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Lena (7) leidet an der "Weißfleckenkrankheit" Vitiligo


Mutter fürchtet Ausgrenzung
Lena (7) hat die "Weißfleckenkrankheit" Vitiligo

t-online, Anja Speitel

Aktualisiert am 18.11.2015Lesedauer: 6 Min.
Vitiligo: Auf der Haut der siebenjährigen Lena zeigen sich immer mehr weiße Flecken.Vergrößern des BildesDie siebenjährige Lena hat Vitiligo. Auf ihrer Haut zeigen sich immer mehr weiße Flecken. (Quelle: privat)
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Vor einem Jahr entdeckte Lenas Mutter rätselhafte weiße Flecken auf der Haut des kleinen Mädchens. Die Diagnose: Vitiligo. Die "Weißfleckenkrankheit" bereitet Betroffenen mehr seelisches als körperliches Leid, weil sie oft ausgegrenzt werden. Eltern belastet, dass die Behandlungsmöglichkeiten für Kinder begrenzt sind.

Vitiligo, nach ihrem auffälligen Erscheinungsbild auch als "Weißfleckenkrankheit" bezeichnet, kann in jedem Alter auftreten. Bei 25 Prozent der Betroffenen beginnt der Pigmentverlust der Haut vor dem zehnten, bei weiteren 25 Prozent bis zum 20 Lebensjahr. Bei Lena* aus Dresden traten die ersten weißen Flecken im Kindergartenalter auf. Jetzt ist sie sieben.

"Im Mai 2014 bemerkten wir weiße Flecken an Lenas rechtem Oberarm", erinnert sich ihre Mutter Monika*. "Da die Flecken wuchsen, sind wir im August zum Hautarzt gegangen: Der stellte die Diagnose Vitiligo und schickte uns wieder nach Hause."

Mit der Diagnose Vitiligo alleine gelassen

Vitiligo ist relativ häufig. Sie betrifft nach Schätzungen 0,5 bis 2,0 Prozent der Weltbevölkerung, und etwa eine Million Menschen in Deutschland. Trotzdem beklagen viele Betroffene, dass sie von Hautärzten ohne Behandlungsoption nach Hause geschickt werden.

"Es gibt zwar Leitlinien, die Behandlungsschritte aufzeigen, doch generell sind Patienten in einer misslichen Situation", räumt der Münchner Dermatologe Christoph Liebich ein. "Man kann nicht voraussagen, wie stark die Vitiligo bei dem Betroffenen fortschreitet, und auch nicht, wie eine Behandlung anschlagen wird. Sehr gute Ergebnisse erreichen wir zwar mit Bestrahlungen. Doch dieses erwiesenermaßen wirksame Verfahren zur Repigmentierung der Haut sollte man bei Kindern wegen der erhöhten Hautkrebsgefahr nicht durchführen. Also kann man für Kinder nach schulmedizinischen Gesichtspunkten wenig tun. Das ist für die Eltern natürlich eine sehr frustrierende Situation."

Ursachen der Vitiligo sind unklar

Wieso Menschen jeden Alters die Weißfleckenkrankheit bekommen können, ist nicht geklärt. Wissenschaftlich erwiesen ist bislang eine genetische Veranlagung. Deshalb tritt die Hautkrankheit in manchen Familien gehäuft auf.

Autoimmunprozesse führen bei Vitiligo zu einer Zerstörung der Pigmentzellen der Haut, der Melanozyten. Sie sind dann nicht mehr in der Lage, den Hautfarbstoff Melanin zu bilden. Daher bilden sich die weißen Flecken - vornehmlich im Gesicht, über Gelenken wie Ellenbogen oder entlang der Knie, auf Hand- und Fußrücken sowie um After und Geschlechtsteile. Grundsätzlich können sie überall auftreten. Ist die Kopfhaut betroffen, werden die Haare weiß.

Vitiligo ist weder schmerzhaft, noch ansteckend. Deshalb wird sie oft als kosmetisches Problem bagatellisiert. "Dabei ist Vitiligo eine chronische Hauterkrankung, die schwer verlaufen und die Lebensqualität stark einschränken kann", weiß Liebich. "Patienten brauchen ärztliche Unterstützung, um den passenden Behandlungsweg zu wählen. Der kann sehr aufwändig sein und lebenslang andauern. Ist die Behandlung nicht zufriedenstellend oder der Leidensdruck durch das auffällige Erscheinungsbild der Haut sehr groß, brauchen Patienten außerdem psychologische Unterstützung."

Angst vor Diskriminierung

Lenas Mutter hat Angst, dass die Vitiligo später negativen Einfluss auf ihr Kind nehmen wird: "Lena ist jetzt noch klein und die Flecken zeigen sich bislang nur am Rücken und an ihren Armen. Doch es sieht so aus, als ob sich auch Flecken im Gesicht entwickeln. Dann wäre Lenas Erkrankung sehr präsent, und das sehe ich als eine massive Einschränkung - gerade in einer Gesellschaft wie der unseren, die sehr auf Äußerlichkeiten achtet", gibt die Mutter zu bedenken.

Die äußerliche Veränderung und die Stigmatisierung als Kranker machen Vitiligo so belastend. "Bemerkungen wie 'Oh, was hat es denn?' oder 'Ist das ansteckend?' hat wohl jede Mutter eines Vitiligo-Kindes schon einmal gehört", sagt Georg Pliszewski, Vorsitzender des Deutschen Vitiligo-Bundes.

Andere Menschen tuscheln über die Flecken, meiden aus Angst vor Ansteckung den Kontakt oder schließen Vitiligo-Patienten von bestimmten Unternehmungen wie Schwimmbadbesuch aus. "Das verursacht bei den Betroffenen seelische Schmerzen. So empfinden sie ihre Krankheit als Makel, weil sie nicht mehr dem 'normalen Erscheinungsbild' entsprechen", weiß Pliszewski aus eigener Erfahrung, hat er doch selbst Vitiligo seit seinem 19. Lebensjahr.

Therapie von Vitiligo bei Kindern ist eingeschränkt

Die Schulmedizin behandelt aktive Vitiligoherde bei Kindern mit Cremes, die Kortison oder Calcineurin-Inhibitoren enthalten. "Sie zielen darauf ab, Entzündungen zu hemmen oder das Immunsystem zu unterdrücken, damit die Erkrankung nicht weiter fortschreitet", erklärt der Hautarzt Liebich. "Mit dieser Behandlung lässt sich zwar möglicherweise eine Repigmetierung erzielen, allerdings hat der langfristige Gebrauch von Kortisoncremes Nebenwirkungen wie ein Dünnerwerden der Haut und sollte nur kurzfristig erfolgen."

Die besten Behandlungsergebnisse erhält man mit der Phototherapie, da diese die Melanozyten zur Repigmentierung anregt. Die weißen Flecken verschwinden dadurch bei etwa 20 Prozent der Behandelten. Bei 70 Prozent wird immerhin eine sehr ordentliche Repigmentierung erreicht. "Eine Schmalband-UVB-Bestrahlung muss zwei- bis dreimal pro Woche für rund ein Jahr durchgeführt werden, entweder als Ganzkörperbestrahlung oder mithilfe eines Lasers nur an bestimmten Stellen", erläutert Liebich.

"Bestrahlen, beziehungsweise Lasern macht man bei Kindern aber nicht, da dies die Gefahr, später an Hautkrebs zu erkranken, massiv erhöht. Diese Behandlung ist frühestens mit 16, 17 Jahren eine Option, wobei in Bezug auf Hautkrebs gilt: Je später, desto besser. Im Klartext heißt das leider für Eltern: Das, was erwiesenermaßen gut wirkt, kannst du für dein Kind nicht tun."

Selbsthilfegruppe gab Tipp für alternative Behandlung

Monika wollte sich mit dieser unbefriedigenden Situation für ihre Tochter nicht abgeben. In einer Selbsthilfegruppe bekam sie Rat und Hilfe, auch abseits der Schulmedizin. "So fand ich auch unseren Weg für Lena, denn ich wollte sie nicht mit Kortison oder Immunsuppressiva behandeln. Der Körper greift nicht aus Spaß seine Pigmentzellen an, deshalb suche ich nach einem ganzheitlichen Behandlungsweg, der vielleicht an der Ursache ansetzt."

Seit Oktober 2014 wird Lena im Fachkrankenhaus für Dermatologie Schloss Friedensburg im thüringischen Leutenberg von Chefarzt Raphael Shimshoni behandelt: Eine Darmsanierung, individuell zugeschnittene Ernährung und die Gabe von Vitamin D und B12 haben Lenas Vitiligo-Schübe verlangsamt. "Bestehende Flecken sind zwar nicht zurückgegangen, aber es kommen kaum neue hinzu", freut sich die Mutter.

"Vitiligo kostet uns viel Nerven, Zeit und Geld"

Alle sechs Monate wird Lenas Blut überprüft und die Therapie gegebenenfalls angepasst. "Ich bin überzeugt, dass Lena das Behandlungskonzept hilft. Als wir die Vitamingaben im Sommer drei Monate ausgesetzt haben, fing Lenas Haut nach vier bis sechs Wochen wieder stärker an zu depigmentieren."

Deshalb bleibt die Familie dran, auch wenn sie Lenas Behandlung in Leutenberg selbst zahlen muss. "Vitiligo kostet uns viel Nerven und Geld". "Wir sind sogar umgezogen, da wir einen Zusammenhang zwischen Lenas Vitiligo und Elektrosmog vermuten", sagt Monika.

Stress und Hautschäden können Vitiligo verstärken

Tatsächlich gibt es Faktoren, die die Krankheit oder Schübe auslösen können: Experten nennen Stress, starke seelische Belastungen, Hautverletzungen und Sonnenbrände als mögliche Trigger-Faktoren der Vitiligo. Die Ursache der Erkrankung sind sie aber nicht. "Weil Vitiligo noch immer nicht ganz verstanden wird und die Behandlung schwierig ist, sage ich oft: Probieren geht über Studieren", so Pliszewski vom Vitiligo-Bund.

"Wer heilt hat Recht", sagt sogar Schulmediziner Liebich. "Die Ernährung ist sicherlich auch für die Haut ein wichtiger Faktor und mit Vitamingaben kann man nicht viel falsch machen. Es ist klar, dass Eltern alles versuchen, um ihrem Kind zu helfen. Dazu gehört aber immer auch der schulmedizinische Weg", rät der Dermatologe.

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Vitiligo-Betroffene haben manchmal weitere Krankheiten

Menschen, die unter Vitiligo leiden, haben nicht selten zusätzlich eine weitere Autoimmunerkrankung: "Ein Zusammenhang mit der Schilddrüsenkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis ist belegt", so Liebich. "Rund 50 Prozent der Vitiligo-Patienten entwickeln diese chronische Entzündung der Schilddrüse."

Bei Auftreten einer Vitiligo müssen deshalb immer auch die Schilddrüsenwerte abgeklärt und jedes Jahr kontrolliert werden, empfiehlt der Arzt. Auch weitere Autoimmunerkrankungen wie kreisrunder Haarausfall, Zöliakie, Diabetes Typ-1 oder Heuschnupfen zeigen sich bei Menschen mit Vitiligo häufiger. Lena ist davon bislang verschont, Pliszewski jedoch hat Diabetes Typ 1. Zudem reagiert die depigmentierte Haut von Vitiligo-Patienten besonders empfindlich auf Sonne – und durch jeden Sonnenbrand steigt die Hautkrebsgefahr.

"Wir haben also an ganz schön vielen Fronten zu kämpfen mit unserer Erkrankung; aber gesellschaftlich mit unserem Leiden angenommen zu werden ist die größte", fasst der Vorsitzende des Vitiligo-Bundes die Situation zusammen. Eltern betroffener Kinder rät er zu psychologischer Unterstützung. Lena braucht diese noch nicht. Sie macht aber Kung-Fu – auch Kampfsport stärkt das Selbstbewusstsein.

Chantelle Winnie: Von der "Kuh" zum Topmodel

Das beste Beispiel für einen selbstbewussten Umgang mit den weißen Flecken ist das kanadische Model Chantelle Winnie. Die heute 21-Jährige erzählt, dass sie früher von anderen Kindern als "Kuh" verspottet worden sei. Inzwischen ist ihr Gesicht zum Markenzeichen für bekannte Modelabels geworden. Sie hat durch ihre Vitiligo Karriere gemacht. Auch Popstar Michael Jackson litt an Vitiligo, wie er selbst immer wieder betonte. Doch viele glaubten ihm dies nicht und behaupteten, er habe seine Haut bleichen lassen.

Weitere Infos gibt es beim Deutschen Vitiligo-Bund: www.vitiligo-bund.de

*Namen von der Redaktion geändert

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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