Pandemie: WHO-PlÀne werden Ziel von Falschinformationen
Genf (dpa) - Im Laufe der nĂ€chsten Jahre wollen die Mitglieder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Abkommen zur besseren BewĂ€ltigung von Pandemien beschlieĂen.
Auch auf der WHO-Versammlung in Genf kommende Woche (22. bis 28. Mai) wird es um weltweite GesundheitsnotfĂ€lle gehen. Mittlerweile kursiert aber Desinformation ĂŒber eine von der WHO geplante Pandemievereinbarung in sozialen Medien und erreicht auch massiv Bundestagsabgeordnete.Auf Twitternannte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle die Zuschriften per Mail jĂŒngst eine "koordinierte Stimmungsmache".
Behauptung:Die WHO plant einen Vertrag, der die Abschaffung demokratischer Strukturen in den Nationalstaaten zur Folge hÀtte.
Bewertung:Falsch.
Fakten:Die geplante WHO-Pandemievereinbarung existiert bisher nicht einmal als Entwurf. Vielmehr hat sie noch einen sehr weiten Weg vor sich: Die 194 WHO-Mitglieder haben am 1. Dezember 2021beschlossen, eine Ăbereinkunft zu treffen, um Pandemien kĂŒnftig besser bewĂ€ltigen zu können. Zur Debatte stehen etwa: bessere Werkzeuge, um Pandemien frĂŒh zu erkennen, neue Entscheidungsgremien und mehr Geld. Erst im Mai 2024 plant die WHO, die neue Vereinbarung oder einen Vertrag zu beschlieĂen.
Doch wie dieser genau aussehen wird, ist derzeit völlig offen. Es steht noch nicht einmal fest, ob der Vertrag auch ein Vertrag wird - also fĂŒr alle Unterzeichnerstaaten verbindlich sein wĂŒrde. Möglich wĂ€re auch nur eine Resolution mit Empfehlungen. Die EuropĂ€ische Union und rund 40 weitere LĂ€nder stehen hinter einer Vereinbarung als Vertrag. Die USA und China waren bislang skeptisch.
Falsche Behauptungen
In der öffentlichen Debatte ĂŒber die geplante Pandemievereinbarung wird nun darum gerungen, wie viel Macht die WHO bekommen soll. Falsch sind allerdings Behauptungen, wonach der WHO-Vertrag etwa das deutsche Grundgesetz aufheben könnte oder Zwangsimpfungen drohten.
Schon bisher hat die WHO durch die Internationalen Gesundheitsvorschriften ("International Health Regulations") von 2005 das Recht und die Pflicht, eine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" zu erklĂ€ren. Diese kann mit Empfehlungen - jedoch nicht verpflichtenden Weisungen - fĂŒr restriktive MaĂnahmen verbunden sein. Von diesem Recht hat die WHO bei der Covid-19-Pandemie Gebrauch gemacht. Am Ende entscheiden aber die Mitgliedsstaaten ĂŒber MaĂnahmen zur PandemiebekĂ€mpfung.
Ăhnliche WHO-Vereinbarungen enthalten stets Hinweise darauf, dass die Unterzeichnerstaaten das Abkommen im Rahmen ihrer nationalen verfassungsmĂ€Ăigen Ordnung anwenden mĂŒssen. So ist es in Artikel 19 der WHO-Verfassung festgeschrieben. Das stellt im Grundsatz sicher, dass ein internationaler Vertrag Demokratie und Parlamente eines WHO-Mitglieds nicht aushebeln kann. Zweifelt das jemand in einem konkreten Fall an, könnten Verfassungsgerichte entscheiden.
Fakten gezielt verdreht
Vor der WHO-Jahrestagung vom 22. bis 28. Mai in Genf kritisierte Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus Falschinformationen ĂŒber die PlĂ€ne zur Pandemievereinbarung. Eine Minderheit Ă€uĂere sich irrefĂŒhrend und verdrehe gezielt Fakten. "Unser Mandat ist zu 100 Prozent bestimmt von den Mitgliedsstaaten und worauf sie sich einigen", sagte Tedros am Dienstag in Genf. Die WHO-Verfassung von 1948 wie auch der aktuelle Vorschlag fĂŒr eine Pandemievereinbarung bedeute nicht, dass die WHO die SouverĂ€nitĂ€t ihrer Mitgliedsstaaten untergrabe.
Das Thema Pandemievertrag steht bei der Weltgesundheitsversammlung in der kommenden Woche auch gar nicht auf der Tagesordnung: Die Verhandlungsgruppe soll erst in zwei Jahren ĂŒber ihre Ergebnisse berichten, wie WHO-Chefjurist Steven Solomon jĂŒngst in Genf erklĂ€rte.
Stattdessen wird auf Tagung in der Schweiz ĂŒber ĂnderungsvorschlĂ€ge fĂŒr die Internationalen Gesundheitsvorschriften diskutiert. Sie zu Ă€ndern, wĂ€re eine weitere Möglichkeit fĂŒr die Welt, um Pandemien schneller zu erkennen und zu bekĂ€mpfen. Der jetzige Vorschlag stammt von den USA. Es geht darin etwa um schĂ€rfere Vorschriften, um GesundheitsnotfĂ€lle schneller zu melden und darauf zu reagieren.
Doch auch die Tragweite dieses US-Antrags wird ĂŒberschĂ€tzt: Ob die WHO-Mitglieder die ĂnderungsvorschlĂ€ge in der Form wĂ€hrend der Weltgesundheitsversammlung annehmen, ist noch unklar. Wahrscheinlicher sind Expertinnen und Experten zufolge weitere Diskussionen und ĂnderungsantrĂ€ge. Denn am Ende mĂŒssen die LĂ€nder sich einig sein. Die WHO stelle das dar, "was die souverĂ€nen 194 Mitgliedsstaaten wollen, das sie ist", sagte Generaldirektor Tedros.