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Impfarzt im Interview: Wie reagiert man auf Impfgegner oder Anfeindungen?


Impfarzt spricht Klartext
"Echte Impfskeptiker sind mir eigentlich ganz recht"

InterviewVon Sandra Simonsen

Aktualisiert am 15.11.2021Lesedauer: 7 Min.
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Corona-Impfung beim Hausarzt: Immer öfter sehen sich die Ärzte Anfeindungen ausgesetzt.Vergrößern des Bildes
Corona-Impfung beim Hausarzt: Immer öfter sehen sich die Ärzte Anfeindungen ausgesetzt. (Quelle: imago-images-bilder)

Seit fast einem Jahr werden Menschen in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft. Wie laufen die Impfungen aktuell und wie reagieren Ärzte auf Anfeindungen? t-online hat dazu mit Dr. Holger Röblitz gesprochen.

Angst vor einer Erkrankung, Wut über eine mögliche Impfpflicht, Misstrauen gegenüber den Impfungen: Die Corona-Krise hat das Leben aller Menschen durcheinandergebracht und bei vielen zu neuen Verhaltensweisen geführt. Dazu gehört auch, dass Wut, Gewalt und Drohungen immer häufiger werden. Auch im Alltag vieler Mediziner. Holger Röblitz arbeitet als Kinder- und Jugendarzt in Berlin. Dabei impft er auch gegen das Coronavirus. Zu Beginn der Impfkampagne hat er zusätzlich im Impfzentrum ausgeholfen.

Röblitz erzählt im Interview mit t-online, wie er den Verlauf der Impfkampagne erlebt, ob ihn ebenfalls bereits Drohungen von Impfgegnern erreicht haben und was ihn am Impfprozess besonders ärgert.

t-online: Seit dem Start der Impfkampagne in Deutschland sind rund elf Monate vergangen, wie haben Sie diese Zeit als Impfarzt erlebt?

Dr. Holger Röblitz: Es war sehr turbulent. Ganz am Anfang gab es eine große Euphorie. Da haben wir viele Dienste gemacht und in dem Impfzentrum war eine tolle Stimmung und eine ganz besondere Atmosphäre. Auch meine Angestellten waren immer mit dabei. Irgendwann im April, Mai, Juni ging es dann nach und nach auch in den Praxen los – das hat sich allerdings hingezogen. Nachdem wir den Impfstoff dann besser kannten und auch wussten, wie man ihn länger lagern und gut verabreichen kann, hatten wir schon Hoffnung, dass wir in den Praxen schnell und unbürokratisch impfen können. Das war aber leider schwierig.

Inwiefern?

Die Bürokratie hat das Impfen sehr erschwert. Eine Impfung zu dokumentieren ist enorm aufwendig, auch die Vorbereitung ist sehr aufwendig. Dann gab es lange ein echtes Verteilungsproblem: Wir wussten bis in den Sommer hinein immer erst kurz vorher, wie viel Impfstoff wir nun wirklich geliefert bekommen. Und das hat wirklich alle Euphorie gebremst. Wir hatten uns da sehr viel mehr erhofft. Und dennoch war es so, dass die Impfungen, die wir gemacht haben, uns ein gutes Gefühl gegeben haben. Auch, weil wir gemerkt haben, dass es in den Praxen sehr viel effizienter ist als in den Impfzentren.

Warum ist das so?

Die Patienten waren sehr geduldig und auch sehr gut vorbereitet. Viele kamen mit allen fertig ausgefüllten Formularen und waren super vorinformiert. So haben wir das, was wir im Impfzentrum in sechs bis sieben Stunden geschafft haben, in der Praxis in zwei Stunden geschafft. Und so geht man doch mit einem guten Gefühl da raus – nach wie vor. Aber wir kämpfen auch nach wie vor mit der Bürokratie. Und es tut immer noch weh, wenn wir am Ende des Tages ungenutzte Impfdosen wegwerfen müssen.


Holger Röblitzcoremedia:///cap/blob/content/89430424#data
ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Allergologie und Kinderpneumologie. Als Spezialist für Allergien und Lungenerkrankungen im Kindes- und Jugendalter kümmert er sich in seiner Praxis in Berlin-Köpenick neben seinen Spezialgebieten zusammen mit seinen Kolleginnen auch um die ganz normalen kinderärztlichen Belange, wie beispielsweise das Impfen. Mittlerweile war er als Impfarzt im Corona-Impfzentrum Arena in Berlin-Treptow im Einsatz und hat auch in seiner Praxis zahlreichen Menschen eine Impfung gegen SARS-CoV-2 verabreicht.

Es gibt immer wieder Meldungen von Drohungen oder sogar Gewalt gegenüber Ärzten, die gegen Corona impfen, ist Ihnen Ähnliches widerfahren?

Das ist leider etwas, das – auch unabhängig von den Impfungen – in Zeiten der Pandemie stark zugenommen hat. Die Pandemie war da in gewisser Weise ein Katalysator. Wenn es um rein physische Gewalt geht: Das haben wir bisher glücklicherweise nicht erleben müssen. Aber uns ist es schon so ergangen, dass vor allem die, die auch in der Öffentlichkeit stehen und beispielsweise Interviews geben, einiges erleben. Und auch bei uns in der Praxis ist es häufiger vorgekommen, dass es lauter wird, Türen geknallt werden oder anders dem Unmut Raum gegeben wird.

Aber natürlich gibt es auch anonyme E-Mails oder Briefe, die im Postkasten landen. Und Eltern, die in der vollen Sprechstunde auftreten und sämtliche Manieren vermissen lassen. Das hat zugenommen, aber nicht nur bei Impfungen. Ein riesiges Aufregerthema bei Kindern und Jugendlichen sind auch die Masken. Und diese Menschen kann man auch nicht mit Argumenten überzeugen. Ich hätte mir vorher nie ausgemalt, dass ich als Arzt mal beschimpft werde, nur weil ich Arzt bin. Das ist erschreckend.

Haben Sie trotzdem noch Verständnis für Impfskeptiker?

Echte Impfskeptiker im wahrsten Sinne des Wortes sind mir eigentlich ganz lieb. Das sind Menschen, die sich gut informieren bei seriösen Quellen und dann meist sehr gute und kluge und berechtigte Fragen stellen. Dies führt dazu, dass auch ich mich immer wieder überprüfen kann und muss, ob ich alle diese Fragen beantworten kann und ob meine Argumente noch schlüssig sind. Das gilt nicht nur bei Impfungen sondern bei allen Belangen in der Medizin und sollte Bestandteil der eigenen Arbeitsweise sein.

Erst wenn ich etwas jemand anderem erklären kann und der es auch verstanden hat, dann weiß ich und kann mir sicher sein, dass ich es auch verstanden habe. In diesem Sinne sind mir kritische oder eben skeptische Eltern lieb und recht und wenn dann ein gegenseitiges Vertrauen besteht, wird man sich in der Regel einig und ich kann die Skepsis beseitigen und Sorgen nehmen. Leider ist der Begriff Impfskeptiker gerade eher negativ belegt, weil man damit eigentlich Impfverweigerer oder Impfgegner meint.

Wie stehen Sie zu diesen Menschen, die wirkliche Impfgegner sind?

Meiner Erfahrung nach kann man diese Menschen auch nicht mit Argumenten überzeugen, da diese Einstellung nicht auf Unwissenheit beruht, sondern auf festen und unverrückbaren Glaubenssätzen. Hier kann man sich Gespräche und Zeit wirklich sparen, da sie nichts bewirken. Ich akzeptiere diese Einstellungen, finde sie jedoch nicht gut und habe dafür aus ärztlicher Sicht auch kein Verständnis. Diese Eltern merken dann aber auch, dass ich nicht der richtige Arzt für sie als Eltern und ihre Kinder bin.

Das ist grundsätzlich auch nicht schlimm, ich bin da niemandem böse oder hege irgendeinen Groll, sondern man geht dann eben getrennte Wege. Auch diese Eltern finden einen Arzt oder eine Ärztin, der oder die sie betreuen.

Sie sind ja Kinder- und Jugendarzt, viele Kinder können noch gar nicht geimpft werden. Wie stehen Sie zu Erwachsenen, die sich nicht impfen lassen wollen?

Für all die Erwachsenen, die es immer noch nicht geschafft haben sich aus welchem Grund auch immer impfen zu lassen, habe ich kein Verständnis. Dies empfinde ich als sehr unsolidarisch gerade den Kindern und Jugendlichen gegenüber. Diese können sich bislang großenteils noch nicht impfen und sind daher auf den Schutz durch die Gemeinschaft und Gesellschaft angewiesen. Zudem haben insbesondere Kindergarten- und Schulkinder am Anfang der Pandemie auf sehr viel verzichtet. Ihr Recht auf Bildung wurde massiv eingeschränkt zum Schutze aller Erwachsenen.

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Hobbys, Sport- und Freizeitaktivitäten konnten und können nicht ausgeübt und betrieben werden zum Schutze der Erwachsenen. Daher sollten sich jetzt endlich alle Erwachsenen mal bewegen und sich impfen lassen und sich nicht hinter faulen Ausreden oder ihrer eigenen Bequemlichkeit und unter Angabe von falschen Fakten verstecken. Ich finde, das sind die Erwachsenen den Kindern und Jugendlichen gewissermaßen schuldig.

Wie ist die aktuelle Impfsituation, kommen durch die steigenden Zahlen wieder mehr Menschen zum Impfen?

Eigentlich haben wir einen steten Strom. Das liegt aber sicherlich auch an unserem Klientel. Wir impfen zwar die Eltern mit, wenn sie da sind und geimpft werden möchten, aber die Jugendlichen, die geimpft werden können und wollen, haben wir von Anfang an geimpft – wer nicht geimpft werden will, kam auch gar nicht zu uns.

Es könnte aber sein, dass mehr Anfragen kommen, wenn der Impfstoff dann – spätestens Anfang des nächsten Jahres oder schon vor Weihnachten – auch für jüngere Kinder zugelassen wird. Dann werden wir wieder Organisationstalent walten lassen müssen. Aber dann werden die, die sich impfen lassen wollen, natürlich auch einen Termin von uns bekommen.

Wie groß ist bisher das Interesse an Booster-Impfungen?

Wir hatten ja Ende April/Anfang Mai in den Praxen angefangen zu impfen – und diese Impfungen sind jetzt ein halbes Jahr her, also da besteht durchaus schon Interesse. Die Eltern fragen alle und die bekommen alle einen Termin. Und die, die wir erst im Sommer oder auch nach dem Sommer geimpft haben, fragen jetzt auch schon teilweise nach. Da sagen wir dann „Ganz ruhig, da können wir Anfang kommenden Jahres drüber sprechen“. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass jetzt jeder die Auffrischung sofort oder gleich morgen möchte. Dabei sind viele erst im August oder September vollständig geimpft worden – die brauchen jetzt noch keinen Booster. Man muss sich jetzt erst einmal auf die Älteren oder die früher Geimpften konzentrieren.


Was halten Sie von der Schließung vieler Impfzentren?

Das finde ich bedauerlich. Wir hätten eigentlich alle Strukturen nutzen müssen. So wie die Impfquote jetzt ist oder auch im Sommer schon war, gab es überhaupt keinen Grund, die Impfzentren zu schließen. Ich weiß nicht, inwiefern Kosten da eine Rolle gespielt haben – aber letztendlich wird ein Lockdown gesamtgesellschaftlich deutlich teurer sein. Also das war aus meiner Sicht keine gute Entscheidung.

Wie stehen Sie zur aktuellen Empfehlung der Stiko, Moderna nur noch an über 30-Jährige zu verimpfen? Gibt es genug Biontech-Impfstoff für alle Impfungen und Auffrischungen bei Jüngeren?

Ja, also wir haben bisher ohnehin ausschließlich Biontech-Impfstoff verwendet. Das war der, der für uns immer verfügbar war und dort gab es auch seit vielen, vielen Wochen überhaupt keine Lieferschwierigkeiten mehr. Mittlerweile müssen wir zwei Wochen im Voraus vorbestellen und somit vorausahnen, wie viele in zwei Wochen geimpft werden möchten. Das macht es neben der ganzen übrigen Bürokratie schwieriger zu planen.

Aber mittlerweile kann ich so viele Impfdosen bestellen wie ich will, und ich bekomme die auch alle. Das ist wirklich gar kein Problem. Selbst, wenn sich jetzt alle 20 Millionen Ungeimpften in den nächsten vier Wochen zur Impfung entscheiden würden, würde es da wahrscheinlich kein Problem geben.

Müssen Sie viele zur Impfung „überreden“?

Nein, das liegt aber sicherlich auch an unserem speziellen Patientenstamm. Wir erklären immer, dass es momentan für Kinder und Jugendliche aus medizinischer Sicht wenig gute Gründe gibt, die Impfung dringend zu empfehlen. Hier sind andere Gründe, wie die Teilnahme an Freizeitaktivitäten und Familienurlaube oder der Schutz von Großeltern oder kleinen Geschwisterkindern für die Jugendlichen viel ausschlaggebender und das sagen sie mir dann auch ganz klar: "Ick hab' keene Angst vor Corona, ick hab' keen Bock mehr auf das ganze Geteste!". Das ist bei anderen Impfungen ganz anders. Meine Praxis legt ja einen Schwerpunkt auf Allergien und Lungenerkrankungen – da raten wir viel dringender zu einer Grippeschutzimpfung oder schauen ob der Pneumokokken-Impfschutz aktuell ist.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Röblitz!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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