Verbraucherschutz warnt EU diskutiert über Reform zu Fluggastrechten

Luftfahrtlobby vs. Verbraucherschutz: Eine Reform der Fluggastrechte könnte die Entschädigungszahlen für Passagiere bei Flugverspätungen erschweren.
Die EU-Länder diskutieren derzeit über eine mögliche Reform der Entschädigungsansprüche bei verspäteten Flügen. Die Änderung könnte einen Nachteil für Passagiere bedeuten und sowohl die bisherige Schwelle für entschädigungspflichtige Flüge anheben, als auch die Zahlungen deutlich kürzen.
Die Reform ist noch nicht beschlossen. Bei einer Sitzung am Mittwoch in Brüssel kam keine Mehrheit zustande, nun sollen am Donnerstag die EU-Verkehrsminister weiter verhandeln.
Was gilt bisher?
Ab einer Verspätung von drei Stunden können Passagiere eine pauschale Entschädigung beantragen, sofern die Fluggesellschaft die Wartezeit verschuldet hat. Für Flüge bis 1.500 Kilometer gilt ein Anspruch in Höhe von 250 Euro, für Flüge bis 3.500 Kilometer bekommen Passagiere 400 Euro und für Langstreckenflüge mit mehr als 3.500 Kilometern gibt es 600 Euro. Bei "außergewöhnlichen Umständen" wie Naturkatastrophen gilt das nicht.
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Was könnte sich ändern?
Auf dem Tisch liegen Vorschläge der EU-Kommission aus dem Jahr 2013, die Schwelle für eine Entschädigung deutlich anzuheben.
250 Euro gäbe es demnach erst ab fünf Stunden Verspätung und für Flüge bis 3.500 Kilometer. Ab neun Stunden Verspätung gäbe es 400 Euro, wenn die Flugstrecke mehr als 3.500 Kilometer innerhalb der EU oder mehr als 6.000 Kilometer außerhalb der EU beträgt. Der höchste Betrag von 600 Euro würde nur für Flüge mit mehr als 6.000 Kilometern und mehr als zwölf Stunden Verspätung fällig.
Wie steht die Bundesregierung dazu?
Als Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz ist in Berlin Stefanie Hubig (SPD) für das Gesetz zuständig. Sie versprach, sich für die Rechte der Flugreisenden einzusetzen: "Verbraucherrechte sind kein Luxus, den man in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten einfach abschaffen kann", erklärte sie. "Deutschland kann in Brüssel keiner Regelung zustimmen, die einseitig an den Interessen der Airlines ausgerichtet ist."
Die Bundesregierung hat nach übereinstimmenden Angaben mehrerer EU-Diplomaten deshalb einen Gegenvorschlag eingebracht. Demnach soll die Schwelle weiter bei drei Stunden liegen, die Entschädigung aber pauschal 300 Euro betragen und damit im Schnitt geringer ausfallen.
Was sagen Verbraucherschützer?
Organisationen wie der Europäische Verbraucherverband (BEUC) und das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz warnen vor einem "nicht hinnehmbaren Rückschritt" für Passagiere. Beim Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßte Referent André Duderstaedt aber den deutschen Vorstoß, die Schwelle für eine Entschädigung bei drei Stunden zu belassen.
Die Verbraucherorganisationen fordern zudem eine Einschränkung der "außergewöhnlichen Umstände", unter denen die Unternehmen keine Entschädigung zahlen müssen. "Streiks beim Personal der Fluggesellschaften sind zum Beispiel nicht außergewöhnlich", argumentiert etwa BEUC mit Blick auf entsprechende Urteile des Europäischen Gerichtshofs.
Wie argumentieren die Fluggesellschaften?
Nach Ansicht des Branchenverbandes A4E (Air for Europe) würde eine höhere Schwelle dazu führen, dass weniger Flüge ausfallen. Die Logik: Sei die Verspätung so groß, dass eine Entschädigung fällig würde, strichen die Fluggesellschaften den Flug häufig ganz. Eine höhere Schwelle gebe den Unternehmen zudem mehr Zeit, Ersatzmaschinen bereitzustellen.
Für welchen Vorschlag gibt es eine Mehrheit?
Bislang für gar keinen. Polen, das derzeit den Vorsitz im Rat der 27 EU-Staaten innehat, will im Laufe des Mittwochs einen neuen Kompromiss ausarbeiten. Über diesen sollen die EU-Verkehrsminister bei ihrem Treffen am Donnerstag in Luxemburg beraten.
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Wie geht es danach weiter?
Kommt eine Einigung zustande, muss der Rat im Anschluss mit dem Europaparlament verhandeln. Einige Abgeordnete sind allerdings verärgert, weil der Rat auf ein Sonderverfahren setzt, das dem Parlament weniger Zeit für eine Stellungnahme gibt. Der für die Verhandlungen zuständige Abgeordnete Andrey Novakov (Konservative) sprach von "Erpressung" seitens des Rats.
Das Parlament brauche Zeit, um eigene Vorschläge zu machen, sagte Novakov der Nachrichtenagentur AFP. "Das funktioniert unter Zeitdruck nicht", betonte der Abgeordnete. Trotz des beschleunigten Verfahrens dürften die Verhandlungen aber erst im Herbst weiter an Fahrt aufnehmen.
- Nachrichtenagentur afp