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Hinrichtungen im Iran: 23-jähriger Demonstrant öffentlich gehängt


23-Jähriger hingerichtet
Iranisches Regime hängt öffentlich Demonstranten

Von afp, dpa, lw

Aktualisiert am 12.12.2022Lesedauer: 4 Min.
Majidreza RahnavardVergrößern des BildesMajidreza Rahnavard: Der Iraner ist öffentlich hingerichtet worden.
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Ein weiterer iranischer Demonstrant ist hingerichtet worden. Der Tod des 23-Jährigen löst landesweit Empörung aus. Dem Iran drohen weitere Sanktionen.

Im Iran ist das zweite Todesurteil im Zusammenhang mit den seit fast drei Monaten anhaltenden Protesten gegen die Führung in Teheran vollstreckt worden. Madschidresa Rahnaward sei öffentlich gehängt worden, gab die Justizbehörde am Montag bekannt. Das Gericht hatte ihm vorgeworfen, zwei Sicherheitsbeamte getötet und vier weitere Menschen verletzt zu haben – daraufhin war Rahnaward wegen "Kriegsführung gegen Gott" zum Tode verurteilt worden.

Rahnawards Hinrichtung in der Stadt Maschhad im Nordosten des Iran war die erste öffentliche Exekution im Zusammenhang mit den Protesten. Der 23-Jährige war Berichten zufolge am 17. November festgenommen worden, als er versuchte, das Land zu verlassen. Innerhalb von 26 Tagen wurde er angeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Einen rechtlichen Beistand soll er nicht gehabt haben. Oppositionelle sprechen von einem Scheinprozess.

Die Eltern des Hingerichteten sollen Medienberichten zufolge erst nach dem Vollzug informiert worden sein – wie viele Stunden später, ist unklar, die Angaben unterscheiden sich.

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"Wer Wind sät, wird Sturm ernten"

Die Nachricht der Hinrichtung löste im Iran landesweit Empörung und Wut aus. "Wer Wind sät, wird Sturm ernten" oder "Wir werden das Blut der Unschuldigen rächen" waren wütende Reaktionen der Systemgegner in sozialen Medien. Die regierungsnahe Tageszeitung "Resalat" schrieb hingegen: "Begnadigung ist gut, aber im Islam ist Gerechtigkeit wichtiger".

Sein "Verbrechen" habe im "Protest gegen die Ermordung von Mahsa Amini" bestanden, kritisierte die in den USA lebende iranische Aktivistin Masih Alinedschad. Hinrichtungen seien "die Methode des Regimes, mit Protesten umzugehen". Die US-Journalistin forderte die Europäische Union auf, ihre Botschafter abzuberufen.

Bereits am Donnerstag war der Rap-Musiker Mohsen Shekari hingerichtet worden. Er soll ein Mitglied der paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einer Waffe angegriffen, Schrecken verbreitet und eine Straße blockiert haben. Hier lesen Sie mehr dazu.

Am Montag wollten die EU-Außenminister auf einem Treffen in Brüssel über verschärfte Sanktionen gegen den Iran beraten. Insgesamt sollen laut Diplomaten fast 30 weitere Verantwortliche und Einrichtungen mit Vermögens- und Einreisesperren belegt werden.

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Liste mit 25 Demonstranten veröffentlicht

Menschenrechtsorganisationen hatten am Wochenende bereits vor weiteren Hinrichtungen gewarnt. Die iranische Justiz hat nach eigenen Angaben elf Menschen im Zusammenhang mit den Protesten zum Tode verurteilt. Aktivisten zufolge sind jedoch gegen rund ein Dutzend weiterer Menschen Anschuldigungen erhoben worden, denen ebenfalls die Todesstrafe droht.

Die iranische Tageszeitung "Etemad" hatte am Samstag eine von der Justizbehörde zusammengestellte Liste veröffentlicht, auf der 25 Demonstranten "Kriegsführung gegen Gott" vorgeworfen wird. Gemäß islamischer Rechtsauffassung steht auf diese Anklage das Todesurteil.

Die Zeitung appellierte in dem Bericht an die Justiz, die Todesurteile zu revidieren und weitere Hinrichtungen zu verhindern. Auch der hingerichtete Rap-Musiker Mohsen Shekari stand auf jener Liste.

Drei Künstler gegen Kaution freigelassen

Derweil wurden iranischen Medien zufolge drei wegen eines Videos zur Unterstützung der Protestbewegung im Land festgenommene Künstler gegen Kaution freigelassen. Theaterregisseur Hamid Purasari und die Schauspielerinnen Soheila Golestani und Faeseh Aeen seien seit Sonntagabend auf freiem Fuß, berichtete die Nachrichtenagentur Isna.

Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen waren Purasari und Golestani Ende November nach der Veröffentlichung des Protestvideos festgenommen worden. In dem Video, das sich rasant im Internet verbreitete, trug keine der Frauen eine Kopfbedeckung – laut Isna "ein Gesetzesbruch".

Proteste im Iran

Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini. Sie starb am 16. September in Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen des angeblichen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. In den vergangenen Wochen wurden bereits mehrere Todesurteile gegen Demonstranten verhängt. Nach Einschätzungen von Menschenrechtlern wurden seit Mitte September mindestens 470 Demonstranten getötet und mehr als 18.000 verhaftet. Lesen Sie hier eindrückliche Berichte von fünf Iranerinnen und Iranern.

Weitere Hinrichtung verschoben

Eine weitere Hinrichtung wurde Medienberichten zufolge vorläufig verschoben. Der ebenfalls wegen "Kriegsführung gegen Gott" verurteilte Mahan Sadrat sollte demnach am Sonntag im Radschaei-Schahr Gefängnis westlich der Hauptstadt Teheran gehängt werden. Der 23-Jährige soll während der Proteste ein Basidsch-Mitglied mit einem Messer verletzt und dessen Motorrad angezündet haben.

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Die "Basidschis", freiwillige Milizen der iranischen Revolutionsgarden, werden im Iran unter anderem zur Unterdrückung von Protesten eingesetzt. Sie gelten als die treuesten Anhänger des Systems, die außerdem bereit sein sollen, den Märtyrertod zu sterben. Auch bei den jüngsten Protesten gingen die Basidschis laut Augenzeugen gegen die Demonstranten äußerst brutal vor. Daher richten sich die Wut und Aggressionen der Protestierenden insbesondere gegen die Basidsch-Milizen. Unter den in den vergangenen zehn Wochen im Zusammenhang mit den Demonstrationen ums Leben gekommenen Polizei- und Sicherheitskräften sollen vor allem Basidschis sein.

Bei der nun zweiten Hinrichtung sollen Berichten zufolge etwa 30 Basidschis anwesend gewesen sein.

Moderate Kreise im Land warnen vor einer weiteren Eskalation und fordern unter anderem Neuwahlen, um die politische Krise im Land friedlich zu beenden. Für sie sind Präsident Ebrahim Raisi, seine Regierung sowie die Hardliner im Parlament und in der Justiz nicht mehr tragbar. Beobachtern zufolge rückt eine derartige Option nach der Hinrichtung des zweiten Demonstranten und der voraussichtlichen Vollstreckung weiterer Todesurteile allerdings in weite Ferne.

"Wartet auf unsere Rache"

Die Hinrichtung des Rappers Mohsen Shekari war bereits im In- und Ausland scharf verurteilt worden. Die iranische Politführung, unter anderem auch Präsident Raisi, bezeichnete die Hinrichtung jedoch als eine legitime Antwort auf die Ausschreitungen im Land. Die Demonstranten selbst drohten dem System mit Vergeltung. In den sozialen Medien kursierte die Botschaft "Wartet auf unsere Rache".

Neben den internationalen Sanktionen im Zusammenhang mit dem Atomstreit wurden gegen Teheran nun auch weitere wegen Menschenrechtsverletzungen verhängt. Der Iran steckt seit mehr als vier Jahren in einer akuten Wirtschaftskrise. Der einzige verbliebene Hoffnungsschimmer war eine Einigung im Atomstreit mit dem Westen. Laut Beobachtern ist eine solche Einigung jedoch nach der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste – und insbesondere den ersten Hinrichtungen der zwei Demonstranten – alles andere als realistisch.

Die iranische Führung macht die "Feinde" des Irans – unter anderem auch Deutschland – sowie deren "Söldner" im Inland für die Proteste verantwortlich. Laut Teheran stehe die Mehrheit der Iraner weiterhin hinter dem islamischen System und werde die "Feinde" auch letztendlich besiegen und die Proteste beenden. Auf den Straßen jedoch sieht es ganz anders aus. "Tod dem Diktator" und "Islamische Republik wollen wir nicht (mehr)" waren die täglichen Standard-Slogans in den letzten zweieinhalb Monaten.

Verwendete Quellen
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