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Corona-Impfstoff von Biontech: Ist "90 Prozent Wirksamkeit" genug?


Corona-Impfstoff von Biontech: Ist "90 Prozent Wirksamkeit" viel?

  • Melanie Rannow
Von Melanie Rannow

Aktualisiert am 11.11.2020Lesedauer: 5 Min.
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Impfstoff: Der Hersteller Biontech will die Zulassung seines Covid-19-Impfstoffs beantragen. (Symbolbild)Vergrößern des Bildes
Impfstoff: Der Hersteller Biontech will die Zulassung seines Covid-19-Impfstoffs beantragen. (Symbolbild) (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

90 Prozent Wirksamkeit bei einer Gruppe von mehr als 40.000 Probanden: Diese Neuigkeit vom Mainzer Unternehmen Biontech macht Hoffnung auf einen baldigen Covid-19-Impfstoff. Doch viele Fragen bleiben ungeklärt.

Als erstes westliches Impfstoffprojekt gegen Corona haben der deutsche Impfstoffhersteller Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer am 9. November konkrete Ergebnisse aus der letzten, entscheidenden Studienphase vorgestellt. Demnach bietet ihr Impfstoff einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19.

Damit wäre das Präparat deutlich wirksamer als für einen Corona-Impfstoff erhofft. Experten zeigen sich optimistisch – und mahnen doch vor zu viel Euphorie. Denn noch sind etliche Fragen zum Biontech-Impfstoff offen. Ein Überblick, was bisher bekannt ist und was nicht.

Wie funktioniert der Biontech-Impfstoff?

Das Biontech-Präparat ist ein sogenannter RNA-Impfstoff, der auf einer bislang völlig neuen Technik basiert. Er enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt.

Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

Wie genau wird er erprobt?

Ende April waren die ersten klinischen Tests an Freiwilligen in Deutschland gestartet, Ende Juli begann in den USA eine Studie der Phase zwei/drei. Die Erprobung in der dritten und abschließenden Testphase in Deutschland wurde Anfang September vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) genehmigt.

An der Erprobung in der finalen Phase 3 nehmen mehr als 43.500 freiwillige Probanden teil. Etwa die Hälfte von ihnen erhält ein wirkungsloses Placebo. Zum jetzigen Zeitpunkt haben alle Studienteilnehmer mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. 38.955 der Probanden haben bis zum 8. November bereits die zweite Dosis des Impfstoffs erhalten. Ein Impfschutz wird laut den Herstellern eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht.

Wie gut die Impfung funktioniert, lässt sich abschätzen, indem die Zahl der Covid-19-Erkrankungen unter den Geimpften mit der Zahl der Erkrankungen in der Placebogruppe verglichen wird. Unter den knapp 40.000 Versuchspersonen, die beide Impfstoffgaben oder Placebo erhielten, waren 94 laborbestätigte Fälle von Covid-19 aufgetreten.

Was bedeutet "90 Prozent Wirksamkeit"?

Nach Angaben von Biontech und Pfizer erweist sich der Impfstoff daher "in der ersten Zwischenanalyse zu mehr als 90 Prozent wirksam im Schutz vor Covid-19-Erkrankungen bei Probanden ohne nachweisliche vorangegangene SARS-CoV-2-Infektion".

Das heißt konkret: Das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, ist für geimpfte Studienteilnehmer um mehr als 90 Prozent geringer als ohne Impfung. Genauere Angaben wurden bislang nicht gemacht.

Sollte sich die hohe Wirksamkeit von mehr als 90 Prozent im weiteren Verlauf der Studie bestätigen, wäre dies eine sehr hohe Effizienz der Impfung. Viele routinemäßig eingesetzte Impfstoffe wie etwa gegen Influenza erreichen keine so hohen Werte. Im Durchschnitt verhindert der Grippeimpfstoff etwa 60 Prozent aller Infektionen bei gesunden Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren.

Fachleute beurteilen das vorläufige Resultat der Biontech-Studie dennoch vorsichtig positiv. "Das sind interessante erste Signale", sagte Marylyn Addo von der Uniklinik Hamburg-Eppendorf dem Science Media Center (SMC). Sie bemängelt aber, dass es bisher nur die Pressemitteilung gibt. "Es stehen noch keine Primärdaten zur Verfügung und eine Peer-Review-Publikation steht noch aus."

Das ist ein entscheidender Punkt, den mehrere Experten zu bedenken geben. Die Daten stammen zunächst nur aus einer Pressemitteilung der beiden Unternehmen und nicht aus einer wissenschaftlichen Publikation. Eine unabhängige Beurteilung steht also noch aus.

"Ich hoffe, dass die Daten möglichst bald veröffentlicht werden, damit man sich ein genaueres Bild machen kann", sagte Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie an der Universität Marburg, der Deutschen Presse-Agentur. Insgesamt spricht er aber von "einem sehr erfreulichen Ergebnis".

Wirkt der Impfstoff bei allen Menschen gleich?

Bislang ist unklar, ob der Wirkstoff bei allen Menschen gleichermaßen wirkt. "Es muss sich noch zeigen, ob der Impfstoff in verschiedenen Bevölkerungsgruppen, insbesondere in Risikogruppen wie älteren Menschen, ebenso effektiv ist", sagte Leif-Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung von der Charité in Berlin.

Dies aber ist ein wichtiger Punkt. Denn bisher ist in Deutschland angedacht, gerade die Älteren und besonders Covid-19-gefährdeten Personen zuerst zu impfen. So hat es eine Expertengruppe aus Deutschem Ethikrat, Ständiger Impfkommission und Wissenschaftsakademie Leopoldina empfohlen.

Wie lange könnte der Impfschutz anhalten?

Wie lange der Impfschutz des Biontech-Wirkstoffs anhält, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt. BNT162b2 gehört zu einer neuen Gruppe von Impfstoffen, die bisher klinisch nicht im Einsatz sind.

Außerdem sind die Daten noch sehr frisch. Sie stammen aus den ersten Wochen nach der Impfung. Ein guter Impfstoff sollte wenigstens ein Jahr schützen. Ob das so ist, lässt sich nicht sicher sagen, bevor der Impfstoff auch ein Jahr im Einsatz ist. Ebenso fehlen Angaben dazu, wie sehr die Impfung vor schweren Verläufen von Covid-19 schützen könnte.

Was ist über mögliche Nebenwirkungen bekannt?

Leif-Erik Sander von der Berliner Charité betont, zu möglichen Nebenwirkungen lasse sich noch nicht all zu viel sagen. Zwar hätten sich nach Angaben der Unternehmen keine sicherheitsrelevanten Nebenwirkungen gezeigt. Sander verweist aber darauf, "dass der Beobachtungszeitraum für relevante Impfnebenwirkungen noch zu kurz ist".

"Wir werden weiterhin zusätzliche Daten sammeln, während der Prozess für eine abschließende Analyse fortgesetzt wird", erklärte Ugur Sahin, Mitbegründer und CEO von Biontech, in einer Pressemitteilung. Diese sei geplant, wenn insgesamt 164 bestätigte Covid-19-Fälle aufgetreten sind.

Wann könnte der Impfstoff verfügbar sein?

Biontech und Pfizer wollen noch im November in den USA eine Notfallgenehmigung für ihren Wirkstoff beantragen. Mit einer solchen Zulassung der US-Arzneimittelbehörde FDA könnten Teile der US-Bevölkerung – zum Beispiel medizinisches Personal oder ältere Menschen – auch vor der offiziellen Zulassung geimpft werden.

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In Europa ist die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) für die Zulassung zuständig. Dort gibt es ein "Rolling-Review-Verfahren", bei dem die Hersteller ihre Daten nach und nach einreichen, bevor sie einen kompletten Zulassungsantrag stellen. Das Verfahren hat neben Biontech auch das britisch-schwedische Unternehmen AstraZeneca bereits vor einiger Zeit für seinen Impfstoffkandidaten gestartet.

Die Zulassungsbehörden überprüfen sorgfältig und unabhängig die Ergebnisse der Hersteller. Beweisen sich die Zwischenergebnisse der Biontech-Studie, könnte es sein, dass noch in diesem Jahr die Zulassung des Impfstoffs erfolgt. Dann könnten 2021 die ersten Impfstoffe zur Verfügung stehen.

Wie viele Menschen könnten geimpft werden?

Ein Vorteil des Impfstoffes ist, dass er innerhalb kurzer Zeit in größerer Menge hergestellt werden kann. Pfizer sieht sich in der Lage, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Dosen des Coronavirus-Impfstoffs herzustellen. 2021 sollen bis zu 1,3 Milliarden Dosen produziert werden.

Den Menschen in Europa soll der vielversprechende Corona-Impfstoff schnell nach einer Zulassung zur Verfügung stehen. "Die Verhandlungen mit der Pharmaindustrie sind abgeschlossen", hieß es aus laut der Deutschen Presse-Agentur aus Kommissionskreisen. Deutschland möchte bis zu 100 Millionen Dosen erhalten. Damit sei die Bundesregierung in den Gesprächen in der EU angetreten, teilte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit.

Nach Vertragsabschluss in der EU haben alle 27 Länder gleichzeitig Zugriff auf erste Lieferungen. Sie sollen nach Bevölkerungsstärke verteilt werden. Deutschland hat einen Anteil von rund 19 Prozent.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Ärzteblatt
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