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Bildungsgipfel | Ex-Lehramtsstudentin klagt an: "Der Druck macht krank"


Ehemalige Lehramtsstudentin
Kein Wunder, dass niemand Lehrer werden will

MeinungVon Arlén Buchholz

Aktualisiert am 16.03.2023Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Das Referendariat ist die zweite und überwiegend praktische Phase der Lehrerausbildung.Vergrößern des Bildes
Das Referendariat ist die zweite und überwiegend praktische Phase der Lehrerausbildung. (Quelle: MITO/imago-images-bilder)

In Deutschland fehlen Zehntausende Lehrer. Mich überrascht das nicht. Ich wäre auch gerne Lehrerin geworden, habe es aber aufgegeben.

Ich war 19 Jahre alt, als ich begeistert zu studieren anfing. Mein Ziel: Lehrerin werden. Ich entschied mich für die Fächerkombination Spanisch und Geschichte. Ich bin zweisprachig aufgewachsen und spreche fließend Spanisch. Diesen Vorteil wollte ich gerne nutzen, um den Schülerinnen und Schülern die spanische Sprache authentisch nahezubringen. Geschichte war bereits während meiner eigenen Schulzeit eines meiner Lieblingsfächer, sodass ich mich entschied, dieses Fach als Zweitfach zu studieren. Darüber hinaus ist es an einigen Schulen möglich, Geschichte bilingual, also auf Spanisch, zu unterrichten.

Diese Möglichkeit erschien mir äußerst attraktiv. Doch es sollte alles anders kommen.

Zu Beginn und im Laufe meines Studiums dachte ich, dass es sicherlich viele Vorteile hat, an einer Schule zu arbeiten. Als Lehrerin werde ich schnell eine Stelle finden, das Gehalt ist sicher. Ich kann an vielen Orten unterrichten. Ich werde verbeamtet. Und ich helfe jungen Menschen, sich besser im Leben zurechtzufinden, indem ich sie ihren Stärken entsprechend fördere. Niemand wird zurückgelassen.

Ich absolvierte Praktika an verschiedenen Schulen und merkte schnell, dass die Realität eine andere war. Ich traf auf völlig überlastete Kollegen. Und ich bekam Zweifel: Wie sollte ich es schaffen, den Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden und sie richtig zu fördern, wenn das teilweise nicht einmal erfahrenen Lehrkräften gelang?

Sowohl Lehrer als auch Referendare, die gerade frisch aus dem Studium gekommen waren, berichteten davon, dass sie aufgrund des Lehrkräftemangels zusätzlich zu ihren eigenen Fächern plötzlich fachfremd unterrichten mussten. Also Fächer, die sie gar nicht studiert hatten. Ihr Arbeitspensum war enorm, teilweise blieben sie von 7:30 Uhr bis 19 Uhr in der Schule, um nach dem Unterricht noch an Konferenzen teilzunehmen.

Das Arbeitspensum ist zu hoch

Zu Hause angekommen, blieb kaum Zeit für Freizeit oder Familie, denn der letzte Unterricht musste nachbereitet und der nächste vorbereitet werden – natürlich differenziert, um den individuellen Begabungen und Interessen der einzelnen Schüler gerecht zu werden. Es galt neue Tests zu erstellen und wieder andere zu korrigieren und zu benoten.

Gutachten und Protokolle mussten geschrieben werden. Schulveranstaltungen und Projektwochen organisiert. Das Schlimmste waren die E-Mails der Eltern, die im Postfach darauf warteten, beantwortet zu werden. Um den Druck zu erhöhen, war in einigen Fällen die Schulleitung in Kopie gesetzt. Mit dem Ziel, die Lehrkräfte einzuschüchtern und an sich zweifeln zu lassen.

Schnell war es kurz nach Mitternacht. Gegessen wurde nebenbei. In der Schule gab es keine Zeit dafür, jede Pause musste zur Unterrichtsvorbereitung genutzt werden. Die Konzentration ließ immer mehr nach. Also wurde der Wecker auf 5 Uhr morgens gestellt, um weiterzuarbeiten, bevor es wieder den ganzen Tag in die Schule ging.

Immer nur Kritik von allen Seiten

Deutlicher könnten die Ausmaße des Lehrkräftemangels gar nicht sein. Heutzutage sind Lehrerinnen und Lehrer für alles zuständig. Sie geben täglich ihr Bestes, um allem und jedem gerecht zu werden. Aber von Wertschätzung fehlt dennoch jede Spur. Im Gegenteil, sie werden von allen Seiten kritisiert.

Und auch während des Referendariats läuft vieles schief. Wenn man das nach unzähligen Nervenzusammenbrüchen mit letzter Kraft endlich geschafft hat, stellt sich die Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Man sollte meinen, dass es von jetzt an alles nur besser werden kann.

Der Druck macht krank

Doch der Schlafmangel, der Stress und der ständige Druck der 1,5 Jahre machen krank. Jetzt bloß nicht zum Arzt gehen. Zu groß ist die Angst, dass der Arzt eine Krankheit diagnostizieren könnte und die angestrebte Verbeamtung dadurch ins Wanken gerät.

Ist das der Fall, wird man lediglich als angestellte Lehrkraft eingestellt. Das bedeutet, dass man deutlich weniger als die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen verdient, obwohl man dasselbe leistet. Bei den meisten Betroffenen herrscht zudem die Ungewissheit, ob man im kommenden Schuljahr vom aktuellen Arbeitgeber noch gebraucht wird. Während der Sommerferien erhalten angestellte Lehrkräfte mit einem Halbjahresvertrag kein Gehalt. Auf Arbeitslosengeld hat man keinen Anspruch, da man während des Referendariats als Beamter auf Widerruf nicht in die gesetzliche Sozialversicherung einzahlt.

Über die Autorin

Arlén Buchholz hospitiert aktuell in der t-online Redaktion. Sie hat ihr Lehramtsstudium erfolgreich abgeschlossen, hat sich aber gegen das Referendariat entschieden. Nun absolviert sie ein Volontariat im Stabsbereich Kommunikation der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

Das alles hat mich dazu gebracht, meinen Traum vom Lehrerberuf aufzugeben und mich beruflich umzuorientieren. Ich hoffe sehr, dass sich endlich etwas im System ändert und die Verwaltungsaufgaben von anderen Personen übernommen werden. Damit der Lehrerberuf wieder attraktiver wird und die Lehrkräfte ihrer eigentlichen Aufgabe – den Kindern etwas für das Leben beizubringen – wieder im vollen Umfang nachkommen können.

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