Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online."Das nenne ich eine Form von Cancel Culture" Grünen-Chef gerät mit Staatsminister aneinander

Felix Banaszak wirft Wolfram Weimer eine geistige Nähe zur neuen Rechten vor. Der Kulturstaatsminister ist bei "Lanz" empört und spricht von "Cancel Culture".
"Völkisch" kontra "Cancel Culture": Der politische Kulturkampf war am Donnerstagabend bei "Markus Lanz" im vollen Gange. Ausgetragen wurde er vom neuen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer und dem Grünen-Parteichef Felix Banaszak. Letzterer hatte gravierende Zweifel an der Gesinnung des konservativen Publizisten geäußert. Weimers Ansichten etwa zu Familie und dem Staat gehe "durchaus auch über das Konservative hinaus" und verharmlose Ansichten von Rechtsaußen.
Gäste
- Wolfram Weimer, Kulturstaatsminister
- Felix Banaszak, Grünen-Co-Vorsitzender
- Julia Löhr, Journalistin ("Frankfurter Allgemeine Zeitung")
Es stehe der Vorwurf des Völkischen im Raum, stellte Lanz fest, wobei Banaszak betonte, dass dies nicht seine Wortwahl gewesen war. Er warf Weimer vor, sich in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" auf den 1936 gestorbenen Philosophen Oswald Spengler ("Der Untergang des Abendlandes") bezogen zu haben. Der sei eine zentrale Figur der Neurechten.
"Das nenne ich eine Form von Cancel Culture", wehrte sich Weimer bei "Lanz" und bezichtigte Banaszak, ihn "mundtot" machen und stigmatisieren zu wollen. Er stehe fest in der politischen Mitte und habe sich in dem Gastbeitrag genau mit der Frage beschäftigt, wie der rechte Spuk bekämpft werden könnte.
Lanz nahm Weimer gegen Angriffe Banaszaks in Schutz, zeigte aber Verständnis für Kritik an dem Publizisten – und hatte ein umstrittenes Zitat aus dessen 2018 erschienenen Buch "Das konservative Manifest" parat. Darin hatte Weimar auf Spengler verwiesen: "Während Generationen um Generationen in einer Jahrtausende währenden Selbstverständlichkeit die Fortdauer der eigenen Familie, des eigenen Blutes, der Sippe, des Stammes, der Nation, der Kultur, der Zivilisation als einen heiligen Moment des Lebens begriffen haben, so bricht dieses Bewusstsein in Scherben." Während Banaszak darin Weimers eigenes Familienbild sah, beteuerte der Autor, er habe damit lediglich die Weltsicht vor 100 Jahren wiedergegeben.
Minister wirbt für "Plattform-Soli"
Weimer bekräftigte in der ZDF-Talkshow zudem seinen Plan, US-Digitalkonzerne in Deutschland stärker über einen "Plattform-Soli" zu besteuern. "Ich halte zehn Prozent für angemessen", verteidigte der Kulturstaatsminister sein Vorhaben. Julia Löhr von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hatte da zwei Fragen: Warum eigentlich nur zehn Prozent und ist die Abgabe nicht bloß ein Druckmittel im Zollstreit mit den USA, das am Ende doch nicht kommen wird?
Diesem Eindruck trat Weimer in der Talkshow entgegen. Außerdem drohe bei einer höheren Abgabe die Gefahr, dass deutsche Mittelstandunternehmen dann mehr für Werbung auf Google & Co. bezahlen müssten. Nach jahrelanger Suche nach einer Lösung wolle er mit dem "Plattform-Soli" endlich ein Zeichen setzen. Denn die großen Digitalkonzerne hätten auch hierzulande einen negativen Einfluss auf die politische Kultur und deren Polarisierung.
Fall Nietzard: "Eine Entschuldigung wäre angemessen gewesen"
Dafür stand zuletzt bei den Grünen vor allem Jette Nietzard. Die Chefin der Grünen Jugend hatte mit ihrem verächtlichen Pauschalurteil über Ordnungshüter ("Alle Polizisten sind Bastarde") und der Weigerung, sich dafür öffentlich zu entschuldigen, für eine anhaltende Kontroverse gesorgt. "Natürlich wäre eine Entschuldigung angemessen gewesen", räumte Banaszak bei "Markus Lanz" ein.
Zwar bemühte sich der Co-Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen zu betonen, dass die Jugendorganisation nicht für die Partei spreche. Löhr bezweifelte jedoch, ob Wähler oder selbst mögliche künftige Koalitionspartner da differenzieren werden. Mit solchen Positionen werde es schwierig werden, wieder in Regierungsverantwortung zu kommen, prognostizierte die Journalistin: "Das ist für Sie halt ein Problem als Partei".
Dass die Grünen während der Zeit in der Bundesregierung die Spaltung der Gesellschaft mit vorangetrieben haben, das sah auch Banaszak bei "Lanz" ein. Zugleich beließ er es an diesem Abend nicht nur mit dem Angriff auf Weimer und monierte ferner die Ernennung von Katherina Reiche zur Bundeswirtschaftsministerin.
Löhr sah darin einen "grünen Reflex". Es müsse erst geschaut werden, ob die ehemalige Vorstandsvorsitzende der E.ON-Tochter Westenergie einseitig Politik für ihre alte Branche oder ihren alten Arbeitgeber mache. Das genau tue Reiche ja, behauptete Banaszak an dieser Stelle. Das sei kein "Mauscheleivorwurf", stellte er später klar. Er warf Reiche jedoch vor, als ehemalige Energiemanagerin wieder stärker auf fossiles Gas zu setzen und dabei nicht im Sinne des Allgemeinwohls zu handeln.
- zdf.de: "Markus Lanz" vom 19. Juni 2025