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Sudan-Evakuierung: So erlebte sie ein Bundeswehrsoldat im Auslandseinsatz


Ein junger Bundeswehrsoldat im Sudan
"Das ging körperlich an die Grenze"

Von Miriam Hollstein

Aktualisiert am 27.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Sie holten die Deutschen aus dem sudanesischen Krisengebiet: Bundeswehrsoldaten treten nach vollbrachter Mission zum "Rückkehrappell" in Wunstorf an. (Quelle: Thomas Imo/imago images)

Es war sein erster Auslandseinsatz: Der 20-jährige Salahaden H. half als Bundeswehrsoldat im Sudan, Deutsche zu evakuieren. Und hatte dabei eine besonders wichtige Rolle.

Der Anruf erreichte Salahaden H. (Name von der Redaktion geändert) an einem späten Dienstagabend. Sein Vorgesetzter war am Telefon: Im Sudan eskaliere die Lage, man habe sich zu einer Evakuierung der deutschen Staatsbürger entschieden. In zwei Tagen gehe es los. "Dann ging es Schlag auf Schlag", erinnert sich der 20-Jährige. Für den jungen Hauptgefreiten der Bundeswehr war es der erste Auslandseinsatz. Seit Anfang Januar 2021 ist H. bei der Bundeswehr, er hatte sich als Zeitsoldat für dreieinhalb Jahre verpflichtet. Als er angab, dass er auch zum Einsatz im Ausland bereit sei, da konnte er nicht ahnen, welche wichtige Rolle er gleich beim ersten Mal spielen sollte.

Denn eigentlich ist H. bei der Bundeswehr als Kraftfahrer und im Feuerunterstützungszug tätig. Doch schon kurz vor dem Flug in das Gastland Jordanien wurde schnell klar, dass bei der Evakuierungsmission im Sudan eine andere Fähigkeit von ihm viel dringender gebraucht würde: Der gebürtige Deutsche ist zweisprachig aufgewachsen, seine Familie hat syrisch-palästinensische Wurzeln. Er spricht fließend Arabisch.

Im Gegensatz zu seinem Team ging es für H. deshalb von Jordanien aus gleich mit dem nächsten Flieger weiter in das Einsatzland: zu einem Flughafen etwas außerhalb der sudanesischen Hauptstadt Khartum. "Dort herrschte großes Getümmel", erinnert sich der Soldat an die Ankunft. Denn auf dem Flughafen waren viele Nationen dabei, ihre Staatsbürger aus dem Kampfgebiet zu evakuieren. Zugleich trafen immer mehr verzweifelte Menschen ein, die auf die Möglichkeit zur Ausreise hofften. H.s Aufgabe bestand darin, als Sprachmittler zu den sudanesischen Armee- und Regierungsvertretern zu fungieren. Das sudanesische Arabisch ist dem ägyptischen sehr ähnlich, H. verstand es ohne Probleme.

Auf sudanesischer Seite war man überrascht und erfreut, auf einen Deutschen zu treffen, der die eigene Sprache beherrscht. Zumal sich aufgrund der Sprachbarriere auch wenig andere "Westler" direkt an die Sudanesen wandten. "Als sie feststellten, dass wir nichts wollen, außer unsere Leute rausbringen, waren sie sehr zuvorkommend, boten Essen und Schutz an", sagt Salahaden H. über seine sudanesischen Gesprächspartner. Auch halfen sie den deutschen Soldaten bei der Einteilung des Flughafens in verschiedene Zonen, in der jede Nation ihre Staatsbürger sammeln und bis zum Abflug betreuen konnte.

Die Deutschen, die evakuiert werden sollten, wurden zunächst von den Feldjägern in Empfang genommen und registriert. H. traf einige von ihnen auf dem Weg zum Evakuierungsflieger: "Alle waren heilfroh, aus dieser Lage herauszukommen. Aber einige waren auch verzweifelt und traurig, weil sie Familienangehörige hatten zurücklassen müssen."

Vier Tage und drei Nächte war H. in Sudan im Einsatz. Geschlafen hat er, wenn sich die Gelegenheit ergab, meist im Sand, insgesamt nur wenige Stunden. Manchmal hörten er und seine Kameraden Gefechtsfeuer aus der Ferne: "Da wird einem noch mal sehr bewusst, dass das alles keine Übung ist." Auch die Verzweiflung der Menschen hat ihn nicht unberührt gelassen. Es half, mit den Kameraden darüber zu sprechen.

Tagsüber kam zur angespannten Lage noch die Hitze als Belastung hinzu. Bis auf die Marke von 44 Grad kletterte das Thermometer: "Das war, als ob einem ständig jemand mit einem Föhn ins Gesicht blasen würde." Der ganze Einsatz sei "körperlich an die Grenze" gegangen, sagt H., aber auch: "Dafür werden wir trainiert."

Die Evakuierten weinten im Flugzeug

Wenn er nicht für den eigenen Kommandeur dolmetschte, half H. bei den Briten aus. Oder sprach mit einer Gruppe von verängstigten Ägyptern, die nicht wussten, ob sie evakuiert werden würden. "Es hat schon geholfen, allein mit ihnen zu reden, um die Angst ein wenig zu nehmen", sagt H. Die Ägypter konnten am Ende mit dem letzten Flug das Land verlassen.

H. flog mit der letzten deutschen Maschine aus. Von seinen sudanesischen Gesprächspartnern bekam er zum Schluss die eigenen Hoheitsabzeichen geschenkt und schenkte ihnen seines – kleine Gesten der Menschlichkeit in Zeiten des Krieges. Im Flugzeug sah er Evakuierte weinen und lachen: "Die ganze Bandbreite an Gefühlen."

Für ihn ging es nach einem Zwischenstopp in Jordanien wieder zurück nach Deutschland. Und dort passierte erneut etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Als der Flieger gelandet war, stiegen dort sofort Verteidigungsminister Boris Pistorius und Außenministerin Annalena Baerbock in das Flugzeug ein und dankten allen, die im Einsatz in Sudan gewesen waren, persönlich. Auch ihm.

"Das war prägend", sagt Salahaden H. über seinen ersten Einsatz. Aber es sei auch erfüllend gewesen: "Das war die Erfahrung, die ich machen wollte, als ich in die Bundeswehr eingetreten bin." Gestärkt hat ihn nicht nur die Vorbereitung, sondern auch, dass seine Familie die ganze Zeit hinter ihm und dem Einsatz gestanden habe. Trotzdem sei seine Mutter heilfroh gewesen, als er wohlbehalten wieder zurückkam, erzählt H.: "Und sehr stolz, dass ihr Sohn das eigene Land unterstützen konnte."

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Salahaden H.
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