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Kommentar: Mäzene gesucht


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Mäzene gesucht

Ein Kommentar von Jörg Friedrich, The European

Aktualisiert am 23.09.2012Lesedauer: 3 Min.
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Her mit der Kohle: Mäzantentum kann die Gesellschaft auch mit ihren ReichenVergrößern des Bildes
Her mit der Kohle: Mäzantentum kann die Gesellschaft auch mit ihren Reichen versöhnen (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Reichtum verpflichtet, das ist klar. Wie Reiche sich beteiligen sollen, ist aber umstritten. Dabei gibt es einen recht einfachen Weg.

Das holländische Sinfonieorchester Orkest van het Oosten, hatte vor ein paar Monaten ein großes Konzert mit Chor angekündigt. Aus Kostengründen musste die Zusammenarbeit mit dem Chor jedoch eingestellt werden, der Chefdirigent Jan Willem de Vriend entschuldigte sich beim Publikum am Freitagabend mit den Worten, in diesen Zeiten seien so aufwendige Projekte leider nicht finanzierbar.

Im 80 Kilometer entfernten deutschen Münster wird zur gleichen Zeit und aus gleichen Gründen über die Schließung der Tanzsparte in den städtischen Bühnen diskutiert. Europaweit sinken die Finanzmittel der öffentlichen Hand, und deshalb muss an allem, was nicht unbedingt notwendig ist, gespart werden. Gleichzeitig wird – ebenfalls in dieser Woche – eine Statistik veröffentlicht, nach der die privaten Vermögen immer weiter steigen, vor allem die der oberen Einkommensgruppen, und zwar in weit höherem Maße, als die öffentliche Verschuldung zunimmt.

Die Reichen zur Kasse, aber wie?

Da ist es naheliegend, die Reichen zur Kasse zur bitten, um die Ausfälle der öffentlichen Haushalte zu kompensieren. Dass das notwendig ist, bestreitet inzwischen kaum noch jemand, selbst einige der Betroffenen erklären sich inzwischen öffentlichkeitswirksam bereit, einen spürbaren Beitrag zur Entschuldung des Staatshaushaltes zu leisten, freilich unter der Bedingung, dass das alle infrage kommenden Bürger tun. Aber auf welchem Wege sollte das geschehen? Zumeist wird nach der Erhöhung des Spitzensteuersatzes gerufen, dem jedoch wird entgegengehalten, dass dies nur die Steuerflucht der Superreichen begünstige. Unterm Strich weiß auch niemand, wie viel dabei herauskommt, ob ein solcher Schritt nicht auch Investitionsbereitschaft und den Luxus-Konsum in Deutschland behindere.

Steuern sind eine Last, sind ein Zwang, die jeder vermeiden will, der es irgendwie kann, egal, ob er wenig oder viel zu versteuern hat. Darum muss man nach anderen Wegen suchen. Die Alternativen liegen auf der Hand: privates Sponsoring und Mäzenatentum. Warum entwickelt sich unter denen, die genug Vermögen haben, nicht eine Kultur der Wohltätigkeit und des Spendens? Das Geld, welches das holländische Orchester oder das deutsche Theater benötigt, könnte privat leicht aufgebracht werden. Aber dazu gehören immer zwei: Einer, der das Geld hat und gern geben will, und einer, der es braucht.

Die Idee, auf die Suche nach privaten Sponsoren zu gehen, wenn die öffentlichen Kassen leer sind, ist jedoch in Europa nicht ausreichend verbreitet. Die Stadt oder das Land sollen die städtischen Kultureinrichtungen bezahlen, und wenn die kein Geld haben, wird zwar die Öffentlichkeit informiert, wenn das aber nichts nützt, wird zu oft resigniert. Es gibt allerdings schon einige leuchtende Vorreiter der privaten Sponsorensuche, diese werden aber, über das konkrete Projekt hinaus, in ihrer Vorbildfunktion noch lange nicht deutlich genug sichtbar gemacht.

Mäzenatentum kann Arm und Reich versöhnen

Privates Sponsoring, das Wirken als Mäzen für Kunst, Kultur, Sport, als Finanzier von Radwegen, Museumsrenovierungen und vielem anderen kann die Gesellschaft auch mit ihren Reichen versöhnen – viel besser, als das eine höhere Steuerbelastung kann. Steuern werden immer als Strafe empfunden, als ungerechte von dem, der sie bezahlen muss, und als gerechte von dem, der über die Millioneneinkünfte mancher Zeitgenossen nur den Kopf schüttelt. Wenn die Reichen jedoch mit ihrem Reichtum direkt und konkret Gutes für die Gemeinschaft tun, wächst die Bereitschaft, ihnen ihr Vermögen auch zu gönnen und zu akzeptieren, dass auch große private Vermögen für den Wohlstand aller notwendig sind. Denn die Meisten der Reichen investieren ja ihr Vermögen – zwar, um noch reicher zu werden – aber ganz nebenbei tragen sie damit auch zum Gedeihen der Volkswirtschaft bei.

Kommentator Jörg Friedrich: "Philosoph kann man erst werden, wenn sich die grauen Haare zeigen." Deshalb begann Friedrich sein Philosophie-Studium, als er die Vierzig schon überschritten hatte. Das Studium schloss er 2009 ab. Zuvor hatte er Meteorologie und Physik studiert und 1989 mit einer Diplomarbeit über die Simulation von Strukturbildung und Chaos in der Atmosphäre beendet. Heute beschäftigt er sich vor allem mit Fragen der praktischen und politischen Philosophie sowie der Technikphilosophie.

Quelle: The European

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