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Deutschland | Rote Liste: Diese Pilzarten sind vom Aussterben bedroht


Besondere Ansprüche
Dieser beliebte Speisepilz ist stark gefährdet

InterviewVon Ron Schlesinger

Aktualisiert am 19.09.2024Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Schweinsohr (Gomphus clavatus): Der Speisepilz erinnert an den bekannten Pfifferling.Vergrößern des Bildes
Schweinsohr (Gomphus clavatus): Der Speisepilz erinnert an den bekannten Pfifferling. (Quelle: blickwinkel/imago-images-bilder)

Herbstzeit ist Pilzzeit. Doch die Klimakrise setzt auch Pfifferling und Co. zu. Mehr noch: Sie bekommen Konkurrenz von neuen Pilzarten. Was das für heimische Arten bedeutet, weiß Peter Karasch.

Ab in die Pilze, heißt es schon seit einigen Wochen. Beim Sammeln kann es aber passieren, dass Sie neben so bekannten Arten wie Maronenröhrling oder Wiesenchampignon auch neue entdecken, die Sie vielleicht noch nicht kennen.

Im Interview erzählt Peter Karasch von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie e. V., ob neue Pilzarten eine ernstzunehmende Konkurrenz für die etablierten sind, welche heimischen Arten gefährdet sind und ob der Pilz des Jahres 2022 – der am kommenden Samstag vorgestellt wird – auch ein bedrohtes Exemplar ist.

t-online: Herr Karasch, vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sich eine neue Pilzart, die Falsche Rotkappe, in Deutschland stark ausbreitet. Wie gefährlich sind diese für heimische Arten wie Steinpilz, Marone und Co.?

Peter Karasch: Die Falsche Rotkappe kommt ursprünglich aus Nordamerika und ist über Pflanzware aus dem Ausland nach Europa eingeschleppt worden. Hierzulande fühlt sie sich vor allem in Kiefernforsten wohl. Der Verdacht liegt nahe, dass sich der Pilz durch die drei vergangenen, warmen und trockenen Jahre sehr gut ausbreiten konnte und konkurrenzstärker ist als heimische Pilzarten. Deshalb die vielen Funde in Brandenburg und Sachsen, zuletzt auch in Niedersachsen. In dem Moment, wo die neuen Pilzarten Lebensräume besetzen, die vorher heimischen gehörten, können sie diese freilich auch verdrängen.

Von wie vielen neuen Pilzarten reden wir hierzulande?

Es gibt eine Studie vom Bundesamt für Naturschutz, die mehr als 100 eingeschleppte Pilzarten nennt. Relevant werden sie, wenn sie unsere heimischen Kulturpflanzen schädigen. Dazu gehört zum Beispiel eine Pilzart, die ursprünglich in wärmeren Gegenden vorkommt und unserem Ahorn stark zusetzt. Der Pilz heißt Cryptostroma corticale und löst die tödliche Rußrindenkrankheit aus. Daneben gibt es das "Falsche Weiße Stengelbecherchen", besser bekannt als Eschentriebsterben. Es stammt aus Asien und hat in den letzten 10 bis 15 Jahren schon große Eschenbestände vernichtet, weil der Baum gegen die Pilzart nicht immun ist. Dabei entstehen auch immer wirtschaftliche Schäden.

(Quelle: Daniela Blöchinger)

Peter Karasch ist Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Mykologie e. V. (DGfM). Zudem ist der ausgebildete Gartenbautechniker der DGfM-Landeskoordinator Bayern.

Ist denn jede neue Pilzart eine Gefahr?

Nein, zu den ungefährlichen gehört beispielsweise der sehr auffällige, aber weitgehend harmlose Tintenfischpilz. Er ist ursprünglich in Australien zu Hause und hat sich in den vergangenen 120 Jahren über ganz Europa von Frankreich bis in die Ukraine ausgebreitet. Der riecht halt ein bisschen streng, so wie eine Stinkmorchel, ist ungenießbar, tut aber nichts und verdrängt kaum andere Pilzarten.

Wie viele heimische Pilzarten sind vom Aussterben bedroht?

Das Bundesamt für Naturschutz hat für seine Rote Liste von etwa 14.000 heimischen Pilz- und Flechtenarten gut 8.800 auf ihre Gefährdung untersucht. Obgleich die letzten Zahlen von 2016 sind, ist das Ergebnis ernüchternd: Etwa ein Drittel der bewerteten Arten gehören in eine Gefährdungsstufe. Das heißt, sie sind entweder auf einer Vorwarnliste, extrem selten, gefährdet oder stark gefährdet. Fünf Prozent, also 200 bis 250 Arten, sind vom Aussterben bedroht oder sogar bereits ausgestorben.

Sind darunter auch Pilze, die man kennt?

Ja, auch ehemalige Marktpilze. Das sind Speisepilze, die es im Handel oder auf Wochenmärkten gab. Starke Lebensraumverluste hat zum Beispiel das Schweinsohr (Gomphus clavatus), das noch vor 70 Jahren ein beliebter Marktpilz war. Ein hochwirksamer Medizinalpilz, der Apothekerschwamm (Laricifomes officinalis), ist aufgrund der Nutzung alter Bäume im deutschen Alpenraum fast verschwunden. Größtenteils handelt es sich aber bei den vom Aussterben bedrohten Arten um Pilze, die nicht zum menschlichen Verzehr geeignet sind und zum Beispiel alte Bäume oder Moore in ihrem Lebensraum brauchen.

Am kommenden Samstag wird der Pilz des Jahres 2022 offiziell bekannt gegeben. Wird es eine gefährdete Art sein?

Da darf ich noch nichts verraten. Nein, dieses Mal ist es aber keine gefährdete, sondern im Gegenteil eine sehr bekannte Pilzart, die zudem sehr nützlich für das Ökosystem in unseren Wäldern ist.

Wie wird der Pilz des Jahres ausgewählt?

Alle Mitglieder unserer Deutschen Gesellschaft für Mykologie können Vorschläge einreichen. Dabei ist es von Vorteil, wenn der Pilz eine schöne Geschichte erzählt oder eine öffentlichkeitswirksame Botschaft vermittelt. Das erhöht die Chancen.

Dieses Jahr wurden ein gutes Dutzend Vorschläge eingereicht. Ein Gremium aus sieben Mitgliedern bewertet diese, macht eine interne Wahl und beschließt zusammen mit dem Präsidium, wer der Pilz des Jahres wird.

Wir sind gespannt. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Karasch.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview vom 28. September 2021
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