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Super Tuesday: Joe Biden gegen Bernie Sanders – der giftige Zweikampf startet


Joe Biden gegen Bernie Sanders
Eine Entscheidung zwischen Normalität und Revolution

Von Fabian Reinbold, Los Angeles

Aktualisiert am 05.03.2020Lesedauer: 4 Min.
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Kontrahenten Biden, Sanders: Reform vs. Revolution.Vergrößern des Bildes
Kontrahenten Biden, Sanders: Reform vs. Revolution. (Quelle: Brian Snyder/reuters)

Joe Biden fordert nach seinem großen Comeback Bernie Sanders zum Duell. Es prallen zwei Demokraten aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Wer wäre der bessere Trump-Gegner?

Was für ein Comeback! Als Joe Biden um 19.21 Uhr auf die kleine Bühne auf einem Basketballfeld in Los Angeles läuft, wirkt der alte Mann wie aufgeputscht. Der 77-Jährige spricht nicht, er schreit: Man habe ihn totgesagt. Jetzt wolle er melden, ruft er: "Wir sind noch sehr lebendig!"

Joe Biden weiß schon in diesem Moment, auch wenn in vielen Staaten noch ausgezählt wird: Er ist der große Gewinner des großen Wahltags namens "Super Tuesday". Ein paar Stunden später kommt es noch besser für ihn: Er hat sogar den wichtigen Staat Texas gewonnen. Daran hat er wohl nicht einmal selbst geglaubt.

10 von 14 Bundesstaaten des "Super Tuesday" gewinnt er am Ende. Biden schneidet besser ab, als es so gut wie alle Beobachter vorausgesagt haben. Er holt sogar Staaten wie Massachusetts und Minnesota, in denen er nicht einmal Wahlkampf betrieben hat. Joe Biden ist plötzlich wieder Favorit.

Das ist fast schon ein Wunder, denn vor zehn Tagen noch galt der frühere Vizepräsident vielen als erledigt. Er hatte bei den ersten Vorwahlen in Iowa eine Niederlage und bei den zweiten in New Hampshire eine Schmach erlitten. Beim dritten Wahltag in Nevada kam er zwar auf Platz zwei, landete aber 26 Prozentpunkte hinter Bernie Sanders.

Für den 77-jährigen Vizepräsidenten Barack Obamas waren die vergangenen Monate eine Achterbahnfahrt. Er startete als Favorit ins Rennen, nur um dann immer weiter abzusinken. Er verhaspelte sich in Interviews, wirkte fahrig in TV-Debatten. Die zwielichtigen Jobs seines Sohnes Hunter waren Dreh- und Angelpunkt der Ukraine-Affäre Donald Trumps.

Und nun hat er das in der US-Politik so viel zitierte Momentum, also den Trend, auf seiner Seite.

Zweikampf völlig unterschiedlicher Politiker

Das ist umso erstaunlicher, als er seinem Konkurrenten Bernie Sanders finanziell und in der Wahlkampforganisation deutlich unterlegen war und dem Multimilliardär Mike Bloomberg in finanziellen Fragen sowieso. Doch Geld ist nicht alles: Bloomberg, der knapp 500 Millionen Dollar aus eigener Tasche in den Wahlkampf schoss, holte bei seinem Einstieg ins Rennen nur den Sieg im US-Außengebiet Amerikanisch-Samoa.

Alles läuft nun auf ein Duell Biden gegen Sanders hinaus. Letzterer bemühte sich in seiner Rede zum Wahlabend bereits, die Unterschiede herauszuheben. Biden habe für das unbeliebte Handelsabkommen Nafta und den Irakkrieg gestimmt, betonte Sanders. Seine Anhänger buhten. So giftig dürfte es weitergehen.

Interessieren Sie sich für die US-Wahl 2020? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Tatsächlich beginnt nun ein Zweikampf zweier Politiker, die sich deutlich unterscheiden, die die verschiedenen Lager der demokratischen Partei repräsentieren und die beide eine große Herausforderung für Amtsinhaber Donald Trump darstellen.

Reform vs. Revolution

Biden ist der Kandidat des Establishments, der Mann für jene Demokraten, denen Sanders zu weit links steht. Biden ist ein Urgestein der US-Politik. 1972 in den Senat gewählt und bis 2008 dort geblieben, bis ihn Obama zu seinem Vize machte. Biden verspricht, dass es mit ihm wieder ruhig werde, wie in der Zeit vor Trump. Er will Reformen, keine Revolution. Die früheren Konkurrenten Pete Buttigieg und Amy Klobuchar gaben auf und inszenierten einen Schulterschluss gegen Sanders.

Sanders ist nicht einmal Demokrat, sondern ein Unabhängiger, den im Senat die Fraktion der Demokraten aufgenommen hat. Der 78-Jährige nennt sich "demokratischer Sozialist", er macht Wahlkampf gegen "das Establishment", will die 320 Millionen Amerikaner in eine Pflichtkrankenversicherung stecken und den Akademikern ihre Schulden aus Studiengebühren erlassen. Er redet nicht von Reförmchen, sondern von einer "politischen Revolution."

Wie der Wahlkampf gegen Trump aussähe

Beide haben starke Verbündete: Biden hat den Parteiapparat hinter sich, schwarze, alte und moderate Wähler. Sanders hat eine außerparlamentarische Opposition hinter sich, ein weitverzweigtes Netz an Kleinspendern und setzt auf die Mobilisierung zweier Wählergruppen: der Jungen und der Latinos. Sanders hat frenetische Anhänger, nicht ganz unähnlich Amtsinhaber Trump, die ihm durch Dick und Dünn die Treue halten.

Für die demokratischen Wähler ist es daneben auch zentral, den Kandidaten zu finden, der die besten Chancen gegen Trump hat. Ein Wahlkampf gegen den Amtsinhaber sähe unter beiden ganz unterschiedlich aus: Sanders würde von Trump wohl als radikaler Sozialist verspottet, der Konjunktur und Wohlstand gefährdet. Die Warnungen vor dem Sozialismus verfangen insbesondere bei älteren Anhängern der Republikaner, die noch den Kalten Krieg erlebt haben. Sanders' hochmotivierte Wählerbasis wäre allerdings auch ein Pfund für dessen Wahlkampf.

Bidens Stärke in den Swing States

Biden weckt dieses Ausmaß an Begeisterung nicht. Dafür wird er Trump auf anderem Wege gefährlich. Der gemäßigte Demokrat ist sowohl für Wechselwähler attraktiv als auch für die weiße Arbeiterschicht in den Industriestaaten, denen Trump seinen Wahlsieg 2016 verdankt. In zahlreichen Umfragen liegt Biden in Schlüsselstaaten wie Michigan oder Pennsylvania momentan deutlich vor dem Amtsinhaber.

Nicht aus Zufall hat Trump ja bereits versucht, die Regierung der Ukraine für eine Schmutzkampagne gegen Biden einzuspannen – was schließlich in ein Impeachment-Verfahren mündete.

Doch der Hauptgegner steht für Biden und Sanders zunächst einmal im eigenen Lager. Schon am kommenden Dienstag stimmen sechs weitere Bundesstaaten ab. Der Zeitplan, bis auch der letzte Bundesstaat seine Vorwahl abgehalten hat, reicht bis Anfang Juni.

Gekrönt wird der Trump-Herausforderer erst auf einem Parteitag Mitte Juli.
Der Zweikampf der beiden Demokraten kann sich also ziehen – und spätestens seit dem "Super Tuesday" sollte niemand weitere dramatische Wendungen ausschließen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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