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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Abgabe für reiche Rentner Warum der Boomer-Soli überfällig ist

Eine neue Abgabe für reiche Rentner? Der Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist nicht frei von Schwächen. Doch er ist gerechter als die bisherige Verteilung.
Deutschlands Rentensystem steuert auf eine Überforderung zu. Millionen Babyboomer gehen in den kommenden Jahren in Rente – die Zahl der Beitragszahler hingegen schrumpft. Seit zwei Jahrzehnten warnen Experten vor dieser Entwicklung. Politisch ist wenig geschehen. Statt nachhaltiger Reformen setzt auch die neue Bundesregierung auf Flickwerk. Die Rechnung dafür zahlen vor allem die Jüngeren: mit steigenden Beiträgen und Steuern.
Dabei gäbe es einen anderen Weg: innerhalb der Rentnergeneration umverteilen – von oben nach unten, von wohlhabend zu bedürftig. Der vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vorgeschlagene Boomer-Soli verfolgt genau dieses Prinzip. Wer im Alter mehr als 1.048 Euro an monatlichen Einkünften erzielt, würde auf den Überschuss 10 Prozent Sonderabgabe zahlen. Das Geld ginge direkt an bedürftige Rentnerinnen und Rentner – und damit an den Teil der Boomer-Generation, der von Altersarmut bedroht ist.
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Boomer-Soli hat auch Schwachstellen
Zugegeben: Der Vorschlag ist nicht ohne Schwächen. So lässt der Boomer-Soli beispielsweise Vermögen außen vor. Wer nur eine mittlere Rente hat, aber in einem abbezahlten Haus lebt, würde womöglich nicht erfasst – während ein anderer mit größerem laufendem Einkommen, aber ohne nennenswerte Ersparnisse, zur Kasse gebeten werden könnte. Allerdings ist die Einbeziehung von Vermögen komplex. Nicht umsonst schreckt die Politik vor einer Wiedereinführung der Vermögensteuer zurück.
Ein weiterer Kritikpunkt am DIW-Vorschlag: Dort, wo es möglich ist, könnten sich Rentner ihre Alterseinkünfte auf einen Schlag statt als lebenslange Rente auszahlen lassen – und somit ihr monatliches Alterseinkommen drücken. Vor der Einführung einer Sonderabgabe für wohlhabende Rentner müsste der Gesetzgeber daher solche Schlupflöcher stopfen.
Fair ist das Rentensystem auch jetzt schon nicht
Der Boomer-Soli mag nicht perfekt sein, aber er ist pragmatisch, sozialverträglich und schnell wirksam. Anders als eine Reform der Rentenformel – etwa indem Rentenpunkte von Reich zu Arm umverteilt werden – wirkt die Abgabe sofort. Sie belastet nur diejenigen, die es sich leisten können. Und das in verkraftbarem Ausmaß: Laut DIW würden Rentner im ärmsten Fünftel rund elf Prozent mehr Einkommen erhalten – das reichste Fünftel müsste hingegen nur durchschnittlich vier Prozent abgeben. Kein ruinöser Einschnitt, sondern ein fairer Beitrag. Man könnte sogar sagen: ein überfälliger Beitrag.
Denn gerade die wohlhabendsten Rentner sind derzeit diejenigen, die vom Rentensystem am stärksten profitieren. Wer finanziell gut aufgestellt ist, lebt in der Regel auch länger – während Menschen mit geringem Einkommen im Schnitt deutlich kürzer Rente beziehen. Das bedeutet: Das eigentlich für die Rentenkassen geltende Prinzip, nach dem jeder im Berufsleben eingezahlte Euro später eine gleich hohe Rentenzahlung bringt, existiert aufgrund der ungleichen Lebenserwartung gar nicht. Insofern wäre ein Soli für reiche Rentner sogar ein Beitrag dazu, Gerechtigkeit überhaupt erst herzustellen.
Man muss nicht jeden Aspekt des Vorschlags gut finden, um zu erkennen: Die Zeit der Ausflüchte ist vorbei. Jahrzehntelang wurden Rentenreformen vertagt. Nun sind die Spielräume eng. Und irgendjemand wird mehr tragen müssen – ob durch Beiträge, Steuern oder Verzicht. Dann sollte es besser jene treffen, die nicht darum kämpfen müssen, dass das Geld bis zum Monatsende reicht.
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- Eigene Meinung
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