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Corona in Sachsen – Bestatter sind an der Belastungsgrenze


Dramatische Corona-Lage
Bestatter in Sachsen: "Hart an der Grenze hygienischer Vorschriften"

  • Marianne Max
Von Marianne Max

Aktualisiert am 23.12.2020Lesedauer: 3 Min.
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Särge im Krematorium Meißen: Mehrere Krematorien geraten in Sachsen an ihre Kapazitätsgrenzen.Vergrößern des Bildes
Särge im Krematorium Meißen: Mehrere Krematorien geraten in Sachsen an ihre Kapazitätsgrenzen. (Quelle: Robert Michael/dpa-bilder)

Corona ist außer Kontrolle, die Todeszahlen in Sachsen steigen. Immer mehr Krematorien gelangen an ihre Kapazitätsgrenzen. Bestatter berichten von belastenden Zuständen.

Die Corona-Lage in den Hotspot-Regionen Sachsens hat sich dramatisch zugespitzt. Das zeigen nicht nur hohe Infektionszahlen und voll belegte Krankenhäuser, sondern auch die Todeszahlen. Schon 2.409 Menschen sind in dem Freistaat an oder mit dem Coronavirus verstorben. Im November starben insgesamt 50 Prozent mehr Menschen als im November des Vorjahres.

Deshalb stoßen Krematorien und Bestatter nun an ihr Limit. "Da sind die Kapazitätsgrenzen erreicht", sagte Innungsobermeister Tobias Wenzel der Deutschen Presse-Agentur. Im ostsächsischen Zittau, aber auch im südwestlichen Teil des Landes, in Zwickau, müssen die Leichen bereits in einer Halle außerhalb des Krematoriums zwischengelagert werden.

Doppelt so viele Verstorbene wie sonst üblich

Auch in der Landeshauptstadt Dresden droht ein solches Szenario. Wie Bürgermeisterin Eva Jähnigen t-online bestätigte, haben sich die Anlieferungen an das Krematorium Tolkewitz durch Bestatter der Stadt und aus den umliegenden Landkreisen auf mehr als 100 Verstorbene täglich erhöht. Das seien etwa doppelt so viele wie sonst üblich. Es könnte auch dieses Krematorium zeitnah an seine Kapazitätsgrenze bringen.

Jähnigen fürchtet: "Durch die hohe Übersterblichkeit in Sachsen und die schwierige pandemische Situation müssen wir derzeit davon ausgehen, dass die tägliche Zahl der Verstorbenen leider noch bis in den Januar hinein zunehmen wird." Die Stadt Dresden prüfe daher auch alternative Lagerungsmöglichkeiten – beispielsweise in Hallen und Räumen unweit des Krematoriums. Wichtigste Bedingung: Die vorgeschriebene Temperatur von unter 10 Grad muss gegeben sein.

Der Platz ist knapp – die Särge stapeln sich

"Hart an der Grenze hygienischer Vorschriften", nennt das Bestatter Benjamin Wolf im Gespräch mit t-online. Er ist Inhaber des Bestattungsinstituts Muschter mit drei Filialen unweit der Landeshauptstadt. Dort erlebt er die dramatische Situation mit. Als Unternehmen mit einem eigenen Kühlraum ist er von der Stadt dazu angehalten, zunächst seine eigenen Kapazitäten zu nutzen. Doch die reichen nicht mehr.

"Die hohe Auslastung in Dresden hat uns bewegt, ein anderes Krematorium zu beauftragen – das ist in Sachsen aber nahezu aussichtslos", berichtet Wolf. Auch heute ist er wieder auf dem Weg, um Krematorien im angrenzenden Sachsen-Anhalt zu finden, die noch Platz haben. Doch es wird schwierig, "auch dort kommen sie an ihre Belastungsgrenze", sagt Wolf.

Der fehlende Platz verlangt Notlösungen, die den Bestatter sehr belasten. "Ich selbst war in Situationen, die nur schwierig moralisch vertretbar waren. So habe auch ich Särge übereinander stapeln müssen", räumt Wolf ein. Eine Übergangslösung, die er nur schwer ertragen kann. Auch deshalb arbeitet er derzeit rund um die Uhr. "Ich habe von Montag früh 7 Uhr bis Dienstag 21 Uhr durchgehend gearbeitet – ich war einfach am Ende", erzählt er. Dennoch macht er weiter. "Wir dürfen nicht vergessen, dass das Menschen sind, die Familie haben", sagt er. Und für die will er auch weiterhin da sein.

"Ich könnte einfach nur noch heulen"

Für Corona-Leugner hat Wolf kein Verständnis und dennoch ist er in seinem Beruf immer wieder mit ihnen konfrontiert. "Wenn mir ein Angehöriger eines Menschen, der an oder mit Corona gestorben ist, sagt, er glaube daran sowieso nicht, dann könnte ich einfach nur noch heulen", gesteht Wolf ratlos. Die Zahlen seien klar. Die Übersterblichkeit – vor allem in Sachsen – ist dramatisch.

Auch in anderen Teilen Deutschlands berichten Bestatter von schwierigen Situationen. Dr. Julian Heigel, Inhaber des Bestattungshauses "Thanatos" in Berlin, sieht eine besondere emotionale Belastung für die Angehörigen der Corona-Verstorbenen. "Wir haben das Problem, dass Angehörige sich nicht angemessen von ihren Lieben verabschieden können. Oft wartet die Familie noch auf ein Testergebnis. In einigen Fällen ist auch der Ehepartner selbst mit dem Coronavirus infiziert oder liegt vielleicht sogar im Krankenhaus."

"Das große Problem sind nun die Feiertage, davor haben alle Angst"

Ein weiterer Bestatter, der anonym bleiben möchte, kritisiert im Gespräch mit t-online teils unhygienische Zustände in Kliniken. In einem sächsischen Krankenhaus würden Leichen in einem stillgelegten Trakt gelagert. Unhygienisch und eine Gefahr für Personal und Bestatter, bemängelt er. Deshalb brauche Sachsen schnellstmöglich eine Verordnung zum Umgang mit infektiösen Verstorbenen, wie es sie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg bereits gibt.

Hoffnung gibt es in der Branche derzeit nur wenig. Sachsens Innungsobermeister der Bestatter, Tobias Wenzel, fürchtet gar, dass die Lage noch schlimmer wird. "Das große Problem sind nun die Feiertage, davor haben alle Angst", sagte er. Und er wirft der Politik Versagen vor. "Man hätte die Heime besser schützen müssen. Was wir jetzt an Sterbefällen haben, stammt vor allem aus den Pflegeheimen."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Bestatter Benjamin Wolf, Dr. Julian Heigel und weitere
  • Stellungname der Bürgermeisterin von Dresden Eva Jähnigen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherchen
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