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Israel im Konflikt: Benjamin Netanjahus stärkste Rolle


Israel im Konflikt
Benjamin Netanjahus stärkste Rolle

Aus Tel Aviv berichtet Mareike Enghusen

20.05.2021Lesedauer: 4 Min.
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Benjamin Netanjahu: Israels Premierminister präsentiert sich wieder einmal als entschlossener Anführer.Vergrößern des Bildes
Benjamin Netanjahu: Israels Premierminister präsentiert sich wieder einmal als entschlossener Anführer. (Quelle: Yuval Chen/reuters)

Die israelische Opposition stand kurz vor einer Einigung, dann kam der Konflikt mit den Palästinensern. Und damit eine neue Chance für den eigentlich schon gescheiterten Benjamin Netanjahu.

Benjamin Netanjahu im Krisengespräch mit Offizieren der Luftwaffe. Benjamin Netanjahu auf der Bühne vor ausländischen Diplomaten. Benjamin Netanjahu im Interview mit dem US-Sender CBS. Der israelische Ministerpräsident scheint dieser Tage überall zu sein.

Nun, da sich einmal mehr die Aufmerksamkeit der Welt auf Israel und seinen Konflikt mit den Palästinensern richtet, ist Netanjahu Gesicht und Sprecher seines Landes. Es ist seine stärkste Rolle, er übt sie seit den frühen Achtzigerjahren, als er sein Land als junger Diplomat in der Botschaft in Washington vertrat.

Konflikt könnte ihm zu weiterer Amtszeit verhelfen

In diesen Tagen, da Israel erschüttert wird von Raketen aus Gaza und den schlimmsten israelisch-palästinensischen Ausschreitungen seit Jahrzehnten, präsentiert er sich wieder einmal als entschlossener Anführer. "Wir stehen heute wie ein Mensch zusammen", sagte er vor wenigen Tagen, "mit geeintem Herzen in dem Kampf um unseren Staat, mit geeintem Herzen hinter unseren Soldaten, mit geeintem Herzen für unsere Sicherheit und unsere Zukunft".

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Der 71-jährige Netanjahu, seit 2009 im Amt, regiert das Land länger als alle seine Vorgänger. Vor der jüngsten Eskalation in dem endlos scheinenden Konflikt mit den Palästinensern schien es einige Tage lang so, als könnte seine Amtszeit bald zu Ende gehen. Doch dann brach die Gewalt aus: zwischen Palästinensern und Polizisten in Jerusalem, zwischen den Terroristen der Hamas in Gaza und der israelischen Armee, zwischen arabischen und jüdischen Bürgern im israelischen Kernland.

Viele seiner Kritiker sehen in der Drei-Fronten-Eskalation den Beweis, dass Netanjahu mit seiner Politik gegenüber den Palästinensern gescheitert ist. Paradoxerweise könnte die Lage ihm dennoch zu einer weiteren Amtszeit verhelfen.

Ablösung Netanjahus als Ziel

Nur wenige Wochen ist es her, da schien Netanjahus politisches Glück aufgebraucht: Aus der Wahl Ende März war seine rechte Likudpartei zwar als stärkste Kraft hervorgegangen, doch fehlten dem rechts-religiösen Lager, das ihn unterstützt, mehrere Mandate zur Mehrheit. Einen Monat lang bemühte der Premier sich vergeblich, eine Koalition auf die Beine zu stellen, bis Staatspräsident Reuven Rivlin vor zwei Wochen das Mandat zur Regierungsbildung an Yair Lapid weitergab, den Oppositionsführer und Vorsitzenden der zentristischen Yesh-Atid-Partei (Es gibt eine Zukunft).

Die Aufgabe, vor der Lapid nun steht, wäre schon vor der jüngsten Eskalation äußerst schwierig gewesen: Um eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden, müsste der frühere Fernsehjournalist ein ideologisch breites Bündnis aus linken, rechten und arabischen Kräften schmieden, wie das Land es noch nicht gesehen hat. Doch ein Ziel immerhin hatten sie alle bis vor Kurzem geteilt: die Ablösung Netanjahus.

Bruch zwischen rechter und arabischer Partei

Israelischen Medien zufolge hatten die Parteien des sogenannten "Block des Wandels" vor einer Woche kurz vor der Einigung gestanden. Eine solche Koalition hätte jüdisch-nationalistische Kräfte wie die Yemina-Partei, die Israels umstrittene Siedlungen im Westjordanland unterstützt, mit der arabisch-islamistischen Ra'am-Partei zusammengebracht. Manche Beobachter erhofften sich von einer solchen Regierung ein heilsames Signal angesichts der aktuellen Gewaltausbrüche zwischen jüdischen und arabischen Bürgern in israelischen Städten.

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Doch dann kam das Aus. Naftali Bennett, Vorsitzender der Yemina-Partei, machte einen Rückzieher, den er lokalen Medien zufolge mit der angespannten inneren Sicherheitslage begründete: Ein hartes Vorgehen israelischer Sicherheitskräfte gegenüber arabischen Randalierern, wie Bennett es für nötig halte, ließe sich seiner Einschätzung nach in einer Koalition mit arabischen Kräften nicht durchsetzen.

Denkbar, dass es Netanjahu doch noch gelingt

Auch die islamistische Ra'am-Partei, die sich unter ihrem Vorsitzenden Mansour Abbas seit Kurzem als pragmatische Kraft präsentiert, hat die Koalitionsverhandlungen angesichts der angespannten Sicherheitslage auf Eis gelegt. Am 2. Juni läuft Lapids Mandat ab. Anschließend geht der Auftrag zur Regierungsbildung ans Parlament: Drei Wochen lang kann dann jeder Abgeordnete versuchen, eine Mehrheit zu finden.

Es ist unwahrscheinlich, aber denkbar, dass Netanjahu in dieser dreiwöchigen Phase doch noch eine Koalition unter seiner Führung bilden kann. Naftali Bennett will nun eine "Regierung der Einigkeit" aus rechten und zentristischen Kräften unterstützen, zu denen Netanjahus Likud ebenso wie Netanjahu-kritische Kräfte wie Yesh Atid, Blau-Weiß und Neue Hoffnung zählen sollen.

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Dass Yair Lapid und Benny Gantz, Vorsitzender der Blau-Weiß-Partei und derzeit Verteidigungsminister, zu einer Koalition mit Netanjahu bereit sein könnten, den sie im letzten Wahlkampf hart attackierten, ist schwer vorstellbar. Gideon Saar jedoch, Vorsitzender der Neuen Hoffnung und ein ehemaliger Parteikollege Netanjahus, soll Gerüchten zufolge jedoch bereits über ein Angebot des Premiers nachdenken – auch wenn Saar die Berichte dementieren ließ.

Netanjahu gilt als gewiefter Machtpolitiker

Netanjahu, der sich wegen Verdachts auf Betrug, Untreue und Bestechlichkeit vor Gericht verantworten muss, gilt als gewiefter Machtpolitiker. Manche Journalisten und politische Rivalen bezichtigen ihn gar, die jüngsten Spannungen bewusst geschürt zu haben, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Zu ihnen zählt auch Yair Lapid. Der Oppositionschef schrieb vor einigen Tagen auf Twitter, würde er selbst die Regierung anführen, "würde sich niemand fragen, warum das Feuer immer dann ausbricht, wenn es für den Premierminister am günstigsten ist".

In einem TV-Interview wies Netanjahu die Vorwürfe entrüstet zurück. "Jeder der mich kennt", sagte er dem US-Sender CBS, "weiß, dass ich niemals Sicherheitsbedenken, das Leben unserer Soldaten, das Leben unserer Zivilisten politischen Interessen untergeordnet habe."

In jedem Fall jedoch dürfte noch einige Zeit ins Heilige Land gehen, bis Netanjahu sein Amt verlässt. Scheitern alle Bemühungen zur Regierungsbildung, werden wieder Wahlen angesetzt – zum fünften Mal in knapp zweieinhalb Jahren.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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