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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trumps Ukraine-Wende Jetzt wird es ernst für Putin

Lange galt Donald Trump als Wackelkandidat in Sachen Ukraine. Doch im Weißen Haus scheint sich ein Kurswechsel abzuzeichnen – mit scharfen Worten gegen Putin, Patriot-Raketen für Kiew und einem "Deal" mit Europa. Was ist davon zu halten?
Noch mag es schwerfallen, an eine Ukraine-Wende von Donald Trump zu glauben. Zu oft schon beklagte sich der US-Präsident über Wladimir Putin, um dann seinen Worten doch keine Taten folgen zu lassen. Auch zuletzt klang Trump wieder deutlich, als er sagte. "Putin erzählt uns offen gestanden eine Menge Dreck. Er ist immer sehr freundlich zu uns. Das erweist sich dann aber als bedeutungslos."
Nun scheint Trump es ernst zu meinen. Für diesen Montag will er laut US-Medienberichten einen neuen Plan zur Aufrüstung der Ukraine bekannt geben. Und dieser soll nicht nur Abwehrraketen, sondern voraussichtlich auch Angriffswaffen umfassen. Einer der stärksten republikanischen Befürworter für eine härtere Politik gegenüber Russland, der US-Senator Lindsey Graham, sagte dem US-Medium Axios: "Trump ist wirklich sauer auf Putin." Die Ankündigung des US-Präsidenten werde darum "sehr aggressiv" ausfallen.
Dem Fernsehsender CBS sagte Graham, dass es sich dabei um eine echte "Wende" der amerikanischen Ukraine-Politik handeln würde. Erneut schürte Graham außerdem Hoffnungen auf neue, harte Sanktionen gegen Russland. Dafür gebe es "eine breite Mehrheit" im US-Kongress, so der Senator. Sollten diese umgesetzt werden, würden auch Drittstaaten, die weiterhin Öl oder Gas von Russland beziehen, von Strafmaßnahmen der USA betroffen sein.
Bei Trump scheint sich eine Einsicht durchzusetzen
Ob Trump dieses Sanktionsvorhaben, das auch Verbündete wie Indien treffen könnte, wirklich mittragen will, ist unklar. Aber nach rund sechs Monaten an der Regierung scheint sich im Weißen Haus tatsächlich eine Erkenntnis durchzusetzen, die Kritiker von Donald Trump schon lange angemahnt haben. Entgegen Trumps vollmundiger Ankündigung, er könne diesen Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden, herrscht nun offenbar die Einsicht vor: Mit diesem russischen Präsidenten lässt sich kein kurzfristiger Frieden schließen. Selbst dann nicht, wenn man die Ukraine zwingt, Putin so weit entgegenzukommen, dass deren eigene Schmerzgrenze mit weitreichenden Gebietsabtretungen an den Aggressor eigentlich längst überschritten ist.
Dieses Umdenken bei Trump ließ sich schon vergangene Woche erkennen. Keith Kellogg, der Sondergesandte des US-Präsidenten für die Ukraine, traf in Rom bei der internationalen Wiederaufbaukonferenz auf Wolodymyr Selenskyj. Dabei legte der pensionierte Generalleutnant ausführlich dar, wie die USA die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland unterstützen wollen.
"Es ist leicht, zu sagen, ich bin müde", sagte Kellogg. Dieser Krieg sei hart und wahnsinnig teuer. "Aber man muss einfach kämpfen, es durchstehen und weitermachen", so Kellogg. Immer mehr Leute würden aber nicht nur auf die finanziellen Kosten blicken, sondern auf die moralische Komponente. Im Klartext heißt das auch: die geostrategischen Interessen der USA. Donald Trump kann es sich zudem nicht bieten lassen, von Wladimir Putin in der Weltöffentlichkeit vorgeführt zu werden.
Zwischentöne lassen Umdenken erkennen
Zwar gilt der Sondergesandte Keith Kellogg innerhalb der Trump-Regierung seit jeher als harter Kritiker Russlands und vehementer Unterstützer der Ukraine. Insofern waren seine an die Ukrainer gerichteten Worte in Rom auch erwartbar. Doch gerade seine Zwischentöne ließen aufhorchen. Sie gaben Rückschlüsse darauf, dass sich bei den Amerikanern und maßgeblich bei Trump ein Sinneswandel vollzieht.
"Mir war am Anfang nicht klar, wie schwierig diese Verhandlungen sein würden", sagte Kellogg. Damit dürfte er allerdings kaum sich selbst gemeint haben. Dem erfahrenen Ex-Militär waren die schwierige Lage in diesem Krieg und vor allem die aggressiven Ziele von Putin von Beginn an klar. Dass das nun aber auch Trump erkannt haben dürfte, klang bei Kellogg hier durch. Die Amerikaner würden so lange kämpfen und die Ukraine unterstützen, bis man die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht hätte, sagte er.
Kellogg verwies dabei auch auf eine Rede von Trump, die er während seiner ersten Amtszeit im Jahr 2019 vor den Vereinten Nationen in New York gehalten hatte. Darin habe der US-Präsident betont, wie hoch der Wert der Souveränität der Nationen sei. Tatsächlich hatte Trump damals gesagt: "Die Zukunft gehört souveränen und unabhängigen Nationen, die ihre Bürger schützen, ihre Nachbarn respektieren und die Unterschiede würdigen, die jedes Land besonders und einzigartig machen."
Der US-Präsident zielte damals allerdings weniger auf Diktatoren wie Wladimir Putin oder völkerrechtswidrige Angriffskriege ab, sondern warnte insbesondere vor sogenannten "Globalisten", wie Trump und seine Anhänger Befürworter internationaler Zusammenarbeit und Integration abwertend nennen. Diese würden die Souveränität von Nationen gefährden, sagte Trump damals. Kellogg betonte in Rom trotzdem, dass es auch Washington darum gehe, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Und solange die Ukraine weiterkämpfen wolle, würden auch die USA an ihrer Seite stehen.
Das Patriot-Geschäft mit den Europäern
Tatsächlich will die US-Regierung der Ukraine nach langem Zögern nun doch weitere zum Schutz vor russischen Raketen dringend benötigte Patriot-Flugabwehrsysteme liefern. Dieser Sinneswandel ist bemerkenswert. Denn einflussreiche Mitglieder der Trump-Regierung, wie der als China-Falke bekannte Elbridge Colby im Verteidigungsministerium, betonen stets, die USA benötigten ihre militärischen Kapazitäten vor allem gegen China. Neben der Unterstützung der Ukraine stehen diesem Ziel auch die massiven Militärhilfen für Israel entgegen. Mehr dazu lesen Sie hier.
Was Trump neben der Notwendigkeit, Russland zurückzudrängen, überzeugt haben dürfte, ist allerdings abermals ein "Deal" nach seinem Geschmack. Denn die Kosten für die Patriot-Abwehrraketen sollen zu 100 Prozent von den Ländern der Europäischen Union übernommen werden. Das sagte der amerikanische Präsident am Sonntag vor Reportern. "Das wird für uns ein großes Geschäft", so Trump. Dieses Vorgehen sei angesichts eines "kleinen Putin-Problems" aber auch notwendig. Der russische Präsident würde trotz netter Worte nachts einfach Städte bombardieren, was nicht in Ordnung sei.
Wie umfassend und nachhaltig Trumps Ukraine-Wende wirklich ausfällt – das soll an diesem Montag in Washington zumindest klarer werden. Im Terminplan des US-Präsidenten steht ein besonderer Gast, den er nach eigenem Bekunden außerordentlich schätzt. Am Morgen empfängt Trump den Nato-Generalsekretär Mark Rutte im Weißen Haus. Das Verhältnis der beiden gilt schon lange als sehr gut.
Inzwischen dürfte es noch besser sein: Denn der Niederländer konnte beim vergangenen Nato-Gipfel in Den Haag verkünden, dass die Mitgliedsstaaten des Verteidigungsbündnisses die Militär- und Infrastrukturausgaben auf 5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts erhöhen werden. Es ist ein Erfolg, den Trump als den seinen verbucht. Die finanziellen Zugeständnisse der Europäer scheinen beim US-Präsidenten zu verfangen. Die Abkauf-Vereinbarung der Patriot-Systeme für die Ukraine gilt in Washington als erster Beleg dafür, dass es sich dabei eben nicht nur um Worte handelt. Für Trumps neue Show gegen Putin zahlen vor allem die Europäer.
Bündnispflege durch Boris Pistorius
Als ein wichtiger Garant der militärischen Mehrausgaben der Europäer gilt insbesondere Deutschland. Die gemeinsame Ukraine-Unterstützung dürfte deshalb an diesem Montag auch Thema zwischen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und seinem amerikanischen Amtskollegen Pete Hegseth sein. Der SPD-Minister ist wie Mark Rutte derzeit in Washington und trifft Hegseth am Nachmittag im Pentagon. Es ist das erste offizielle Zweiertreffen der beiden Verteidigungsminister.
Auch wenn Hegseth und Pistorius parteipolitische Welten trennen, dürfte der Besuch harmonisch verlaufen. Denn in Washington weiß man: Der deutsche Verteidigungsminister gilt als einer der wichtigsten Impulsgeber für die militärischen Mehrausgaben der Bundesrepublik. Europa sei ein "neues Beispiel" für die deutlich höheren Verteidigungsausgaben, hatte Hegseth erst neulich bei einer Rede gesagt. Und dabei "sogar Deutschland" betont.
Die bisherige Sicht auf das wirtschaftlich starke Deutschland als ewigen militärischen Trittbrettfahrer scheint sich selbst in der Trump-Regierung allmählich abzumildern. Direkter Nutznießer dieser verbesserten deutsch-amerikanischen Beziehungen wird auch die Ukraine sein. Denn in Europa ist die Bundesrepublik inzwischen der wichtigste Verbündete im Abwehrkampf gegen Putin. Ohne das direkte Einwirken der Amerikaner geht aber nach wie vor nichts. Trump schickt seinen Sondergesandten Keith Kellogg in diesen Tagen darum erneut zu einem Treffen mit Wolodymyr Selenskyj – dieses Mal direkt nach Kiew.
- Eigene Recherchen
- axois.com: "Trump to announce 'aggressive' Ukraine weapons plan" (Englisch)
- cbsnews.com: "Sen. Lindsey Graham says sanctions bill would give Trump a 'sledgehammer' against Russia amid 'turning point' in war with Ukraine" (Englisch)
- trumpwhitehouse.archives.gov: "Remarks by President Trump to the 74th Session of the United Nations General Assembly"( Englisch)
- Pressemitteilung des Weißen Hauses