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Corona-Varianten: Wissenschaftler suchen nach neuen Mutanten – im Abwasser


Corona-Forschung
Was verrät das Abwasser über neue Varianten?


Aktualisiert am 02.02.2022Lesedauer: 3 Min.
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Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.

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Corona-Test (Symbolbild): Die Viren lassen sich auch im Abwasser aufspüren.Vergrößern des Bildes
Corona-Test (Symbolbild): Die Viren lassen sich auch im Abwasser aufspüren. (Quelle: picture alliance / robin utrecht | ROBIN UTRECHT/dpa)

Ist Omikron die letzte Virusvariante auf dem Weg in die Endemie? Oder kommt da noch eine Mutante? Ein Blick ins Abwasser kann hier helfen. Seine Untersuchung gilt als Frühwarnsystem.

Mit Abwasser wollen die meisten Menschen lieber nichts zu tun haben. Doch in der Corona-Pandemie erweist es sich als Gold wert. Forscher weltweit werten die Schmutzbrühe aus. Sie suchen nach Coronaviren. Der Hintergrund: Infizierte Personen scheiden winzige Partikel des Virus-Erbguts aus. Im Labor lässt sich so ermitteln, wie hoch die Viruslast in der Bevölkerung ist und welche Varianten zirkulieren.

Die Untersuchungen der Berliner Wasserbetriebe werden nun von der EU gefördert – als eines von 20 Pilotprojekten. In Berlin wertet unter anderem Emanuel Wyler diese Proben aus. t-online sprach mit Molekularbiologen.

t-online: Herr Wyler, erklären Sie uns Ihren Ansatz.

Emanuel Wyler: Im Abwasser lassen sich naturgemäß verschiedene Bakterien und Viren finden. Das haben wir uns bei Corona zunutze gemacht. Infizierte scheiden winzige Viruspartikel über den Speichel oder den Darm aus, also etwa beim Zähneputzen oder dem Toilettengang. Sie landen dann im Abwasser. Sucht man nun gezielt nach diesen Teilchen, kann man zum Beispiel eine Aussage darüber machen, welche Virusvariante wo vorherrschend ist.

Der Ansatz ist nicht ganz neu.

Nein, diese Analysen kennt man zum Beispiel von Polio in den 1990er-Jahren.

Emanuel Wyler
Emanuel Wyler (Quelle: Felix Petermann, MDC)


Emanuel Wyler arbeitet als Molekularbiologe am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. Dort testet er mit seinen Kollegen seit Februar 2021 Abwasserproben auf das Coronavirus.

Wie genau gehen Sie vor?

Wir bekommen etwa ein- bis zweimal in der Woche Proben der Berliner Wasserbetriebe. Die Wasserbetriebe führen bereits seit Februar 2021 zahlreiche Testreihen durch, mit verschiedenen Partnern – auch uns. Das ist natürlich eine sehr trübe Brühe. Wir filtern diese und sieben dann Viruspartikel heraus. Und dann wenden wir das an, was alle kennen: den PCR-Test. Wir gehen da nicht anders vor als bei Abstrichen aus Nase oder Rachen.

Und was finden Sie da?

Zunächst einmal: Direkte Aussagen über die Inzidenz können wir nicht treffen, wir können aber relativ beurteilen, ob die Viruslast hoch- oder runtergeht. Um aus dem Messwert im Abwasser abzuleiten, wie viele Menschen tatsächlich erkranken, muss man den erst mit den Inzidenzen abgleichen. Aber wir sehen sehr genau, welche Virusvarianten zu welchem Anteil im Umlauf sind.

Sie haben den Anstieg von Omikron beobachten können?

Ja, Anfang Dezember lag der Anteil dieser Variante bei etwa fünf Prozent im Berliner Abwasser. Vier Wochen später lag der Anteil bei 90 Prozent.

Wenn Sie einen PCR-Test nutzen, können Sie auch Aussagen über die Infektiosität treffen?

Wir bestimmen ganz klassisch den CT-Wert. Dieser gibt an, wie viele Zyklen nötig sind, um das Virus nachzuweisen. Je höher dieser Wert ist, desto niedriger ist die Viruslast. Aktuell liegt dieser Wert in unseren Proben etwa bei 30.

Als Richtwert gibt das RKI an, dass ein Wert höher als 30 aussagt, dass eine Person nicht mehr ansteckend ist. Bei einem solchen Wert müsste es also kaum Neuinfektionen geben …

Dieser Wert für sich ergibt sich durch die hohe Verdünnung im Abwasser. Er hat also wenig Aussagekraft.

Aber Sie könnten neue Varianten identifizieren, deren Anteil im Abwasser zunimmt, oft bevor er in den Tests auffällt.

Ja, und das ist ein zeitlicher Vorteil, um rechtzeitig reagieren zu können. Wir sehen Mutanten und können auch nachvollziehen, ob diese eventuell einen evolutionsbiologischen Vorteil gegenüber den bekannten Varianten haben könnten, denn dann verbreiten sie sich sehr schnell. Das haben wir bei Omikron gesehen, was deutlich ansteckender ist.

Was machen Sie mit Ihren Ergebnissen? Wohin melden Sie diese?

Es gibt in Deutschland noch keine koordinierte Auswertung der Ergebnisse solcher Abwasseranalysen, auch nicht am Robert Koch-Institut.

Aber sie sind doch sehr aufschlussreich. Könnte man Ihre Forschungen nicht auch ausweiten – etwa auf eine repräsentative Auswahl von Haushalten, um zu sehen, wie Corona sich entwickelt?

Sicher, sie könnten zum Beispiel das Kanalabwasser in bestimmten Straßenzügen auswerten und miteinander vergleichen. Dann sehen sie auch Hinweise auf höhere Inzidenzen in einigen Regionen gegenüber anderen. Dafür müsste aber viel mehr Geld in die Hand genommen werden.

Dass Berlin jetzt einer von 20 Pilotstandorten für ein von der EU gefördertes Projekt wird, ist schon ein großer Fortschritt. Die Berliner Wasserbetriebe melden nun ab Februar 2022 ihre Ergebnisse an das Landesamt für Gesundheit und Soziales, das die Daten im Corona-Lagebericht des Berliner Senats überführt.

Herr Wyler, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Emanuel Wyler
  • Eigene Recherche
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