Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Milliarden-Entlastungen für Firmen SPD-Länder erhöhen Druck auf Merz und Klingbeil

Die Bundesregierung will die Wirtschaft ankurbeln und verspricht Firmen milliardenschwere Entlastungen. Länder und Kommunen schlagen Alarm – denn es drohen massive Steuerausfälle.
Die Kritik von Ländern und Kommunen am Entlastungspaket von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) wird lauter – auch in SPD-regierten Bundesländern. Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) nannte das Vorhaben, durch "massive Investitionen" den wirtschaftlichen Motor Deutschlands wieder ins Laufen zu bringen, zwar "richtig und wichtig".
Doch warnte sie zugleich vor der "teilweise dramatischen Haushaltslage vieler Länder und Kommunen". Die Einnahmeausfälle, die durch das Entlastungspaket zu erwarten seien, könnten nicht einfach durchgewunken werden, so Rehlinger zu t-online.
Laut Klingbeils Gesetzentwurf plant die Bundesregierung unter anderem die Einführung eines "Investitionsboosters": Dabei sollen Unternehmen neue Ausrüstungsgüter in den nächsten drei Jahren jeweils mit maximal 30 Prozent von der Steuer absetzen können ("Superabschreibungen"). Die Entlastung in den Betrieben soll, so die Hoffnung der schwarz-roten Koalitionäre, zu mehr Investitionen und Wachstum führen (hier erfahren Sie mehr über das Entlastungspaket).
Auch SPD-Länder schlagen Alarm
Doch der Preis ist hoch: Bis 2029 fehlen Bund, Ländern und Gemeinden durch die zu erwartenden Steuerausfälle insgesamt rund 46 Milliarden Euro. Vor allem die geplanten "Superabschreibungen" für Firmen belasten die Kassen von Ländern und Kommunen überdurchschnittlich. Zwar sieht der Koalitionsvertrag von Union und SPD vor, dass der Bund die Mehrkosten übernimmt, die Ländern und Kommunen durch Bundesgesetze entstehen. (Konnexitätsprinzip – so steht es im Koalitionsvertrag). Doch sind Zweifel vorhanden, ob das auch so eintritt.
Saarlands Regierungschefin Rehlinger warnt daher: "Die Investitionsmilliarden verpuffen einfach, wenn Ländern und Kommunen in ihren Kernhaushalten die Einnahmen wegfallen." Mit Blick auf die am Donnerstagmorgen stattfindende Ministerpräsidentenkonferenz, bei der das Steuerpaket Top-Thema sein wird, erhöhte die amtierende Bundesratspräsidentin den Druck auf den Bund: "Das wird noch Kompromissbereitschaft erfordern", so Rehlinger an die Adresse der Bundesregierung gerichtet.
Schweitzer: "Wer bestellt, muss auch bezahlen"
Rehlinger ist mit ihrer Kritik nicht allein. Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) fordert die Bundesregierung zu Nachbesserungen auf. Zwar könne das Gesetz eine "große Chance" für Deutschland sein und er sei "dankbar" für die Geschwindigkeit, mit der Klingbeil vorgehe. "Dennoch müssen die Länder bei der inhaltlichen Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen einbezogen werden, denn die meisten Bundesprogramme werden am Ende in den Ländern und Kommunen umgesetzt", sagt Schweitzer t-online.
Der SPD-Politiker, der sich Ende Juni beim SPD-Parteitag als stellvertretender Parteivorsitzender bewirbt, fordert Klingbeil und die Bundesregierung auf, für die geplanten Steuerentlastungen einen "Mehrbelastungsausgleich" einzuführen – "nach dem Motto: Wer bestellt, muss auch bezahlen." Die Steuerentlastungen gingen mehrheitlich zu Lasten der Länder und Kommunen. "Hierfür brauchen wir einen Ausgleich", so Schweitzer.
Schweitzer gibt seinem SPD-Kollegen Klingbeil noch einen weiteren Hinweis: Es sei "unerlässlich", dass die Länder vom 500 Milliarden schweren Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes sowie vom Klima- und Transformationsfonds (KTF) profitierten. Klingbeil ist als Finanzminister für das sogenannte "Errichtungsgesetz" zuständig, das das Sondervermögen aufsetzt und festlegt, in welche Projekte das Geld fließt. Klingbeil will es noch vor dem Sommer auf den Weg bringen.
"Der Bund gibt Gas und Länder und Kommunen müssen bremsen"
Auch im SPD-regierten Mecklenburg-Vorpommern wächst die Befürchtung, die Milliardenentlastungen für Firmen könnten weitere Löcher in die klammen Kassen reißen.
Landesfinanzminister Heiko Geue (SPD) sagt t-online, zwar begrüße er den Wachstumsbooster grundsätzlich. Doch sei die Finanzierung in einer "Schieflage": "Länder und Kommunen können nicht zwei Drittel der geplanten Entlastung mitfinanzieren." Geue mahnt: Landeshaushalte und kommunale Haushalte befänden sich "an ihrer Belastungsgrenze".
Insbesondere für die Kommunen müsse der Bund ein Kommunalpaket schnüren, um die Belastungen auszugleichen. Geschehe dies nicht, entstünde folgendes Szenario: "Der Bund gibt Gas und Länder und Kommunen müssen bremsen, bei Schulen, Kitas, im Nahverkehr oder anderen Bereichen", warnt Geue.
Den Einwand, den etwa SPD-Fraktionschef Matthias Miersch vor wenigen Tagen formulierte, dass die Länder als Ausgleich Milliardensummen aus einem Sondervermögen erhalten, weist Geue zurück. "Wer jetzt sagt, dass Länder und Kommunen die 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur zum Belastungsausgleich verwenden sollen, verkennt, dass die hiermit finanzierten Investitionen dafür vorgesehen sind, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, statt es durch die Notwendigkeit der Mitfinanzierung des Wachstumsboosters wieder auszubremsen."
Kommunen: Sieben Milliarden Verlust durch Entlastungspaket
Auch die Kommunen warnen vor einer Verschlimmerung der Kassenlage. Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, nennt Klingbeils Steuerentlastung zwar den "richtigen Ansatz", um die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Doch müsse die Bundesregierung dafür auch geradestehen: "Wenn der Bund Steuererleichterungen auf den Weg bringt, müssen die Einnahmeausfälle der Kommunen komplett ausgeglichen werden", fordert er im Gespräch mit t-online.
Dedy, der auch SPD-Mitglied ist, rechnet vor: "Durch den Investitionsbooster würden den Kommunen allein in den Jahren 2025 bis 2027 fast sieben Milliarden Euro verloren gehen." Da bliebe "praktisch kein Geld" mehr für kommunale Investitionen. Wenn die Städte aber nicht mehr investieren könnten, erweise die Bundesregierung auch der Wirtschaft "einen Bärendienst".
"Wichtige Einnahmen drohen wegzubrechen"
Denn die Investitionen der Kommunen flössen zu einem großen Teil direkt an die heimische Wirtschaft. "Diese wichtigen Einnahmen für viele Betriebe und Unternehmen drohen wegzubrechen", warnt er. Auch deshalb müsse der Bund sicherstellen, dass die Kommunen nicht weniger, sondern mehr Geld für Investitionen vor Ort haben.
Doch es gibt auch Lob von der kommunalen Ebene: Thomas Jung (SPD), Oberbürgermeister von Fürth, sagt t-online, das Steuerpaket berge für die Kommunen "Chancen und Risiken zugleich": Kurzfristig seien Einnahmeausfälle nicht abzuwenden, aber es bestehe die große Chance, dass die Wirtschaft in Schwung komme und dann auch Steuern in die kommunalen Kassen fließen. "Ich sehe es sogar als alternativlos an, denn nur mit Wachstum können die Finanzen aller staatlichen Ebenen wieder gesund werden", so Jung.
- Gespräch mit Anke Rehlinger
- Gespräch mit Alexander Schweitzer
- Gespräch mit Heiko Geue
- Gespräch mit Helmut Dedy
- Gespräch mit Thomas Jung