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Österreich: Für Ex-Kanzler Sebastian Kurz könnte es jetzt eng werden


Ex-Kanzler Österreichs
Für Sebastian Kurz könnte es jetzt eng werden


Aktualisiert am 19.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Sebastian Kurz (Archiv): Die Vergangenheit lässt den österreichischen Ex-Kanzler nicht los.Vergrößern des Bildes
Sebastian Kurz (Archiv): Die Vergangenheit lässt den österreichischen Ex-Kanzler nicht los. (Quelle: Darko Vojinovic/AP/dpa)

Korruption, Bestechung, Fälschungen – ein enger Vertrauter von Sebastian Kurz hat gegen den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler ausgesagt. Für diesen wird es jetzt eng.

Thomas Schmid hat ausgepackt: Der einstige Mitstreiter von Sebastian Kurz hat der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Details über den früheren Kanzler Österreichs preisgegeben. Nicht einmal sein eigener Anwalt soll davon gewusst haben, so heimlich soll Schmid reinen Tisch gemacht haben.

Am Dienstag nun veröffentlichte die Behörde die Vernehmungsprotokolle: 454 Seiten, die Kurz schwer belasten. t-online fasst die aktuelle Entwicklung zusammen.

Was genau wirft Schmid Kurz vor?

Seit Juni hat Schmid an insgesamt 15 Tagen die Fragen der Ermittler beantwortet. Seine Aussagen richten sich nicht nur gegen Sebastian Kurz, sondern dürften auch laufende Ermittlungen gegen den Multimilliardär René Benko, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und rund 40 weitere Personen betreffen. Seine Vorwürfe legen Korruption, Manipulation der öffentlichen Meinung und Falschaussage seitens Sebastian Kurz nahe.

Neue Hinweise zur ÖVP-Inseratenaffäre

Schmid bekräftigt den Vorwurf, dass Kurz mit manipulierten Umfragen für sich geworben haben und zugleich Zeitungen mit kostenpflichtigen Inseraten entlohnt haben soll – finanziert durch Steuergelder des Finanzministeriums.

Das System ist seit der Ibiza-Affäre bekannt und nach der beteiligten Meinungsforscherin "Beinschab-Tool" benannt. Schmid gibt wörtlich zu Protokoll: "Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass ich dieses Tool nur deswegen umgesetzt habe, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe. Ich habe dieses Tool für Kurz umgesetzt."

Veröffentlicht wurden die Umfragen vor allem in der überregionalen Tageszeitung "Österreich" aus dem Verlagshaus der Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner. Im Gegenzug sollen kostenpflichtige Werbeanzeigen österreichischer Ministerien geschaltet worden sein. Der Fall reicht bis ins Jahr 2017 zurück. Seit 2021 wird gegen die Fellners und weitere Beteiligte ermittelt. Kurz bestreitet die Vorwürfe.

Wegen Asylrecht Kirchen bedroht?

Zu Beginn des Jahres 2019 soll Kurz, damals amtierender Kanzler, Schmid beauftragt haben, der katholischen Kirche zu drohen, wenn diese nicht von ihrem Widerstand gegen die Abschiebhaft abrücke.

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Das jedenfalls sagt Schmid nun aus. Er habe eine entsprechende Anweisung als Anstiftung zur "gefährlichen Drohung" gegen die Kirche verstanden. Daraufhin habe er Peter Schipka, dem Generalsekretär der Bischofskonferenz, mit "der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz" der Kirche gedroht.

Mögliche Falschaussage im Untersuchungsausschuss

Daneben geht es in Schmids Vorwürfen auch um die Besetzung des Aufsichtsrats der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG). Das Unternehmen verwaltet die Anteile des Staates an wichtigen börsennotierten Firmen. Insgesamt managt die ÖBAG mehr als 26 Milliarden Euro Staatsvermögen.

Nach dem Ibiza-Skandal betonte Kurz im Untersuchungsausschuss, er sei bei der Personalbesetzung "informiert, aber nicht involviert" gewesen. Soll im Klartext heißen: Er habe keinen Einfluss auf die Spitze der Beteiligungsgesellschaft genommen.

Dem widerspricht Schmid: Der Ex-Bundeskanzler solle alle Personalentscheidungen abgesegnet haben. So habe Kurz ihn schon 2017 gefragt, ob er ÖBAG-Chef werden wolle. Das berichtet die österreichische Tageszeitung "Standard" in ihrer Recherche über die Aussagen von Schmid. Tatsächlich wurde Schmid 2019 zum Vorstand der ÖBAG bestellt.

Warum könnten die Enthüllungen für Kurz gefährlich werden?

Weil Schmid eine Art Kronzeuge werden könnte, einer, der viel weiß und den Kanzler damit sehr belasten dürfte – ihn womöglich ins Gefängnis bringen könnte.

Denn es steht fest: Sebastian Kurz wird sich vor Gericht verantworten müssen. Und die Vorwürfe wiegen schwer. Beispielweise drohen in Österreich allein aufgrund einer Falschaussage im parlamentarischen Untersuchungsausschuss bis zu drei Jahre Haft, wobei ein Geständnis ein wesentlicher Milderungsgrund sein könnte.

2021 kündigte Kurz seinen Rückzug aus der Politik an. Wenn keine Wiederholungsgefahr besteht, könnte eine Verurteilung auch auf eine Geldstrafe hinauslaufen. Die Wiener Wochenzeitung "Falter" rechnet damit, dass es in ein bis zwei Jahren zu einer Anklage gegen Kurz kommen dürfte. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.

Der Skandal betrifft nicht nur einzelne Personen, sondern zieht die gesamte ÖVP in eine Krise: Eventuell fällt der Prozess in die gleiche Zeit wie der Wahlkampf für die Nationalratswahl 2024.

Wie geht es jetzt weiter?

Schmid stand lange Zeit im Zentrum der Skandale, die 2019 durch die Veröffentlichung des Ibiza-Videos ausgelöst wurden. Bei ihm wurden etliche Chats sichergestellt.

Laut eigener Aussagen versucht Schmid einen Neuanfang. Er will durch seine Geständnisse Kronzeuge werden. Um diesen Status zu erlangen, den er noch nicht beantragt hat, muss er neue Sachverhalte offenlegen und darf im Gegenzug mit Strafnachlass rechnen.

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Kurz rechnet mit einer Anklage. Am Mittwoch hat sich der 36-Jährige bei Facebook gegen die Vorwürfe verteidigt: "Ich freue mich darauf, zu beweisen, dass diese Anschuldigungen falsch sind, und zwar (...) vor Gericht."

Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) forderte "volle Aufklärung" und sieht die Justiz am Zug. Laut der Politikerin Nina Tomaselli (Die Grünen) haben sich bereits bekannte Vorwürfe durch Schmids Informationen nun "zu ganz harten Beweisen" verdichtet.

"Selbstverständlich ist die Koalition belastet durch das Tun der ÖVP und die Personen, die dort vor allem in der Vergangenheit agiert haben", sagte sie am Mittwoch. Ein Ende der Koalition stellten jedoch weder sie noch andere prominente Grünen-Politiker in den Raum.

Verwendete Quellen
  • falter.at: "Das Geständnis des Thomas Schmid"
  • wienerzeitung.de: "Öbag verwaltet 26 Milliarden Euro Staatsvermögen"
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