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Oskar Lafontaines Rückzug: Der große Gescheiterte


Oskar Lafontaines Rückzug
Der große Gescheiterte

  • Gerhad Spörl
MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

17.03.2022Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Oskar Lafontaine im Jahr 2011: Die Lichtgestalt der Linken hatte sich schon vor Jahren von seiner Partei entfremdet.Vergrößern des Bildes
Oskar Lafontaine im Jahr 2011: Die Lichtgestalt der Linken hatte sich schon vor Jahren von seiner Partei entfremdet. (Quelle: Becker&Bredel/imago-images-bilder)

Begabt, irrlichternd, Liebling der Linken: All das war Oskar Lafontaine einmal, lang ist's her. Erst verließ er die SPD, und das war wirklich ein Verlust. Dass er mit 77 aus der Linken austritt, tut niemandem weh, außer ihm.

Oskar Lafontaine ist der große Gescheiterte der deutschen Politik. Er wollte viel, war ungemein begabt, ein guter Redner, ein Menschenfänger in seinen besten Zeiten. Mit einer einzigen Rede fegte er einen Vorsitzenden hinweg, das war Rudolf Scharping, an den sich nur noch die Älteren unter uns erinnern, mühsam. Mit seinem Mangel an Begeisterung für die Wiedervereinigung war Lafontaine ein Solitär unter den führenden Sozialdemokraten und entzweite sich deshalb mit Willy Brandt, seinem Vorbild und Mentor.

Natürlich ist Lafontaine auch eine tragische Figur, weil eine geistig verwirrte Frau ihm ein Messer in den Hals rammte, das war am 25. April 1990. Er gönnte sich keine längere Rekonvaleszenz, sondern stieg bald wieder ins Geschäft ein. Dass er fortan noch misstrauischer gegenüber Menschen war, die es gut mit ihm meinten, dass er sich nicht nur innerlich, sondern äußerlich isolierte, hängt vermutlich mit der geringen Ruhezeit nach dem Attentat zusammen.

Es ist seltsam, dass zwei herausragende Figuren deutscher Politik kurz hintereinander Opfer von Attentaten in der wilden Zeit rund um die Wiedervereinigung wurden, erst Lafontaine und dann am 12. Oktober 1990 Wolfgang Schäuble. So verschieden diese beiden politisch und kulturell auch waren, so gut verstanden sie sich als Schicksalsgenossen. Miteinander konnten sie offen reden, vielleicht haben sie sich sogar wechselseitig ein bisschen therapiert. Beide machten so schnell wie möglich wieder weiter mit der Politik, eigentlich vom Krankenbett aus. Beide kamen trotz der schrecklichen Zäsur in die Nähe des Kanzleramtes, das sie sich trotz alledem zutrauten, und scheiterten dann an einem Größeren.

Ein Rechthaber ist er immer gewesen

Lafontaine scheiterte an Gerhard Schröder, den er nicht ganz ernst nahm, dem er sich überlegen fühlte. Lafontaine, nicht Schröder, war der Liebling der deutschen Linken in den Anfängen der Ökologiebewegung und auch der Medien, dem "Spiegel" vornweg. Auch deshalb bewunderte der Gerd den Oskar, von dem er sich einiges abschaute. Und dann schaltete der Gerd den Oskar aus. Der Gerd wurde Kanzler und der Oskar sein Finanzminister. Das hielt der Oskar nicht aus und schon gar nicht durch. Am 11. März 1999 schmiss er hin, zog sich ins Saarland zurück. Ein Schock, nicht nur für die Regierung, sondern für das ganze Land. Und das passierte der Sozialdemokratie, in der sich Größere wie Brandt/Schmidt/Wehner miteinander arrangiert hatten und Solidarität ein Leitbegriff war, eher zu viel gebraucht als zu wenig.

Für Lafontaine gilt der Satz: Die wenigsten Menschen scheitern an ihrer Intelligenz, sie scheitern an ihrem Charakter. Andere traten vor ihm aus politischen Gründen von ihren Ämtern zurück, zum Beispiel Willy Brandt. Lafontaine aber genießt bis heute das Privileg, dass er hinwarf und nicht mehr gesehen ward.

Von da an ging es mit ihm bergab. Ein Rechthaber war er immer gewesen und wurde es jetzt umso mehr. Die Linke war für ihn das Instrument, die SPD kleinzumachen, sie aus der Regierung zu hebeln und ihr irgendwann die Bedingungen fürs Regieren zu diktieren. Eine Zeit lang ging es ja auch gut. Die Linke wuchs, im Osten sowieso, aber auch im Westen. Rot-Rot-Grün schien sich zur Regierungsalternative auszuweiten. Was wäre das für ein Triumph gewesen! Was für eine Genugtuung hätte darin gelegen! Doch nichts ist daraus geworden.

Erst Tragödie, dann Farce

Die Geschichte, weiß man seit Marx, wiederholt sich zweimal: zuerst als Tragödie, dann als Farce. Die Tragödie war die Entfremdung von der SPD. Die Entfremdung von der Linken war nur noch eine Farce, erwartbar und nicht einmal für die Linke ein Schock. Immerhin hielt Lafontaine eine letzte Rede im saarländischen Landtag. Dort hatte er angefangen, dort hört er jetzt auf.

Der Oskar ist jetzt Privatier, im Alter von 77 Jahren. Seine Memoiren vermisst niemand, aber er wird sie schreiben, was soll er sonst machen. Der Gerd, fünf Monate älter, reist umher und versucht seinen Ruf zu retten, von dem nichts mehr zu retten ist. So gesehen ist der Oskar heute besser dran.

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