Auswirkungen der neusten Brexit-Wende Reißen Briten und EU auch die allerletzte Frist?
Das britische Parlament will einen Brexit ohne Abkommen mit der EU unbedingt verhindern – das würde mindestens zu einer Verzögerung des Austritts führen. Doch dafür muss die EU zustimmen.
Zwei Mal wurde der Brexit bereits verschoben, der eigentlich schon Ende März erfolgen sollte. Kritiker von Premierminister Boris Johnson im Unterhaus wollen nun eine weitere Verschiebung um drei Monate bis Ende Januar 2020 durchsetzen. Die dringendsten Fragen im Überblick.
Ist eine weitere Verschiebung ohne Weiteres möglich?
Der Artikel 50 des EU-Vertrags ermöglicht die Verlängerung der eigentlich auf zwei Jahre begrenzten Frist zwischen Austrittsantrag und Verlassen der Union. Er macht keine Vorgaben dazu, wie oft oder für welchen Zeitraum verlängert werden kann. Einzige Voraussetzung ist, dass die anderen 27 Mitgliedstaaten einstimmig einem entsprechenden britischen Antrag zustimmen.
Wären die EU-Staaten bereit, den Brexit zu verschieben?
Wahrscheinlich ja, wenn dadurch ein chaotischer Brexit verhindert wird. "Wenn es noch Aussicht auf ein glückliches Ende gibt, wird die EU nicht massive wirtschaftliche Nachteile durch einen No-Deal-Brexit in Kauf nehmen", sagt ein EU-Diplomat. "Sollte das britische Parlament die Verlängerung beantragen, ist diese sicher nicht ausgeschlossen." Darüber entscheiden würden die EU-Staats- und Regierungschefs.
Ist die EU in der Frage geeint?
Das muss sich zeigen. "Es ist klar, dass die Frustration über den Gesamtprozess weiter steigt", sagt der EU-Diplomat. Nach der letzten Verlängerung hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärt, der 31. Oktober sei "die allerletzte Frist" für den Brexit. Der Franzose befürchtete eine Blockade der EU, wenn die Briten noch länger blieben. Im Juli stellte Paris dann klar, eine nochmalige Verschiebung müsse jedenfalls "gerechtfertigt" sein, etwa durch "Neuwahlen in Großbritannien".
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Wären weitere Verschiebungen möglich?
Das ist nicht ausgeschlossen, es gibt aber Grenzen. Letzter Termin wäre laut Diplomaten der Beginn der heißen Phase der EU-Verhandlungen über den nächsten siebenjährigen Finanzrahmen von 2021 bis 2027. Denn dann müsse klar sein, ob Großbritannien als EU-Mitglied weiter in den europäischen Haushalt einzahlt oder nicht, heißt es. Als absolut letztmöglicher Termin wird deshalb in Brüssel Mitte 2020 genannt.
Welche Folgen hat eine weitere Verschiebung für das EU-Parlament?
Bisher gibt es 73 britische EU-Abgeordnete. Die Volksvertretung soll nach dem Brexit von 751 auf 705 Abgeordnete verkleinert werden. Solange die Briten nicht ausgetreten sind, bleibt es bei der bisherigen Zahl.
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27 der britischen Sitze können deshalb auch nicht wie geplant auf andere Mitgliedstaaten verteilt werden. Bei der Europawahl im Mai dafür bereits gewählte Abgeordnete aus Ländern wie Frankreich und Belgien müssen deshalb weiter warten, bis sie ihr Mandat antreten können.
- Nachrichtenagentur AFP