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Talk bei "Anne Will": Seximus in Medien "wird bald durch sein“


Sexismus-Talk bei "Anne Will"
"Das Thema wird bald durch sein"

t-online, Nico Damm

Aktualisiert am 13.11.2017Lesedauer: 3 Min.
Sexismus-Talk bei Anne Will: Gäste u.a. Verona Pooth (2.v.l.), Laura Himmelreich (2.v.r.) und Gerhart Baum (r., FDP).Vergrößern des BildesSexismus-Talk bei Anne Will: Gäste u.a. Verona Pooth (2.v.l.), Laura Himmelreich (2.v.r.) und Gerhart Baum (r., FDP). (Quelle: Wolfgang Borrs/NDR/dpa-bilder)
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Wir brauchen besseren Schutz vor sexueller Gewalt. Darin waren sich die Gäste bei „Anne Will“ einig. Im Politik-Talk fehlten einzig die Politiker.

Die Gäste:

• Laura Himmelreich, Chefredakteurin Vice.com Deutschland

• Gerhart Baum (FDP), ehemaliger Bundesinnenminister

Verona Pooth, Moderatorin und Unternehmerin

• Ursula Schele, Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe - Frauen gegen Gewalt

• Heike-Melba Fendel, Künstleragentin und Autorin

Das Thema:

Seit den Vergewaltigungs- und Belästigungsvorwürfe gegen Hollywood-Produzent Harvey Weinstein und den Schauspieler Kevin Spacey ist das Thema Sexismus wieder in aller Munde. Unter dem Hashtag #metoo schildern vor allem Frauen ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt und alltäglichem Sexismus.

Das Ganze erinnert an die "#Aufschrei"-Debatte vor vier Jahren, als die Journalistin Laura Himmelreich die grenzüberschreitenden Avancen von FDP-Politiker Rainer Brüderle angeprangert hatte. Anlass für Anne Will, Himmelreich und Brüderles FDP-Kollegen Gerhart Baum in ihre Sendung einzuladen und Bilanz zu ziehen: Was bringen solche Debatten? Was hat sich seit der letzten getan und was wird die neue bringen? Oder handelt es sich um einen Fall „ritualisierter Empörung“?

Der Frontverlauf:

Ist die Affäre um Weinstein ein „Hollywood-Problem“? Für Himmelreich eindeutig nicht. Im Gegenteil: „Jetzt sehen wir, dass es selbst solchen Frauen wie Angelina Jolie so geht wie 55 Prozent der Frauen in Europa.“

55 Prozent aller Europäerinnen über 15 Jahre, so zeigt eine repräsentative Studie, wurde bereits einmal sexuell belästigt. Fendel äußerte sich kritischer gegenüber der jüngsten Hashtag-Aktion. „Das Thema wird bald durch sein.“ Es werde sich weiterhin kein Star als Opfer outen, wenn das seinen Ruf beschädigen könnte. Einem der besten Schauspieler der Welt wie Kevin Spacey könne man nicht einfach Berufsverbot erteilen. Seine Schuld sei auch noch nicht bewiesen. Das stimmt zwar im juristischen Sinne, klang Baum aber dennoch zu sehr nach einer Verteidigung des Stars: „Er muss an seinen Taten gemessen werden.“ Jedenfalls werde er jetzt „vernichtet“.

Dass die Vorwürfe gegen Spacey so kurz nach dem Fall Weinstein laut wurden, fand Pooth „politisch interessant“. Ihre These: Die Vorwürfe könnten von Weinsteins Agenten lanciert worden sein, um abzulenken. Dass Kräfte im Verborgenen wirken, stellte auch Himmelreich fest. Im neuen Bundestag gebe es den seit langem niedrigsten Frauenanteil, in den Dax-Unternehmen nur sechs Prozent weibliche Vorstände. „Sexismus zu beseitigen heißt alles beseitigen, das Machtunterschiede begünstigt.“ Denn die sexuelle Gewalt passiere oft aus Positionen der Macht heraus.

Ohne bessere Karrierechancen für Frauen, etwa durch die Förderung von Ganztagsbetreuung, werde sich in dieser Hinsicht nichts bessern.

Der Vergleich mit dem Fall Brüderle:

Nach ihrer Enthüllung über das Gebaren Brüderles hatte Himmelreich auch viel Gegenwind bekommen – obwohl die Faktenlage klar war und Brüderle die Übergriffe nicht leugnete. Im Gegenteil: Mehrere andere Betroffene meldeten sich zu Wort. Allerdings war der Fall anders gelagert als jetzt in Hollywood. „Er wollte witzig sein und charmant“, sagte Himmelreich, „ich glaube, er hatte keine sexuellen Absichten“.

Dennoch: Viele schlugen sich damals auf die Seite des wenig reumütigen Brüderle, der verkündet hatte, Himmelreich sei ja weiter mit ihm im Auto herumgefahren, so schlimm könne es also kaum gewesen sein. Hier sei man heute weiter. „Damals gab es eine viel größere Aggressivität gegenüber den Frauen, die sich gewehrt haben.“ Viel gelernt hat die FDP indes aus der Affäre nicht, konnte man aus den Beiträgen Bauers herauslesen.

Damals habe man Brüderle in der Partei protegiert. Und inhaltlich sei man kaum weitergekommen. „Ich würde meiner Partei gerne eine Quote verordnen.“

Was übrig bleibt:

Es war eine durchaus lehrreiche Sendung zu einem Thema, das sonst nur allzu oft untergeht. Das Angenehme an einer Runde ohne aktive Politiker: Es gab Raum für Fakten. Schele erklärte etwa sehr eingängig, warum sexuelle Gewalt so mächtig ist. Sie macht mundtot, weil sie Scham erzeugt. So bleiben die Täter oft über lange Zeit geschützt. Doch was tun?

Viel erarbeitete die Runde nicht. Baum forderte die Frauenquote, Schele bessere Fortbildungen für Richterinnen und Richter – etwa, um Traumata erkennen zu können. Entscheidend dürfte sicherlich Himmelreichs Vorschlag sein, generelle Machtungleichheit zu beseitigen. Denn diese ermöglicht in vielen Fällen erst sexualisierte Gewalt. Doch wie geht das konkret? Das hätte Will durchaus einmal Vertreter der potenziellen neuen Bundesregierung fragen können, doch die hatte sie nicht eingeladen.

Vermutlich ist das Thema in ein paar Wochen leider ohnehin keines mehr – bis zum nächsten Skandal.

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