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Baden-Württemberg: Peinliche IT-Panne – 1.440 Lehrer plötzlich weg


"Größter Bildungsskandal seit Jahrzehnten"
Peinliche IT-Panne – 1.440 Lehrer plötzlich weg

Von t-online, mtt

16.07.2025 - 20:00 UhrLesedauer: 3 Min.
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Schulkinder in einem Klassenzimmer (Symbolbild): In Baden-Württemberg nahmen 20 Jahre lang "Geisterlehrer" echten Lehrkräften die Jobs weg. (Quelle: Florian Gaertner/photothek.net)
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Im Lauf von 20 Jahren hat ein zunächst noch kleiner Fehler immer schwerere Auswirkungen gebracht. Die Folge: In Baden-Württemberg unterrichten aktuell fast 1.500 Lehrer zu wenig.

Ein mutmaßlicher Software-Fehler hat zur Benachteiligung von Hunderttausenden Schülern in Baden-Württemberg geführt. Wie das Kultusministerium des Bundeslandes am Mittwoch bekannt gab, sind seit 2005 zahlreiche Lehrerstellen wohl aufgrund einer schweren IT-Panne unbesetzt geblieben. Einer aktuellen Zählung zufolge handele es sich derzeit um 1.440 Lehrerstellen, die im System als belegt galten, die in Wahrheit aber frei sind.

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Der Fehler ist dem Ministerium zufolge erst jetzt durch einzelne Unstimmigkeiten aufgefallen. Über die Jahre habe er dazu geführt, dass die Zahl der fälschlich als besetzt geltenden Stellen stetig gewachsen sei. Die freien Stellen sollen nun zügig besetzt werden. Das Kultusministerium werde "schnellstmöglich einen Plan erstellen, wie die Stellen effektiv an den Schulen eingebracht werden können", versprach das Ministerium am Mittwoch.

Der erste Fehler muss laut Ministerium 2005 passiert sein

Aktuell wird das Kultusministerium von Theresa Schopper (Grüne) geführt. 2005, im derzeit angenommenen Ursprungsjahr des Fehlers, war zunächst noch Annette Schavan (CDU) am Ruder, bevor später im Jahr Helmut Rau (CDU) von ihr übernahm.

Wie genau es zu dem Fehler kam, ist noch nicht hundertprozentig aufgeklärt. Laut dem Ministerium wurde damals ein neues IT-Verfahren zur Lehrerverwaltung eingeführt. Derzeit sei davon auszugehen, dass bereits bei der Datenübertragung 2005 "ein Fehler passiert sein muss". Weitere Faktoren hätten mutmaßlich zu einem Anwachsen der fehlerhaften Zahlen geführt: "Seitdem wurden Jahr für Jahr Stellen als besetzt im Programm geführt, obwohl sie frei waren."

Fehler wuchs von Jahr zu Jahr um bis zu 100 Stellen

Seither wurde die Stellenzahl stets fortgeschrieben, aber nie neu ermittelt. Das Kultusministerium nimmt derzeit an, dass die fehlerhafte Summe auch aufgrund von mutmaßlichen Programmierungsfehlern um 80 bis 100 Stellen pro Jahr angewachsen ist.

Anders als in der übrigen Landesverwaltung werden in der Personalverwaltung der Lehrer die Haushaltsstellen nicht konkret einzelnen Personalfällen zugewiesen. Grund ist die hohe Zahl von rund 95.000 Stellen. Über die Software werden sowohl die individuellen Personaldaten der Lehrer gepflegt als auch die Stellenverwaltung abgewickelt.

Die Ursachen würden nun aufgearbeitet, versprach das Ministerium. Um IT-Fehler wie diesen künftig zu vermeiden und ein deutlich verbessertes Controlling im Bereich der Kultusverwaltung zu ermöglichen, haben Kultusministerium und Finanzministerium eine Arbeitsgruppe gebildet, die auch vom Rechnungshof begleitet wird. Die Gruppe soll die Ursachen des Problems identifizieren und beseitigen.

Ministerium: Keine Steuergelder verschwendet

Das Ministerium betonte, dass keine Steuergelder verloren gegangen seien. Ein Sprecher nannte einen Korridor von 110 bis 120 Millionen Euro, den so viele Stellen wohl pro Jahr kosten würden, die aber schlicht nicht abgeflossen seien. Das sei nicht aufgefallen bei einem solchen milliardenschweren Haushalt wie dem des Kultusministeriums.

Gestärkt werden sollen jetzt die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), die Grundschulen, die Schulen der Sekundarstufe 1 abseits des Gymnasiums, die beruflichen Schulen und die Krankheitsreserven.

Eltern und Schüler empört

Die Empörung in der Bildungslandschaft ist groß, sie reicht bis zur völligen Ungläubigkeit. Der Landesschülerbeirat spricht von "Geisterlehrkräften", der Elternbeirat vom "größten Bildungsskandal seit Jahrzehnten". Der Verein für Gemeinschaftsschulen wirft der Kultusverwaltung eine "einzigartige Mischung aus Unvermögen, Achtlosigkeit und Desinteresse" vor. Zehntausende Lehrerstunden seien den Schülerinnen und Schülern im Land über Jahre hinweg vorenthalten worden.

Die Bildungsgewerkschaft GEW redet von einem Skandal und fordert, dass die 1.440 unbesetzten Stellen bis zum ersten Schultag am 15. September besetzt werden. "Jeder Euro, der in den vergangenen Jahren auf Kosten der Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Lehrkräfte nicht an die Schulen geflossen ist, muss für die dringend nötigen Investitionen wie Ganztagsausbau, Inklusion und bessere Förderung zurückgezahlt werden", forderte die Landesvorsitzende Monika Stein.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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