Neuwahlen möglich Streit um Wehrpflicht: Israels Regierung droht zu scheitern

Sollten strenggläubige Juden in Israel Wehrdienst leisten müssen? Darüber streiten die Regierungspartner derzeit heftig. Die Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu droht daran zu zerbrechen.
Israel droht wegen eines Streits über Ausnahmen für strenggläubige Juden vom Wehrdienst eine Regierungskrise. Auch Neuwahlen erscheinen möglich. Ultraorthodoxe Koalitionspartner des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu haben angekündigt, ohne diese Ausnahme von der Wehrpflicht den Haushalt 2019 nicht mitzutragen. Ein säkularer Koalitionspartner Netanjahus besteht hingegen auf die Abschaffung dieses Privilegs.
Ausnahme geht auf Staatsgründer zurück
Männer müssen in Israel fast drei Jahre Wehrdienst ableisten, Frauen zwei Jahre. Staatsgründer David Ben-Gurion hatte 1948 zugestimmt, jüdische Religionsstudenten vom Armeedienst zu befreien. Führende strengreligiöse Rabbiner vertreten den Standpunkt, ihre Anhänger dienten Israel durch ihre religiösen Studien und Gebete besser als in der Armee.
Damals ging es allerdings nur um einige Hundert Männer. Heute ist etwa ein Zehntel der rund neun Millionen Israelis ultraorthodox. 2014 wurde deshalb auch die Wehrpflicht für strengreligiöse Juden eingeführt, die zuvor ausgenommen waren. Doch Israels Oberster Gerichtshof hob die bisherige Ausnahmeregelung auf, ein neues Gesetz müsste her.
Krisengespräche mit Koalitionspartner
Doch die säkular orientierte Partei von Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, Israel Beitenu, droht nun mit einem Ausscheiden aus der Koalition, falls ein Gesetz gebilligt wird, das Strengreligiöse weiterhin von der Wehrpflicht befreit. Und auch die Kulanu-Partei von Finanzminister Mosche Kachlon droht für diesen Fall mit dem Ausstieg.
Netanjahu führte am Sonntag Krisengespräche mit seinen ultraorthodoxen Koalitionspartnern, insbesondere der Schas-Partei, die sich gegen die Streichung des Privilegs für ultraorthodoxe Männer wehren. Ein einflussreiches Gremium, der Rat der Thora-Weisen, lehnte am Sonntag einen Kompromissvorschlag zur Lösung des Streits ab.
Ist die Krise nur ein Vorwand?
Religiöse Koalitionspartner werfen Regierungschef Netanjahu derweil vor, mit einer "erfundenen Krise" Neuwahlen erzwingen zu wollen. "Es gibt keine Wehrdienstkrise. Es ist eine erfundene Krise", sagte Bildungsminister Naftali Bennett von der nationalreligiösen Partei Jüdisches Heim.
Bennett machte deutlich, dass "jemand" eine Krise herbeiführen und das Land in Richtung Neuwahlen steuern wolle. Am Ende könne nur eine Person über Neuwahlen entscheiden. "Und das ist der Ministerpräsident", sagte er. Jaakov Margi von der Schas-Partei sagte, der Regierungschef habe sich "in die erfundene Krise verliebt". Netanjahu ist derzeit wegen Korruptionsvorwürfen in Bedrängnis, was sich aber in seinen Umfragewerten bisher nicht negativ ausgewirkt hat. Seine Basis scheint hinter ihm zu stehen.
- AP, AFP, dpa
- ARD Tel Aviv