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Brennender Auto-Frachter in der Nordsee: Experten erstmals an Bord


In der Nordsee
Spezialisten betreten erstmals brennenden Frachter

Von dpa, t-online, mam, gda

Aktualisiert am 29.07.2023Lesedauer: 4 Min.
Feuer auf Frachter vor Ameland - Schlepper Nordic
Brennender Autofrachter: Das Schiff wird durch Wind und Strömung in Richtung Westen getrieben. (Quelle: Glomex)
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Das Feuer auf der "Fremantle Highway" nimmt ab, doch die Gefahr ist nicht gebannt. Nun haben die Einsatzkräfte ein erstes Zwischenziel erreicht.

Seit Tagen liegt der brennende Frachter "Fremantle Highway" vor der niederländischen Küste – und endlich gibt es einen ersten Lichtblick. Zum ersten Mal konnten Bergungsspezialisten an Bord des Schiffes kommen und auch eine stabile Verbindung zu einem Schlepper herstellen, teilte die Küstenwache am Freitag mit. Wohin der Frachter jetzt geschleppt werden soll, ist noch unklar.

"Im Laufe des Morgens wurde nach Messungen deutlich, dass die Temperatur an Bord der "Fremantle Highway" stark gesunken war", sagte die Küstenwache. Somit konnten die Bergungsleute an Bord gehen. Der Brand wüte zwar noch immer, aber er würde abnehmen, hieß es weiter. "Auch der Rauch wird weniger."

Was nun geschehen soll, muss die staatliche Wasserbehörde entscheiden. "Wir bereiten uns noch immer auf alle Szenarien vor", sagte der Sprecher der Wasserbehörde, Mathijs Tax, der Deutschen Presse-Agentur.

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Sorge vor Auseinanderbrechen des Frachters

Dazu gehört auch der schlimmste Fall: Ein Auseinanderbrechen oder Kentern des Frachters, der mit rund 3.800 Autos beladen ist und derzeit etwa 23 Kilometer nördlich der Insel Terschelling liegt. Schätzungsweise 1,6 Millionen Liter Schweröl würden dann ausströmen, Schwermetalle, und die fast 4.000 Autos auf Grund gehen. Öl und Schadstoffe könnten sich zudem auf die nahe gelegenen Vogelbrutgebiete und die Küsten ausbreiten.

Bislang sind die Vorhersagen für Wind und Strömung nach Informationen des zuständigen Ministeriums günstig. So würde das Öl derzeit in Richtung Norden in die offene See fließen. Das aber könnte sich jederzeit ändern. Öl und die Ladung würden dann das Naturgebiet Wattenmeer gefährden. Damit das verhindert wird, soll das Schiff idealerweise abgeschleppt werden.

Gelingt es, den Frachter an einen sicheren Ort zu schleppen – das heißt weitab von der Küste, im Norden auf offener See – wären die Inseln und das Wattenmeer zumindest nicht direkt betroffen, sagte Matthijs Tax, der Sprecher der nationalen Wasserbehörde der Niederlande, der dpa.

Bislang war dies noch nicht möglich. Als Vorsichtsmaßnahme liegen darum schon jetzt Spezialschiffe bereit, die schnell handeln sollen, sollte es zu einer Katastrophe kommen. Wie das Havariekommando auf Anfrage von t-online mitteilte, seien insgesamt sieben Spezialschiffe samt Crews sofort einsatzbereit. "Das sind fünf Schiffe der Länder und zwei vom Bund", erklärte Sprecher Benedikt Spangardt. Im Zweifel könnten weitere Schiffe, etwa aus der Ostsee, verlagert werden. "Die Einsatzkonzepte mit Kreisen, Ländern und Nachbarstaaten liegen vor und sind erprobt", so Spangardt.

Nabu-Experte: "Umweltkatastrophe ist schon da"

Nach Einschätzung eines Experten sind bereits jetzt Umweltschäden zu verzeichnen – wegen verunreinigtem Wasser, das ins Meer gelangte. Kim Detloff, beim Naturschutzbund (Nabu) zuständig für Meeresschutz, sagte NDR Info: "Tatsächlich ist die Umweltkatastrophe jetzt schon da."

Es gebe bereits kontaminiertes Lösch- und Kühlwasser. Detloff zufolge verbrennen Schadstoffe, Giftstoffe, Schwermetalle, Kunststoffe, Batterien und Öl. "Und diese Bestandteile gelangen schon jetzt über das Kühlwasser ins Ökosystem, so dass es lokal zu Verunreinigungen kommt", sagte Detloff. Das sei jedoch kein Vergleich zu dem, was drohe, wenn das Schiff sinken sollte.

Nach Einschätzung von Detloff gibt es zurzeit für die Einsatzkräfte drei Optionen: Sie können das Schiff brennen lassen und hoffen, dass das Feuer schwächer wird. Der Frachter könne zu einem Nothafen geschleppt werden, dann gingen Löschmannschaften gegebenenfalls an Bord. Oder man lasse das Schiff gezielt auf Grund laufen, sollte es sinken. Gegenwärtig versuche man, es weiter raus auf See zu schleppen und vom Wattenmeer zu entfernen. Das sei eine Möglichkeit, um Zeit zu gewinnen. Mehr zu den möglichen Szenarien lesen Sie hier.

Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer forderte die Bundesregierung am Freitag auf, großen Schiffen verbindliche Vorgaben zum Befahren einer küstenfernen Route zu machen. "Es müssen endlich Konsequenzen aus vergangenen Havarien gezogen werden", sagte der Grünen-Politiker der "Ostfriesen-Zeitung" und der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". "Niedersachsen hat mehrfach diese Forderung in Berlin platziert, aber der Bund hat noch immer keine konkreten Maßnahmen umgesetzt."

Großcontainerschiffe und Frachter könnten eine "latente Gefahr" für die niedersächsische Küste sein. Gerade bei schlechtem Wetter sei die Gefahr einer Havarie und einer Umweltkatastrophe groß, sagte Meyer. Schon nachdem der Containerfrachter "MSC Zoe" 2019 im Sturm Hunderte Container in der Nordsee verlor, hatten Umweltschützer, Vertreter von Nordseeinseln und Landespolitiker gefordert, strengere Vorgaben zum Befahren der küstennahen Route zu machen.

Brandursache noch unklar – E-Autos unter Verdacht

Der unter der Flagge von Panama fahrende Frachter war auf dem Weg von Bremerhaven nach Singapur, als in der Nacht zum Mittwoch das Feuer ausbrach. Die Brandursache ist noch unklar. Möglicherweise war der Brandherd in der Batterie eines elektrischen Autos. Das Schiff soll etwa 500 elektrische Autos geladen haben und damit weitaus mehr als die bisher gemeldeten 25. Das berichtete die niederländische Nachrichtenagentur ANP am Freitag. Sie beruft sich auf Angaben des Unternehmens K Line, das die "Fremantle Highway" vom japanischen Reeder gechartert hat.

Möglicherweise könnte die Lithium-Batterie eines der Elektroautos den Brand verursacht haben. Erst kürzlich hatte der Industrieversicherer der Allianz (AGCS) vor erhöhtem Brandrisiko durch den Transport der Lithium-Ionen-Akkus auf Schiffen gewarnt. Hauptursachen für Brände, die von den Akkus ausgehen, seien Produktionsdefekte, beschädigte Batteriezellen oder Geräte sowie eine Überladung oder Kurzschlüsse, schreibt der Versicherer in seiner neuesten Schifffahrtsstudie.

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Sie seien tückisch, weil sie schwer zu löschen seien und sich spontan wiederentzünden könnten. "Die meisten Schiffe verfügen weder über ausreichenden Schutz noch über ausreichende Frühwarn- oder Löschfähigkeiten, um solche Brände auf hoher See zu bekämpfen", sagte der Schifffahrtsexperte Justus Heinrich.

An Bord der "Fremantle Highway" befinden sich keine Menschen mehr. Die Besatzung war am Mittwoch evakuiert worden. Dabei war ein Mensch gestorben. Die übrigen 22 Crew-Mitglieder wurden leicht verletzt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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