohlmeier. Acht Jahre später trat er aus der Partei aus, einem möglichen Parteiausschluss zuvorkommend.

Dann engagierte er sich unter anderem als Bundesvorsitzender in der rechtspopulistischen Kleinstpartei "Die Freiheit", die die Republikaner unterstützten. Dabei kam er auch ins Visier des Verfassungsschutzes, der ihn "als zentrale Person der islamfeindlichen Szene in Bayern" beschreibt. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht 2022 wird er auch als Autor für die rechtsextreme Nachrichtenplattform "PI-News" aufgeführt.

Verbindungen auch nach Österreich

Bis heute tritt Stürzenberger oft in München auf – unter anderem mit Irfan Peci. Dabei handelt es sich um einen in Österreich lebenden Mann, der einst Dschihadist für ein deutsches Al-Qaida-Netzwerk war. Anschließend wurde er V-Mann für den deutschen Verfassungsschutz.

Jetzt siedelt Peci sich zunehmend in der radikalen, islamfeindlichen Szene um Stürzenberger an. Sein Ziel sei es laut "Endstation Rechts" vermehrt in Österreich zu demonstrieren, weil er dort mit weniger Verfolgungsdruck aus Politik und Justiz rechne. Er steht wiederum auch Martin Sellner* nahe, bis Ende vergangenen Jahres Aushängeschild der Identitären Bewegung in Österreich und Ideengeber der Neuen Rechten. Mit Sellners Ansichten sympathisiert auch Stürzenberger.

*Wir hatten an dieser Stelle zunächst Michael Sellner geschrieben.

Transparenzhinweis: Michael Stürzenberger meldete sich nachträglich bei t-online. Wir haben seine Aussagen ergänzt und die Anzahl der Urteile gegen ihn korrigiert.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Szeneexperten
  • Diverse Posts und Tweets auf Social Media aus der Szene
  • Propaganda-Videos aus der Szene auf Youtube
  • endstation-rechts.de: "Michael Stürzenberger droht der Rauswurf"
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