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Großbritannien: Stürzt Boris Johnson über den "Pork-Pie-Komplott"?


Boris Johnson unter Druck
"In Gottes Namen, geh!"

  • David Schafbuch
Von David Schafbuch

19.01.2022Lesedauer: 3 Min.
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Boris Johnson: Wird der britische Premier von seinen eigenen Parteikollegen gestürzt?Vergrößern des Bildes
Boris Johnson: Wird der britische Premier von seinen eigenen Parteikollegen gestürzt? (Quelle: Wiktor Szymanowicz)

Mit Ablenkungsmanövern wollte Boris Johnson seine Skandale abschütteln. Doch nach diversen Verstößen gegen die Corona-Regeln hat er offenbar das Vertrauen in seiner Partei verspielt.

Auf diesen Termin musste sich Boris Johnson wohl nicht lange vorbereiten: In der traditionellen Befragung des britischen Unterhauses können die Abgeordneten den Premierminister jeden Mittwoch mit allen möglichen Fragen löchern. Doch ein Großteil der Parlamentarier stellte diesmal immer nur die gleiche Frage: Wann tritt Johnson endlich zurück?

Johnson antwortete immer wieder ähnlich. Er habe bereits mehrfach für die Vorkommnisse, die mittlerweile als "Partygate" bekannt sind, um Entschuldigung gebeten. Darüber hinaus wolle er die Ergebnisse einer Untersuchung der Beamtin Sue Gray abwarten, ehe er sich zu seiner Zukunft äußere. Die Arbeit seiner Regierung während der Pandemie lasse er sich außerdem nicht schlechtreden: "Wir haben geliefert!"

Geliefert hat Johnson seit einiger Zeit allerdings hauptsächlich Skandale: Seit Ende des vergangenen Jahres tauchen immer mehr Berichte über Partys im Umfeld der britischen Regierung auf, obwohl in der Bevölkerung strenge Kontaktbeschränkungen galten. Johnson und seinen Mitarbeitern wird vorgeworfen, sie hätten sich nicht nur über die geltenden Regelungen hinweggesetzt, sondern auch die Öffentlichkeit darüber belogen.

"In Gottes Namen, geh!"

Viele Abgeordnete seiner konservativen Tories unterstützten an diesem Mittwoch lautstark die Ausführung ihres Premiers – bis sich kurz vor Ende der ehemalige Brexit-Minister David Davis erhob. Er habe Johnson häufig verteidigt, aber er erwarte, dass man Verantwortung für seine Taten übernehme. Das habe der Premier zuletzt nicht getan. Davis schloss seine Ausführungen mit einem Zitat des Politikers Leo Amery: "In Gottes Namen, geh!"

Davis Worte dürften Johnson deutlich mehr beunruhigen als die Rücktrittsforderungen aus der Opposition: Denn viele konservative Abgeordnete scheinen von ihrem Premier genug zu haben. Mehrere britische Medien berichten darüber, dass es schon bald zu einem Misstrauensvotum gegen den Premier kommen könnte. "Seine Zeit ist abgelaufen", zitierte der "Daily Telegraph" einen Tory-Abgeordneten.

Junge Abgeordnete proben den Aufstand

Für ein solches Votum müssen sich insgesamt 15 Prozent (oder 54 Abgeordnete) der Tories offiziell aussprechen. Dann müssten 50 Prozent der Abgeordneten gegen Johnson stimmen, um ihn aus dem Amt zu jagen. Sollte er allerdings die Wahl gewinnen, kann in den nächsten zwölf Monaten keine neue Abstimmung beantragt werden.

Laut Informationen der BBC sollen sich am Dienstag rund 20 Tories zu Beratungen getroffen haben. Sie seien offenbar bereit, schon am heutigen Mittwoch die entsprechende Anzahl an Stimmen zu erreichen. Ein Kabinettsmitglied sprach dagegen von einer Gruppe von "Idioten", die keine ernste Bedrohung für Johnson seien. Spöttisch nannte er die Aktion einen "Pork-Pie-Komplott", angelehnt an die mutmaßlich abtrünnige Abgeordnete Alicia Kearns, deren Wahlkreis für Schweinspasteten bekannt ist.

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Das habe laut "Telegraph" die verärgerten Tory-Abgeordneten allerdings nur noch weiter motiviert. Am Morgen sollen elf von ihnen sich für ein Votum ausgesprochen haben. Sie sollen alle erst 2019 bei der Unterhauswahl in das Parlament eingezogen sein, bei der Johnson mit den Konservativen eine deutliche Mehrheit holte.

Passend dazu kehrte der Abgeordnete Christian Wakeford den Konservativen am heutigen Mittwoch den Rücken und schloss sich der Labour-Partei an. Wakeford hatte seinen Wahlkreis im traditionell eher Labour-geprägten Norden für die Konservativen geholt. Es wird vermutet, dass viele Johnson-Gegner aus der Region kommen, da ihr Rückhalt in der Bevölkerung schwindet.

Cummings: Johnson lügt

Der Premier steht aufgrund der sogenannten "Partygate"-Enthüllungen seit Monaten unter Druck: Zuletzt wurde ihm erneut eine Lüge vorgeworfen. Johnson hatte erst am Dienstag in einem Interview mit Sky News bekräftigt, er habe nicht gewusst, dass eine Party im Mai 2020 im Garten seines Amtssitzes gegen die Corona-Maßnahmen verstoßen habe. Er sei nur für etwa 25 Minuten dort gewesen, habe mit mehreren Mitarbeitern gesprochen und danach in seinem Büro weitergearbeitet. Im Nachhinein hätte er vermutlich die Zusammenkunft dann stoppen müssen, allerdings sei er zuvor zu keinem Zeitpunkt über die Veranstaltung informiert worden.

Sein ehemaliger Berater Dominic Cummings hatte dagegen schon zuvor betont, er und andere Mitarbeiter hätten den Premier im Vorfeld der Veranstaltung gewarnt. Johnson habe aber die Einwände ignoriert. "Allein die Ereignisse des 20. Mai, ganz zu schweigen von der ganzen Reihe anderer Ereignisse, bedeuten, dass der Premierminister das Parlament in Bezug auf die Partys belogen hat", erklärte Cummings, der seine Version auch unter Eid aussagen würde.

Für die Tories im Parlament scheint die Gartenparty allerdings nicht der entscheidende Fehler gewesen zu sein. Laut "Daily Telegraph" seien die Abgeordneten vor allem über die Feiern am Vorabend der Beerdigung von Prinz Philip im vergangenen April verärgert. Die "ekelerregenden" Vorkommnisse sollen "das Fass zum Überlaufen" gebracht haben, heißt es von einem nicht genannten Abgeordneten. Johnson soll bei den Veranstaltungen am Regierungssitz nicht anwesend gewesen sein. Er räumte allerdings am Dienstag ein, er trage für die Vorkommnisse die volle Verantwortung.

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