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Presseschau Brexit: "Johnsons Taktik ist so perfide wie genial"


Presseschau Brexit
"Johnsons Taktik ist so perfide wie genial"

dpa, küp

Aktualisiert am 29.08.2019Lesedauer: 3 Min.
Boris Johnson mit Hitler-Bart, Protest in London: "Was in Großbritannien passiert ist langsamer und schlimmer: die Erosion seiner Fundamente."Vergrößern des BildesBoris Johnson mit Hitler-Bart, Protest in London: "Was in Großbritannien passiert ist langsamer und schlimmer: die Erosion seiner Fundamente." (Quelle: Henry Nicholls/Reuters-bilder)
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Nach dem Willen des britischen Premierministers soll das Parlament erst kurz vor dem geplanten Brexit am 31. Oktober wieder zusammentreten. Das Urteil der Presse über diesen Schritt fällt einhellig aus.

Im britischen "Independent" heißt es zur Entscheidung des britischen Premierministers: "Die Aussetzung des Parlaments für fünf Wochen mitten in der Brexit-Krise ist verschlagen und undemokratisch. Es ist unaufrichtig von Boris Johnson so zu tun, als wäre dies ein normaler Vorgang, der nicht mit dem geplanten Verlassen der Europäischen Union zu tunt hat. Es steht außer Frage, dass er die Mehrheit im Parlament, die gegen einen No-Deal-Brexit ist, übergehen will. Die beste Art, Johnsons heimtückisches Manöver zu parieren, ist, ihn damit nicht durchkommen zu lassen."

Der in London erscheinende "Guardian" schreibt: "Stellen wir uns nur mal vor, der (sozialdemokratische Oppositionsführer) Jeremy Corbyn wäre Premierminister – ohne eine demokratische Wahl gewonnen zu haben. Und dann würde er versuchen, ein radikales politisches Programm umzusetzen, das in einem selbstverschuldeten wirtschaftlichen Schock enden würde, das soziale Gewebe des Landes beschädigen und uns international schwächen würde. Und in dem Wissen, dass das Parlament sich ihm entgegenstellt, würde er es einfach aussetzen. Stellen Sie sich die Hysterie vor, die "Venezuela"- und "kommunistische Tyrannei"-Rufe. Während sie so tun, als wäre Johnsons Angriff auf die Demokratie ganz normal, würden die Kräfte des Establishments alles tun, um einen Premierminister Corbyn aufzuhalten."

In der "Financial Times" aus London ist zu lesen: "Wenn Boris Johnsons Trick mit der Zwangspause für das Parlament Erfolg hat, verliert Großbritannien jedes Recht, andere Länder über demokratische Defizite zu belehren. Die Verfassungsregeln des Vereinigten Königreichs beruhten lange Zeit auf allgemein akzeptierten Gepflogenheiten. Es bestand dabei immer die Gefahr, dass ein skrupelloser Regierungschef diese Konventionen mit Füßen tritt. Das ist in der Neuzeit nicht geschehen – aber jetzt.

Abgeordnete müssen in der kommenden Woche ihre Chance ergreifen, den Willen des Unterhauses gegen den des Premierministers durchzusetzen. Der Moment, für den sie zusammenkommen, mag zu kurz für die Verabschiedung eines Gesetzes sein, das eine Verschiebung des EU-Austritts Großbritanniens fordert. Jene, die gegen einen No-Deal-Brexit sind, müssen aber nun ihre Differenzen überwinden und für ein Misstrauensvotum gegen die Regierung stimmen."

Die britische Zeitung "The Times" schreibt: " Nein, das ist kein Putsch. Ein Putsch ist ein plötzlicher Schlag. Was in Großbritannien passiert ist langsamer und schlimmer: die Erosion seiner Fundamente."

Auf t-online.de ist zu lesen: "Es gibt in London zwar keine Verfassung wie das Grundgesetz. Aber das 'Common Law' fußt auf sechs Grundprinzipien, der Parlamentarismus ist darin zentral. Es ist das Herz der britischen Demokratie, auf das die Briten zurecht stolz sind. Johnson hat so gesehen einen Dolchstoß ausgeführt.

Johnson will das stolze Königreich ganz allein aus Europa herausführen. Ein Wahnsinn. Doch einen Vorwurf kann man ihm daraus kaum machen. Er hat seinen No-Deal-Weg angekündigt, und die Parteimitglieder der Konservativen haben ihn gerade deshalb mit großer Mehrheit in das Amt gewählt. Das ist der eigentliche britische Irrsinn."

Der "Tages-Anzeiger" aus Zürich kommentiert: "Der Premier nutzt mit diesem Schritt die Möglichkeiten der ungeschriebenen Verfassung und den Verweis auf Präzedenzfälle, um sein Ziel zu erreichen: einen Brexit – ob geregelt oder ungeregelt. Das darf er tun. Aber er macht damit das vom Volk gewählte Parlament zum Zaungast einer Jahrhundertentscheidung. Johnsons Taktik ist jetzt so perfide wie genial.


Kein Wunder, dass die Brexit-Gegner von 'Bürgerkrieg' und einem 'Anschlag auf die Demokratie' sprechen. Johnson selbst hatte angekündigt, im nächsten Wahlkampf stünden die Tories auf der Seite des "Volks – gegen die Politiker". Das ist Populismus pur. Eine Regierung, die dem Volk Rechenschaft schuldig ist, demontiert aus Kalkül die gewählten Volksvertreter. Johnson mag diesen Machtkampf gewinnen. Aber der Preis ist sehr hoch."

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