Vorstoß aus Brüssel EU-Abgeordnete: "Ungarn hat null Euro verdient"

Im EU-Parlament formiert sich parteiübergreifender Widerstand gegen Ungarns Regierung. Abgeordnete fordern jetzt einen drastischen Schritt.
Im Europäischen Parlament wächst die parteiübergreifende Sorge um die Rechtsstaatlichkeit des EU-Mitglieds Ungarn. In einem Schreiben an die EU-Kommission fordern Vertreter von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen, der Regierung von Viktor Orbán in Budapest endgültig den Geldhahn zuzudrehen, wie die "Tagesschau" berichtet.
Der FDP-Europapolitiker Moritz Körner äußerte sich deutlich: "Wer sich null um die Achtung der EU-Werte kümmert, hat null Euro aus dem EU-Budget verdient."
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EU-Gelder für Ungarn eingefroren
Der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund betonte, dass es darum gehe, die finanziellen Interessen der Europäischen Union – und damit auch der europäischen Steuerzahler – im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften zu wahren. Freund, der den Brief initiiert hat, zählt im Europäischen Parlament zu den engagiertesten Verteidigern rechtsstaatlicher Prinzipien. Aufgrund weitverbreiteter Korruption und des Mangels an einer unabhängigen Justiz in Ungarn wurden in den vergangenen Jahren bereits Milliardenbeträge an EU-Geldern eingefroren, die dem Land eigentlich zugestanden hätten.
"Allerdings sehen wir, dass in diesen zweieinhalb Jahren, in denen Sanktionen gelten, sich vor Ort nichts verbessert hat", sagte Freund. Ganz im Gegenteil: Man sehe nun "im Wochentakt weitere Angriffe auf die unabhängige Zivilgesellschaft, auf freie Medien, auf freie Meinungsäußerung, auch weiter auf die Unabhängigkeit der Justiz". Freund fordert: "Das muss ein Ende haben."
Ungarn: kein freier Staat?
Seit seinem erneuten Amtsantritt als ungarischer Ministerpräsident im Jahr 2010 höhlen Viktor Orbán und seine nationalkonservative, rechtspopulistische Partei Fidesz den demokratischen Staat Schritt für Schritt aus. Menschenrechtsorganisationen warnen bereits seit Längerem, dass Ungarn nicht mehr als ein "freier Staat" bezeichnet werden könne.
Besonders die unabhängigen Medien gerieten ins Visier der Orbán-Regierung: Mehrere große Verlagshäuser und Medienplattformen sahen sich gezwungen, ihre Arbeit einzustellen oder ins Ausland abzuwandern. Inzwischen befinden sich die bedeutendsten Medienunternehmen fest in der Hand von Orbán-nahen Oligarchen.
Unterdrückung von Minderheiten
Ermutigt nicht zuletzt durch Rückendeckung aus den USA geht der ungarische Ministerpräsident zunehmend repressiv gegen Minderheiten und Nichtregierungsorganisationen vor. Mitte März verabschiedete seine Regierung ein Gesetz, das die Versammlungsfreiheit massiv einschränkt und unter anderem die für Juni geplante Pride Parade untersagt – eine Veranstaltung, bei der unter anderem für die Rechte von Schwulen, bisexuellen und transsexuellen Menschen demonstriert werden sollte.
Nur wenige Wochen später, am 13. Mai, verschärfte die ungarische Regierung ihr Vorgehen gegen zivilgesellschaftliche Organisationen weiter. NGOs, die als Bedrohung für die nationale Souveränität eingestuft werden, können nun auf eine Schwarze Liste gesetzt, finanziell eingeschränkt und mit Sanktionen belegt werden. Ein typischer Schachzug, wie man ihn aus autoritär geführten Staaten kennt, um kritische Stimmen systematisch zu unterdrücken.
- tagesschau.de: "Brandbrief an die EU: Sorge über Medienfreiheit in Ungarn"
- deutschlandfunkkultur.de: "Medien in Ungarn – Kampf um die Köpfe"
- osteuropa.lpb-bw.de: "Ungarn – Presse- und Meinungsfreiheit"