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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Rückwirkende Beitragserhöhung Bundesverband kritisiert "Zwangszinsen" für Rentner

Ab Juli kommen die höheren Pflegebeiträge auch bei Rentnern an – allerdings mit einem ungerechten Aufschlag, kritisiert der Bundesverband der Rentenberater.
Zum 1. Januar 2025 wurde der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte angehoben. Während die Erhöhung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sofort greift, schlägt sie sich bei Rentnern erst ab Juli nieder – allerdings mit einer Nachzahlung. Der Bundesverband der Rentenberater hält diese Umsetzung für doppelt ungerecht.
Nachzahlung auch bei kurzer Rentendauer
Konkret verlangt die Deutsche Rentenversicherung im Juli 2025 eine einmalige Nachzahlung in Höhe von 1,2 Prozent der Monatsrente (0,2 Prozent x 6 Monate). Mehr dazu lesen Sie hier. Die Nachzahlung wird pauschal erhoben – unabhängig davon, wie lange jemand bereits Rente bezieht. Auch Neurentner, die erst im Mai oder Juni 2025 erstmals eine Zahlung erhalten haben, müssen also den vollen Betrag entrichten.
Ein Beispiel: Eine Neurentnerin mit 2.000 Euro Bruttorente im Juni muss rund 25 Euro nachzahlen, obwohl sie vom niedrigen Pflegebeitrag nur einen Monat profitierte. Der tatsächliche Vorteil beträgt für sie daher lediglich 4 Euro. "Das ist sachlich nicht gerechtfertigt", sagt Thomas Neumann, Präsident des Bundesverbands der Rentenberater.
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Effektiv mehr als 13 Prozent Zinsen
Und noch etwas missfällt dem Verband: Die Nachzahlung basiert auf der erhöhten Rente ab 1. Juli 2025 – die Rentenanpassung von 3,74 Prozent ist also bereits berücksichtigt. Dadurch würden sich insgesamt "13,3 Prozent Zwangszinsen" auf den gestundeten Pflegebeitrag ergeben. Bei einer sogenannten Eckrente – auch bekannt als Standardrente – nach 45 Beitragsjahren zum Durchschnittsverdienst entspricht das einmalig rund 80 Cent.
Die Rechnung dazu sieht so aus: Hätte die Pflegekasse im Januar schon 0,2 Prozent auf die damalige Rente eingezogen, hätte sie über sechs Monate 21,23 Euro erhalten (Standardrente bis 30. Juni 2025 in Höhe von 1.769,40 Euro × 0,2 Prozent × 6 Monate = 21,23 Euro). Auf Basis der höheren Rente ab 1. Juli 2025 erhält sie jedoch 22,03 Euro, also 80 Cent mehr (1.835,55 Euro × 0,2 Prozent × 6 Monate = 22,03 Euro).
Verbandspräsident Neumann erklärt dazu: "Zwei versteckte wie vermeidbare Ungerechtigkeiten entstehen hier zulasten der Rentnerinnen und Rentner." Und weiter: Die "13,3 Prozent Zwangszinsen" seien zweifellos plakativ formuliert, wenn es die meisten Rentner nur mit einem Cent-Betrag treffe. Dennoch sei der Vergleich zulässig, da der Bundesgerichtshof auch bei Banken ähnliche Buchungspostenentgelte nicht durchgehen lasse.
Wäre bessere Umsetzung möglich gewesen?
Dabei hätte es laut dem Verband deutlich fairere Lösungen gegeben. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist es üblich, Beitragserhöhungen mit einer zweimonatigen Verzögerung umzusetzen. Für die Pflegeversicherung hätte das bedeutet, den höheren Satz ab März 2025 gelten zu lassen – ohne rückwirkende Nachzahlung.
Auch bei neuen Rentenzugängen hätte der höhere Beitrag direkt berücksichtigt werden können. Die Verordnung ließ dafür Gestaltungsspielraum. "Insofern fehlte zumindest der Politik das Fingerspitzengefühl, den Rentenversicherungsträgern in der Verordnung klare Vorgaben zu machen", so Neumann.
Verwaltungsarm? Verband ist skeptisch
Die Rentenversicherung argumentiert, dass es verwaltungsärmer gewesen sei, die Anpassung des Beitragssatzes pauschal abzugelten. "Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Deutsche Rentenversicherung eine Anpassung für die rund 22 Millionen Renten, die hiervon betroffen sind, nur in einem automatisierten Auszahlungs- und Bescheidverfahren vornehmen kann", sagte Una Großmann, Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung Bund, t-online. "Eine Lösung mit differenzierten Beitragssatzhöhen ist wegen der kurzfristig erforderlich gewordenen Anhebung des Beitragssatzes zum 1. Januar 2025 nicht möglich."
Der Bundesverband der Rentenberater hält das Argument für wenig überzeugend. Denn viele Rentner könnten sich mit Fragen oder Widersprüchen an die Rentenversicherung wenden, was wiederum die Verwaltung belastet. Insgesamt könnten die Pflegekassen durch die rückwirkende Beitragserhöhung bis zu 15 Millionen Euro Mehreinnahmen verzeichnen, so eine überschlägige Schätzung des Verbands.
- Pressemitteilung des Bundesverbands der Rentenberater
- Schriftliche Antwort von Una Großmann, Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung Bund