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Vertrauensfrage in Polen: Warum die Zeit von Tusk abläuft


Vertrauensfrage in Polen
Sie haben sich an ihm sattgesehen

MeinungEin Kommentar von David Schafbuch

Aktualisiert am 11.06.2025Lesedauer: 3 Min.
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Donald Tusk: Der polnische Ministerpräsident hat eine Vertrauensfrage im Parlament überstanden. (Quelle: Pascal Bastien/dpa)
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Donald Tusk hat die Vertrauensfrage im polnischen Parlament überstanden. Aber er sollte nicht so weitermachen wie bisher.

Ging ja noch einmal gut, könnte man meinen: Donald Tusk hatte gerade erst mit seiner liberalkonservativen Bürgerplattform PO bei der Präsidentschaftswahl eine hauchdünne, aber schmerzhafte Niederlage erlitten. Sein Kandidat Rafał Trzaskowski unterlag in der Stichwahl dem zuvor gänzlich unbekannten Karol Nawrocki der rechtsnationalen PiS. Tusk wollte jetzt wissen, ob er noch die Rückendeckung seiner Regierung aus moderaten, grünen, sozialdemokratischen und liberalen Kräften hat.

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Die Vertrauensfrage im Parlament konnte die polnische Regierung überstehen. 243 Abgeordnete sprachen Tusk das Vertrauen aus, 210 votierten gegen sein Kabinett. Nach der Abstimmung erhoben sich viele Abgeordnete von ihren Plätzen und skandierten den Namen des Regierungschefs. Trotzdem könnte es an der Zeit sein, dass Tusk sich zurückzieht. Denn das liberale Polen braucht eine neue Führungsfigur.

Den Rückhalt seiner Koalition hat Tusk zwar weiterhin, die Abneigung gegen die PiS hat die Regenbogenkoalition offenbar zusammengeschweißt. Aber aufatmen kann er trotzdem nicht: Die Probleme Polens werden durch ein "Weiter so" von Tusk nicht mehr zu lösen sein, vermutlich dürfte sich das Land dadurch Richtung Abgrund bewegen.

Graben zwischen Jung und Alt

Regierung und Präsident bleiben genauso gespalten, wie es das ganze Land ist. Der kommende Präsident Nawrocki wird die großen Reformen der Regierung in der Justiz, den Medien oder im Abtreibungsrecht in jedem Fall verhindern. Bis zur nächsten Parlamentswahl, die spätestens in zweieinhalb Jahren ansteht, dürfte politischer Stillstand herrschen.

Die Präsidentschaftswahlen in Polen haben gezeigt, dass das Land in mehrere Teile zerfällt: Diese Spaltung verläuft nicht nur zwischen der liberalen Stadt- und der konservativen Landbevölkerung. Sie verläuft auch zwischen dem Norden und Westen Polens, das Tusks Kernland ist, während der Süden und Osten von der PiS und dessen Parteichef Jarosław Kaczyński dominiert wird.

Weniger Beachtung erhält aber eine weitere Spaltung: die zwischen den jungen und den älteren Wählern. Es gibt unter den jüngeren Polen ein tiefes Bedürfnis nach einer Politik abseits von Tusk und Kaczyński, dem sogenannten "Duopol" von PiS und PO, das die politischen Geschicke des Landes seit Jahrzehnten bestimmt.

Der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahl offenbarte das mehr als deutlich: Unter den 18- bis 29-Jährigen hätten die Kandidaten des "Duopols" nicht die Stichwahl erreicht, sondern der rechtsextreme Sławomir Mentzen und der Kandidat der Linkspartei Razem, Adrian Zandberg.

Schlägt Nawrocki die Brücke nach Rechtsaußen?

Die PiS hat ihren Generationenwechsel geschickter organisiert als Tusks Bürgerplattform: Bei den Nationalkonservativen hat sich Kaczyński aus der ersten Reihe schon vor Jahren verabschiedet, ist aber weiter der Strippenzieher im Hintergrund.

Mit Nawrocki präsentierte Kaczyński dann bewusst einen Anti-Establishment-Kandidaten: Ohne politische Erfahrung, dafür mit angeblichen Verbindungen in das Rotlichtmilieu, macht er gerne markige Ansagen, nicht nur an die EU und Deutschland, sondern auch in Richtung der Ukraine.

Nawrocki könnte eine Brücke schlagen, die womöglich bei der nächsten Parlamentswahl von der PiS bis in das rechtsextreme Lager reichen könnte. Mit einer solchen Regierungskoalition würde Polen wohl endgültig auf den Weg der Autokratien einbiegen. Dabei ist das Land als wachsende Militärmacht und Nachbarland der Ukraine für die europäische Sicherheit wohl so wichtig wie noch nie.

Tusk: Kenne keine Kapitulation

So muss es allerdings nicht kommen: Das liberale Polen ist weiter intakt – nur hat es sich vermutlich an Tusk sattgesehen. Der Chef der Bürgerplattform PO ist seit Jahrzehnten der andere Teil des "Duopols", das Gesicht des progressiven, EU-freundlichen Polens. Eine neue Führungsfigur, eine andere Ansprache und Herangehensweise könnten womöglich für Aufbruchstimmung sorgen und das liberale Lager in Polen aufrütteln.

Tusk selbst klang indes am heutigen Mittwoch nicht danach, als würde er demnächst seinen Posten räumen. "Ich kenne den Geschmack des Sieges und die Bitterkeit der Niederlage, aber ein Wort kenne ich nicht: Kapitulation", sagte der 68-Jährige im polnischen Parlament. Vielleicht sollte er noch einmal bis zum kommenden Monat in sich gehen: Im Juli will Tusk sein Kabinett umbilden.

Möglicherweise kommt er doch noch zu dem Schluss, dass ein anderer Politiker jetzt die Führung übernehmen sollte. Wie wäre es denn mit einem vergleichsweise jungen Politiker, für den jüngst 10 Millionen Menschen stimmten und der seit Jahren erfolgreich eine Großstadt führt? Sein Name lautet Rafał Trzaskowski.

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