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Bürgerschaftswahl Hamburg: Tschentscher - die SPD und das Peter-Problem


Nach der Wahl in Hamburg
Die SPD hat nun ein Peter-Problem

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier, Hamburg

Aktualisiert am 24.02.2020Lesedauer: 4 Min.
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Peter Tschentscher: Der SPD-Politiker kann Erster Bürgermeister in Hamburg bleiben.Vergrößern des Bildes
Peter Tschentscher: Der SPD-Politiker kann Erster Bürgermeister in Hamburg bleiben. (Quelle: Christian Mang/Reuters-bilder)

Die SPD gewinnt die Wahl in Hamburg deutlich. Peter Tschentscher kann weiterregieren. Bleibt in der Hansestadt also alles beim Alten?

Der neue starke Mann der SPD hält sich an seinem Mikrofon fest und lächelt fast etwas schüchtern. "Peter, Peter, Peter!", rufen ihm Hunderte Genossen in der Markthalle zu, wo die SPD Hamburg ihre Wahlparty feiert. Und eine Party ist es geworden. "Was für ein großartiger Abend", sagt Peter Tschentscher auf der Bühne. Viel euphorischer wird es nicht mehr. Das Triumphieren überlässt der Mann, der für die SPD gerade deutlich über 35 Prozent geholt hat, lieber anderen.

Der alte Erste Bürgermeister wird auch der neue Erste Bürgermeister sein. So viel ist klar an diesem Wahlabend in Hamburg. Peter Tschentscher hat die SPD zu einer Stärke geführt, die ihr viele nicht mehr zugetraut hatten, selbst in Hamburg, in einer der letzten sozialdemokratischen Hochburgen. Was dieser Erfolg für die SPD im Rest von Deutschland bedeutet, ist hingegen sehr viel weniger klar. Er könnte noch zum Problem werden.

"Grüner wird's nicht"

Peter Tschentscher hat einen klugen Wahlkampf geführt. Er hat sich als Macher inszeniert, der die Stadt voranbringt, im Gegensatz zu den Grünen, die nach seinen Worten vor allem Versprechungen machten. Das ist natürlich recht schräg, weil die Grünen seit 2015 mitregieren, also mitmachen. Aber es ruft ein noch immer verbreitetes Vorurteil über die Partei wach. Offenbar mit Erfolg.

Tschentscher hat den Grünen zudem in bester Merkel-Manier alle wichtigen Themen streitig gemacht. "Grüner wird's nicht" als mit der SPD, verkündete er, was sich einerseits als Versprechen für eine ambitionierte Klimapolitik lesen lässt, aber eben auch als Versprechen, es mit all dem Grün nicht zu übertreiben. Je nach Publikum.

Katharina Fegebank hatte im Wahlkampf deshalb immer dann Probleme, wenn sie erklären musste, was sie denn eigentlich konkret anders machen würde als Erste Bürgermeisterin. Beim Klima habe die SPD in der Vergangenheit gebremst, sagte sie dann etwa, nur um kurze Zeit später nachzuschieben, dass das mit der SPD ausgearbeitete Hamburger Klimaschutzgesetz ein großer Erfolg sei.

Homöopathische Unterschiede

Weniger Autos in der Innenstadt wollen beide, einen günstigeren öffentlichen Nahverkehr und günstigere Mieten ebenso. Manchmal unterscheiden sich immerhin die Wege dorthin etwas, zum Teil werfen die Grünen der SPD aber auch vor, exakt ihre Ideen kopiert zu haben. Für viele Wähler dürften die homöopathischen Unterschiede zu wenig gewesen sein, um ihre Wahl nachhaltig zu entscheiden.

Und bei geringen inhaltlichen Unterschieden kommt es auf die Person und die Partei an. Die SPD ist in Hamburg tief verwurzelt, stellte nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als 60 Jahre lang den Regierungschef. Da weiß man, was man hat, und kennt mindestens einen, der einen kennt.

Tschentscher selbst ist beliebter als Fegebank, und führt auch in Umfragen zur Sachkompetenz bei den wichtigen Themen Wohnen, Verkehr und Bildung jeweils deutlich. Einzig beim Klima liegt Fegebank vorne. Das ist nicht ungewöhnlich für einen Regierungschef, dem die Erfolge der Politik automatisch stärker zugerechnet werden als dem Koalitionspartner. Aber in dieser Situation eben umso wichtiger.

Fegebank tanzt trotzdem

Und so können die Grünen in Hamburg ihr Ergebnis im Gegensatz zur vorigen Wahl zwar verdoppeln. Ein "historisches Ergebnis", wie Fegebank betont. Auf der Grünen-Wahlparty macht sie gar ein Freudentänzchen auf der Bühne. Um Erste Bürgermeisterin zu werden, reicht es für sie aber nicht, auch weil ihre zweite Option neben Grün-Rot definitiv nicht funktioniert: eine Kenia-Koalition mit CDU und FDP. Beide haben nach dem Chaos von Thüringen noch schwächer abgeschnitten, als die ohnehin schon schwachen Umfragen zuvor vielfach vorhergesagt hatten.

Bleibt also alles beim Alten in Hamburg? Rot-Grün regiert? Das sei "sehr, sehr naheliegend", sagt die SPD-Landeschefin und Sozialsenatorin Melanie Leonhard im Getümmel der Wahlparty zu t-online.de. Man werde zuerst mit den Grünen sprechen. Für Gespräche mit der CDU ist die SPD aber ebenso offen. Das ist die Sprachregelung der führenden Sozialdemokraten in Hamburg, die so oder so ähnlich an diesem Abend immer wieder zu hören ist.

Die CDU-Option ist dabei für die SPD vor allem ein Druckmittel in den Verhandlungen mit den Grünen. Denn trotz allen Jubels ist die Lage für die Sozialdemokraten deutlich schwieriger als noch vor fünf Jahren. Die SPD ist zugleich die Partei mit dem besten Ergebnis und den größten Verlusten. Bei der letzten Wahl im Jahr 2015 bekam die SPD noch mehr als 45 Prozent, damals mit Olaf Scholz an der Spitze.

Die Grünen sind hingegen wesentlich stärker geworden – und werden "sehr selbstbewusst" in die Koalitionsverhandlungen gehen, wie Katharina Fegebank noch am Abend ankündigte. Was soviel heißt wie: mehr grüne Themen und mehr Posten in der Regierung. Da hilft es der SPD, im Zweifel noch ein Ass im Ärmel zu haben.

Unangenehme Debatte

Während die SPD in Hamburg feiert, könnte auf die Bundes-SPD die nächste unangenehme Debatte zukommen. Für die neuen SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ist das Ergebnis eine gute und eine ziemlich schlechte Nachricht zugleich. Der Erfolg ist einerseits fundamental wichtig für die taumelnde SPD. Alles andere wäre eine Katastrophe gewesen, die die Hamburger Genossen wohl großteils der Bundesspitze zugeschrieben hätten. Ob das nun gerechtfertigt gewesen wäre oder nicht.

Umgekehrt ist der Erfolg nun aber nicht automatisch ein Erfolg der Bundes-SPD. Esken und Walter-Borjans werden Probleme haben, ihn für sich zu beanspruchen. Peter Tschentscher hatte sich klar von ihnen abgesetzt. Hamburg sei Hamburg und die Hamburger SPD die Hamburger SPD. Im Wahlkampf ließ er die neuen SPD-Chefs kein einziges Mal auftreten.

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Auch am Wahlabend betonte Tschentscher nochmal, dass er gegen den schlechten Bundestrend habe anarbeiten müssen, gegen das "schwierige Jahr 2019" für die SPD, in der die große Koalition mehrmals auf der Kippe stand und Andrea Nahles zurücktrat.

Tschentscher hat die Wahl trotz der Bundes-SPD gewonnen. Er setzt auf eine pragmatische, wirtschaftsfreundliche SPD-Politik, die auch den Hafenunternehmer anspricht, während die SPD-Spitze gerade vor allem den Hafenarbeiter im Blick hat. Sein Erfolg ist ein willkommenes Argument für jene in der Bundes-SPD, denen der Kurs von Esken und Walter-Borjans immer schon zu links war und die sich Olaf Scholz an der Spitze gewünscht hätten. Der Richtungsstreit wird also weitergehen. Vielleicht schon am Montag. Da ist Peter Tschentscher im Berliner Willy-Brandt-Haus und lässt sich feiern.

Ausgerechnet von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.

Verwendete Quellen
  • Gespräche und Beobachtungen in Hamburg
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