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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zusätzliche Altersvorsorge Rentenversicherung warnt vor Versorgungslücken

Vor knapp 25 Jahren wurde das deutsche Alterssicherungssystem auf drei Säulen gestellt. Doch wie tragfähig ist diese Konstruktion heute noch?
Als die Alterssicherung in Deutschland im Jahr 2001 von einer auf drei Säulen umgebaut wurde, lautete die Hoffnung: Die betriebliche und die staatlich geförderte private Altersvorsorge sollten das sinkende Niveau in der gesetzlichen Rentenversicherung abfedern. Doch aktuelle Zahlen zeigen: Dieses Ziel wird zunehmend verfehlt.
"Im Grunde sehen wir eine Erosion", sagte Anne Langelüddeke, Leiterin des Dezernats "Entwicklungsfragen der Sozialen Sicherheit und Altersvorsorge" bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, am Mittwoch vor Pressevertretern in Berlin. Seit mehreren Jahren stagniere die Zahl der Anwartschaften und Verträge, in manchen Bereichen sei sie sogar rückläufig.
Mehr als jeder Dritte sorgt gar nicht zusätzlich vor
Laut einer Umfrage unter sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen 25 und 66 Jahren verfügten im Jahr 2023 rund 62 Prozent über eine betriebliche Altersvorsorge (bAV) oder einen Riester-Vertrag. Fast 40 Prozent haben demnach keinen solchen zusätzlichen Altersvorsorgevertrag. Die Gründe sind vielfältig: Viele empfinden die Produkte als nicht lohnend, andere können sich die zusätzliche Vorsorge schlicht nicht leisten. Bei der bAV scheinen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber zudem gegenseitig die Schuld zuzuschieben: Während 41 Prozent der Angestellten monieren, kein Angebot vom Arbeitgeber zu erhalten, geben mehr als zwei Drittel der Arbeitgeber an, dass ihre Mitarbeiter nicht nachfragen würden.
Diese Gruppen sind besonders schlecht abgesichert
Einige Bevölkerungsgruppen sind besonders betroffen. So ist der Anteil der Vorsorgesparer unter Jüngeren gering – teils aus nachvollziehbaren Gründen, etwa weil die Erwerbslaufbahn noch kurz ist. Auch Familien mit vielen Kindern und Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit haben deutlich seltener Verträge zur zusätzlichen Vorsorge abgeschlossen.
Ein weiteres Problem: Selbst wenn Verträge bestehen, wird oft zu wenig gespart. Im Schnitt fließen 3,6 Prozent des Einkommens in die zusätzliche Vorsorge – ein Wert, der knapp unter dem ursprünglich angepeilten Ziel von 4 Prozent liegt.
Risikoabsicherung bleibt lückenhaft
Ein zentrales Problem sieht die Rentenversicherung auch in der Qualität der Risikoabsicherung. Viele Verträge sichern Risiken wie Erwerbsminderung oder Hinterbliebenenschutz nicht ab. Besonders bei der Riester-Rente fehlt häufig der Schutz vor Erwerbsminderung. Besser abgesichert werde derzeit noch das Risiko eines langen Lebens, politische Diskussionen um Auszahlpläne statt einer lebenslangen Rente zeigten jedoch, dass auch dieses Risiko in Zukunft weniger gut gebannt werden könnte.
Langelüddeke betont: Wenn man am Drei-Säulen-System festhalten wolle, müsse man Mittel finden, die Menschen zu motivieren – oder über ein Obligatorium in der zusätzlichen Altersvorsorge nachdenken. So könnte etwa ein Standardprodukt Orientierung schaffen und dazu führen, dass mehr Menschen überhaupt vorsorgen. Das dürfte selbst dann gelten, wenn es mit einer sogenannten Opt-out-Möglichkeit versehen werde, also der Option, aus der standardisierten Zusatzvorsorge auszusteigen.
- Eigene Eindrücke vor Ort
- Präsentation von Anne Langelüddeke auf dem Pressefachseminar der Deutschen Rentenversicherung Bund am 21. Mai 2025 in Berlin