"Ideologische Scheuklappen" Reiche lässt Energiepolitik überprüfen – Kritik
Die Wirtschaftsministerin hat häufiger Zweifel an den Klimazielen geäußert. Eine neue Untersuchung soll prüfen, ob es Bedarf für eine Anpassung gibt.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat eine umfassende Überprüfung der deutschen Energiepolitik angestoßen. Laut einem Bericht von n-tv.de soll ein externes Monitoring klären, ob eine Neuausrichtung nötig ist, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Kosten der Energiewende zu begrenzen. Kritiker befürchten, dass damit der Ausbau erneuerbarer Energien verlangsamt werden könnte.
Für Aufmerksamkeit sorgte am Dienstag ein Papier der Deutschen Umwelthilfe (DUH), das die Aufgabenbeschreibung für die Untersuchung offenlegte. Darin werden die Anforderungen des Ministeriums an die Gutachter detailliert beschrieben. DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner kritisierte Reiches Vorgehen scharf. Er sagte: "Katherina Reiche hat ideologische Scheuklappen auf: Anstatt Innovationen und die Erneuerung des Wirtschaftsstandorts in Schlüsselbereichen voranzubringen, möchte sie offenbar Stillstand und Stagnation verwalten."
Die Kritik richtet sich auch gegen die Auswahl der Auftragnehmer: Neben der BET Consulting GmbH wurde das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) an der Universität zu Köln beauftragt, dem eine historische Nähe zu großen Energiekonzernen wie RWE und Eon nachgesagt wird.
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Monitoring soll Klimaziele untersuchen
Das Monitoring soll unter anderem untersuchen, ob die bisherigen Ausbauziele der Energiewende wirtschaftlich sinnvoll und technisch machbar sind. Dabei sollen die Autoren vorhandene Studien auswerten und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, die Versorgungssicherheit und Kostenoptimierung in den Mittelpunkt stellen. Eine schnellere Umsetzung der Energiewende ist laut Aufgabenbeschreibung kein Ziel der Untersuchung.
Die Frage, ob Deutschland an seinem Klimaziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 festhält, ist nicht Gegenstand des Berichts, wird aber von Reiche parallel politisch diskutiert. Die Ministerin wirbt für eine Angleichung an das EU-Ziel 2050. Unterstützung erhält sie unter anderem von der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm, die der "Süddeutschen Zeitung" sagte, es sei "entscheidend, das Ziel der EU – 2050 – möglichst kostengünstig zu erreichen".
Innerhalb der Bundesregierung ist Reiches Kurs umstritten. Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte in einer Fernsehsendung, Reiches Vorschlag orientiere sich an einer realistischen Einschätzung der Umsetzbarkeit. Umweltminister Carsten Schneider hingegen hält am bisherigen Ziel fest und bezeichnete die Klimaneutralität bis 2045 als "zentrales Projekt der Bundesregierung". Nach Angaben von n-tv.de soll das Monitoring unabhängig von bestehenden Regierungszielen mögliche Anpassungen der Ausbaupläne prüfen. Dabei stehen Versorgungssicherheit, Netzkapazitäten und Gesamtsystemkosten im Fokus. Die Ergebnisse werden bis Ende August erwartet.
Reiche selbst hat den bisherigen Ausbaukurs mehrfach als überzogen kritisiert. Bei einer Veranstaltung des Bundesverbands der Deutschen Industrie sprach sie von einem "völlig unrealistischen, völlig überzogenen Erneuerbaren-Ziel". Künftig solle sich der Ausbau erneuerbarer Energien stärker an den Kapazitäten der Stromnetze orientieren, nicht umgekehrt. Außerdem unterstützt sie ein laufendes Verfahren der Bundesnetzagentur, das klären soll, ob Betreiber von Wind- und Solaranlagen stärker an den Kosten für den Netzausbau beteiligt werden sollen. Welche politischen Konsequenzen aus dem Monitoring gezogen werden, bleibt abzuwarten.
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