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Erstarkte SPD, geschwächte CDU: Die übersehene Sensation


Erstarkte SPD, geschwächte CDU
Die übersehene Sensation

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 04.04.2022Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Kevin Kühnert und Olaf Scholz: Es hat Jahrzehnte gedauert, aber die SPD hat ihren innerparteilichen Graben zugeschüttet, schreibt Christoph Schwennicke.Vergrößern des Bildes
Kevin Kühnert und Olaf Scholz: Es hat Jahrzehnte gedauert, aber die SPD hat ihren innerparteilichen Graben zugeschüttet, schreibt Christoph Schwennicke. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa-bilder)

Mit politischen Gewissheiten sollte man vorsichtig sein. Doch es zeichnet sich ab: Die Sozialdemokraten sind wieder erstarkt. Der CDU steht hingegen eine ungewisse Zukunft bevor.

Der Krieg in der Ukraine absorbiert im Moment alle Aufmerksamkeit und überlagert auch Begebenheiten, die zu normalen Zeiten ordentlich Beachtung fänden.

Zum Beispiel die atemberaubenden Verfehlungen und Versäumnisse der Bundesfamilienministerin Anne Spiegel, die ein Untersuchungsausschuss in Rheinland-Pfalz über die damals zuständige Landesministerin und deren Handeln (oder Nichthandeln) in der tödlichen Flutkatastrophe des Ahrtales zutage fördert. Das akute und mitleiderregende Aufmerksamkeitsdefizit, gegen das Gesundheitsminister Karl Lauterbach verzweifelt und vergeblich ankämpft, seit Corona vom Krieg auf die hinteren Plätze verdrängt wurde.

Und der spektakuläre Ausgang der Saarlandwahl vor gut einer Woche, bei der viel mehr passiert ist, als dass künftig Anke Rehlinger von der SPD das kleine Bundesland an der Grenze zu Frankreich als neue Ministerpräsidentin ohne die Notwendigkeit eines Koalitionspartners regieren wird.

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Im Schatten des Krieges hat sich an der Saar eine kleine Sensation ereignet. Nicht bloß, dass die alten Verhältnisse der Hegemonie der beiden Volksparteien zurückgekehrt sind, die die Sache unter sich ausmachen. Die meisten politischen Beobachter hatten diese Ära des politischen Betriebs für final beendet erklärt. Das komme nie mehr zurück, behaupteten sie mit festem Blick und voller Selbstgewissheit. Mit solchen politischen Gewissheiten sollten man einfach vorsichtig sein. Sie fallen gerade überall. Es galt auch als ausgemacht, dass Deutschland und Europa nie wieder eine Gefahr aus dem Osten drohe.

Der einzige echte Sieg eines Herausforderers

Die Wahl markiert zusammen mit der Bundestagswahl vor einem halben Jahr darüber hinaus das Ende einer jahrzehntelangen Entbehrung und Auszehrung, die die SPD zu überstehen hatte. Es kommt nicht von ungefähr, dass dieser Endpunkt des politischen Siechtums der Sozialdemokratie in einem Bundesland gesetzt wird, das sich mit dem Namen und dem spitznasigen Konterfei eines Mannes verbindet, den sie dort alle nur "de Oskar" nennen.

Oskar Lafontaine, 78 Jahre alt, ist eine der faszinierendsten und zugleich tragischsten Figuren der politischen Nachkriegsgeschichte. Nur wenige deutsche Politiker haben in den vergangenen Jahrzehnten mit seinen Gaben an politischem Instinkt mithalten können. Und keiner ist dabei zugleich immer wieder so furios an sich selbst gescheitert. Weil sein Ego und seine Sturheit stets noch größer waren als seine politischen Fertigkeiten. So verlischt seine politische Karriere ähnlich erbärmlich wie zeitgleich jene desjenigen, dem er den Weg ins Kanzleramt gebahnt hatte. Zum Schluss hat er noch seine zweite Partei, die er sich selbst gebastelt hatte, ins Verderben gestürzt.

Lafontaine hat für die SPD den Wahlsieg 1998 vorbereitet und Gerhard Schröders Kanzlerschaft nach 16 Jahren Kohl möglich gemacht. Es war der erste und bis heute einzige echte Wahlsieg eines Herausforderers bei einer Bundestagswahl gegen einen Amtsinhaber.

Schon kurz danach aber begann das lange Scheitern des Oskar Lafontaine, das sich über 20 Jahre hinzog. Erst stürzte er die SPD in eine existenzielle Krise, als er das Zweckbündnis mit Schröder in der Regierung aufkündigte und aus Regierung und Parteivorsitz floh. Dann baute er mit der Linkspartei eine Konkurrenzpartei auf, mit der er die einstigen Genossen dauerhaft schwächen wollte.

Die linksgrünste Kanzlerin aller Zeiten

Die Rache des Oskar L. hat die SPD quälend lange Jahre geschwächt. Sie litt am Schisma, das Lafontaine durch seinen Bruch mit Schröder offensichtlich machte. Alle Treue- und Einigkeitsbeteuerungen der beiden erwiesen sich mit einem Schlag als vorgegaukelte Illusion. Der Satz, es passe kein Blatt zwischen zwei Personen (das hatten die beiden immer behauptet) ist seither im politischen Sprachgebrauch ironisch konnotiert.

Es dauerte bis zum Pakt der Vernunft von Kevin Kühnert und Olaf Scholz, bis dieser Riss, bis dieser große Graben, in den ein halbes Dutzend Parteivorsitzende und mehre Kanzlerkandidaten gefallen waren, wieder zugeschüttet war.

Auf der Endmoräne dieser Phase steht nun eine erstarkte und konsolidierte SPD. Und eine CDU, die in eine ähnlich ungewisse Zeit schaut wie seinerzeit die SPD nach dem Ende der Kanzlerschaft Gerhard Schröders. Schröder hatte als Genosse der Bosse seine SPD unglücklich regiert, und das hat Angela Merkel, die linksgrünste Kanzlerin aller Zeiten, ihre CDU auch. Einige Parteivorsitzende hat der Graben, der sich da in der CDU in der Folge aufgetan hat, auch schon verschlungen. Friedrich Merz ist der erste Merkel-Nachfolger, dem ein Wiederaufbau der CDU gelingen kann.

Der Nackenschlag aus dem Saarland mag ihm ein erster Hinweis darauf sein, dass sein Weg zurück an die Macht ähnlich lang und beschwerlich sein wird, wie ihn die SPD nach nunmehr über 20 Jahren vor zehn Tagen hinter sich gebracht hat.

Hier finden Sie alle Kolumnen von Christoph Schwennicke.

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