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HomePolitikChristoph Schwennicke: Einspruch!

Wagenknecht sucht Kontakt zur AfD: Verzweiflung oder Strategie?


Wagenknecht, das BSW und die AfD
Es ist nur noch eine Frage der Zeit

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

10.07.2025 - 03:50 UhrLesedauer: 3 Min.
Sahra Wagenknecht, Ende Juni in Berlin.Vergrößern des Bildes
Sahra Wagenknecht, Ende Juni in Berlin. (Quelle: IMAGO/M. Popow)
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Sahra Wagenknecht macht mit ihrem Bündnis neuerdings der AfD Avancen. Diese Volte gehorcht einem Kalkül, das zum Scheitern verurteilt ist.

Die Mistel ist eine mystische Pflanze, die bei mir seit Kindertagen positiv besetzt ist. Miraculix, der Druide der rebellischen Gallier, schneidet sie im Comic mit seiner goldenen Sichel aus den Bäumen und braut daraus den Zaubertrank, der Asterix und Obelix und alle Bewohner des berühmten Dorfes in Aremorica unbesiegbar macht.

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Zauberkräfte wünscht sich zurzeit auch Sahra Wagenknecht, die Parteichefin des Bündnisses, das ihren Namen trägt. Das BSW ist wie die FDP bei der Bundestagswahl an der Fünfprozenthürde gescheitert und mickert seither um die vier Prozent im dunklen und muffigen Umfragekeller vor sich hin. Um das zu ändern, verteufelt Wagenknecht die Regierungsbündnisse, die ihre Parteifreunde in Brandenburg und Thüringen gegen ihren erbitterten Widerstand eingegangen sind.

Christoph Schwennicke
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Christoph Schwennicke ist Politikchef von t-online. Seit 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die "Süddeutsche Zeitung", den "Spiegel" und das Politmagazin "Cicero", dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war. Bei t-online erscheint jeden Donnerstag seine Kolumne "Einspruch!".

Ihre These dabei: Regieren ist schlecht für das BSW, das sich tatsächlich wohl mehr aufs Besserwissen als aufs Bessermachen versteht. Doch nicht nur das: Sie sucht auch den direkten Kontakt zur AfD, der anderen, ungleich potenteren Populistenpartei in Deutschland. Erst schickte sie einen Emissär, den Thüringer Fraktionschef Frank Augsten, zum Hardliner Björn Höcke, um ein bisschen "Bonding" zu betreiben, wie das der Psychologe nennt. Danach verkündete sie, dass sie selbst auch sehr gerne Kontakt zur Parteispitze, also zu Alice Weidel und Tino Chrupalla, aufnehmen würde, mit dem Ziel engerer Kooperation.

Damit möchte Sahra Wagenknecht die Mistel im Baum der Alice Weidel werden. Wichtig zu wissen: Bei der Mistel handelt es sich nicht, wie der französische Comic nahelegt, um eine edle Pflanze. Sie ist vielmehr ein übler Schmarotzer, der sich in den Kronen der unfreiwilligen Wirtsbäume von deren Saft ernährt.

Die plötzliche Wende der Sahra Wagenknecht

Machtpolitisch ist das eine nachvollziehbare Volte von Frau Wagenknecht, die Alice Weidel im Wahlkampf in einem TV-Duell noch erbittert attackierte (und ihr dabei rhetorisch auch überlegen war). "If you cant beat them, join them", heißt ein guter Rat aus dem inoffiziellen Lehrbuch der Macht, den Wagenknecht da gerade umzusetzen versucht: Wenn du sie nicht besiegen kannst, dann schließe dich ihnen an.

Tatsächlich aber offenbart diese Ranschmeiße an die AfD nur die nackte Not, in der sich das Bündnis Wagenknecht befindet. So schnell, wie es aufgetaucht ist, droht es auch wieder zu verschwinden – weil es im Unterschied zur AfD keinen echten Markenkern hat, sondern nur eine glamouröse und wortgewaltige Galionsfigur. Als solche entfaltet sie aber keine Wirkung mehr, wenn sie wegen der Bedeutungslosigkeit ihrer Partei keiner mehr in die Talkshows einlädt. Sie erinnert, der Schlenker sei erlaubt, an den scheinbar feurigen Rappen, den sich Asterix und Obelix bei einem Pferdehändler für ihre Tour de France kaufen – und der sich nach dem ersten Regenguss als grauweiße, lahmende Schindmähre erweist. "Ein sehr schönes Pferd, nur sehr langsam", stellt Obelix noch fest, bevor die Farbe abgewaschen ist vom Gaul. Das ist in etwa auch der aktuelle Zustand der Sahra Wagenknecht und ihres BSW. Der Lack ist ab.

Die AfD ihrerseits reagiert geschickt auf die Huckepackversuche der verzweifelten Konkurrentin. Chrupalla und Weidel bekunden grundsätzliche Redebereitschaft ohne jede Verbindlichkeit. Elastisch und freundlich lassen sie Wagenknecht ins Leere laufen.

Das wird keine Hochzeit im Populistenhimmel

Dabei beherzigen sie, ob bewusst oder unbewusst, zwei Prinzipien, die als Gegenmittel gegen Umarmungsversuche gelten. Das erste: "If they try to co-opt you, become uncooptable." Zu Deutsch etwa: Wenn jemand versucht, dich zu umarmen, dann zeige deine ganze Unabhängigkeit. Denn wer unabhängig ist, kann nicht einfach umarmt werden, entzieht sich diesem Zugriff.

Genau das vermittelt die AfD-Spitze in Reaktion auf die Avancen des BSW. Sie haben bei diesem politischen Hufeisen nichts zu gewinnen, das die aus dem linken Spektrum kommende Wagenknecht zusammen mit der klar rechten AfD bilden möchte. Auch den zweiten Lehrsatz, der auf den "Fürsten" des Niccolò Machiavelli zurückgeht, beherzigen Weidel und Chrupalla: "Keep your enemies close, but never let them dictate your terms." Lass symbolische Nähe zu deinen politischen Konkurrenten zu, aber meide jede konkrete Kooperation.

Es wird daher keine Populistenhochzeit geben in Deutschland. Vielmehr wird es das BSW weiter zerreißen: Zwischen Regierungsverantwortung auf der einen Seite – und Wagenknecht und den ihren auf der anderen, die unter keinen Umständen regieren wollen. Sie sind der vermutlich zutreffenden Ansicht, dass sie beim Regieren ihren Reiz als verantwortungsfreie Radikalopposition bei den Systemgegnern verlieren würden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich das BSW erledigt hat.

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Wie finden Sie eine Annäherung von AfD und BSW? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de. Bitte nutzen Sie den Betreff "AfD/BSW" und begründen Sie.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen, Asterix-Lektüre
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