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Interview mit Sven Plöger: "Die Chancen beim Klimawandel sehen"


Interview mit Sven Plöger
"Es ist wichtig, beim Klimawandel die Chancen zu sehen und nicht zu resignieren"

Aktualisiert am 27.07.2021Lesedauer: 5 Min.
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Sven Plöger ist Diplom-Meteorologe und Klimaexperte. Er arbeitet seit 1996 als Meteorologe für Meteomedia und moderiert neben den TV- Wettersendungen in der ARD auch im WDR, SWR, NDR und RBB. Auch in den Hörfunkprogrammen des SR, WDR und Radio Seefunk sind seine Wetterberichte regelmäßig zu hören. Darüber hinaus moderiert er regelmäßig bei wetter.info. Sven Plöger hält Vorträge mit den Themenschwerpunkten Wetter und Klima und moderiert Veranstaltungen.

Herr Plöger, Sie haben für ihr neues Buch "Gute Aussichten für morgen. Wie wir den Klimawandel für uns nutzen können" einen sehr hoffnungsvollen Titel gewählt. Warum?

Plöger: Ich denke, wenn wir das Thema Klimawandel panisch und hysterisch oder auf der anderen Seite zu beschwichtigend angehen, dann können wir nichts erreichen. Ich möchte das Thema positiv vermitteln, damit wir unsere Chancen sehen und nicht resignieren.

Worin sehen Sie die größten Möglichkeiten?

Ich denke, der Schlüssel ist ein Wandel im Energiemix. Fakt ist, dass es einen zu hohen Ausstoß an Treibhausgasen gibt. Momentan beziehen wir unsere Energie zu 90 Prozent aus fossilen Energieträgern. Das führt beispielsweise zu 30 Milliarden Tonnen CO 2, die im Jahr weltweit in die Atmosphäre gelangen, was eindeutig zu viel ist. Wir müssen hin zu mehr regenerativer Energie.

Wie können wir dieses Ziel erreichen?

Wir haben unglaublich viele Möglichkeiten, bis hin zum Kombikraftwerk - also der Mischung aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse. Ich glaube, dass es die „Wunderwaffe“, die große geniale Erfindung, die all unsere Probleme auf einen Schlag löst, nicht gibt. Wir brauchen also einen durchdachten Mix. Nur so können wir das Wirtschaftswachstum von der Emission der Treibhausgase entkoppeln und den Klimawandel erfolgreich bekämpfen. Außerdem ist die fossile Energie unabhängig von aller Klimaproblematik endlich, irgendwann ist Feierabend. Und deshalb sollte man sich rechtzeitig darüber Gedanken machen.

Welche Rolle könnte die Solarenergie spielen?

Stellen Sie sich vor, es gebe eine Kommission, welche die Energieversorgung für eine nagelneue Erde mit 6,7 Milliarden Menschen lösen soll. Dann würde dieses Gremium bestimmt nicht das heutige Modell wählen, also 90 Prozent der gesamten Energieversorgung mit fossiler Energie zu bestreiten, die endlich ist und zugleich noch dem Klima schadet. Jeder würde stattdessen schauen, was wir für Angebote in der Natur haben. Da liegt natürlich die Sonne ganz vorne. Sie liefert uns 5810 Mal so viel Energie, wie wir derzeit global verbrauchen. Es gilt also, die Sonne mit ihrem Angebot besser anzuzapfen. Heute liegt der Anteil an Solarenergie bei 0,05 Prozent weltweit und bei 0,8 Prozent in Deutschland. Das ist ja fatal. Hier kann man sehr viel verbessern, das sollte für uns der Ansporn sein.

Haben Sie die Hoffnung, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen - also die Wirtschaftskrise zu bekämpfen und zugleich etwas gegen den Klimawandel tun?

Plöger: Ja, das ist die zweite Kernaussage meines Buches: Jetzt ist die Gelegenheit, eine Erneuerung vorzunehmen, denn wir haben auch wirtschaftlich etwas davon. Wenn sich zum Beispiel die Solartechnik und andere alternative Energieformen weiter entwickeln, in die Massenproduktion gehen und neue Technologien hinzukommen, dann ist das ein riesiger Wirtschaftsfaktor. Und das schafft Arbeitsplätze!

Sie appellieren dabei aber auch an die Verantwortung jedes Einzelnen...

Ja, denn die Summe vieler einzelner Dinge ist entscheidend. Der Klimawandel ist ein globales Problem, aber global bedeutet die Summe vieler lokaler Ereignisse und Handlungen. Erst die Summe des Verhaltens jedes Einzelnen macht nachher das Ergebnis aus. Es ist auch im Alltag durchaus möglich, Energie zu sparen, indem man ein paar einfache Dinge berücksichtigt. Zum Beispiel nur mit 30 statt mit 40 Grad zu waschen. Die Wäsche wird genauso sauber und man kann so Energie und Geld sparen. Ich glaube die Kombination aus Energie- und Geldsparen ist sehr motivierend - gerade in Zeiten der Krise. Das sieht man auch in der Automobilbranche wunderbar. Jetzt wollen die Leute kleine, umweltfreundliche Autos, die kostengünstig sind. Schauen Sie mal, wie schnell sich die Autobauer umstellen können, um wieder Fahrzeuge zu verkaufen!

Wer muss den Anfang machen?

Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, der Startschuss steht und fällt mit den richtigen Rahmenbedingungen, die die Politik vorgeben muss. In unserem Wirtschaftssystem dominieren finanzielle Fragen und damit das Profitstreben. Wenn jemand Energie erzeugt und damit die Umwelt verschmutzt, dann darf er damit nicht viel Geld verdienen, sondern muss dafür zahlen. Denn der Wunsch der Allgemeinheit ist ja nicht die Verschmutzung, sondern das Sauberhalten unserer Umwelt. Emissionen müssen also weltweit etwas kosten - das ist die politische Rahmenbedingung. Dann wird automatisch nach Alternativen gesucht, die die Energie emissionsärmer erzeugen. Genau das verringert dann nämlich die Kosten und erhöht so den Profit. Wenn die Rahmenbedingungen da sind, passiert vieles von selbst. Dann haben auch die alternativen Energien eine Chance.

Es muss also wehtun, sonst wird kein Umdenken stattfinden?

Ich glaube ja, es muss wehtun, und es wird wehtun. Die Energiekosten nehmen zwar momentan in der Rezession ab, aber langfristig werden die Preise durch die begrenzten Vorräte und die zunehmende Nachfrage wieder steigen. Starten wir jetzt mit dem Umbau hin zu einem neuen Energiemix, der mittelfristig ja ohnehin zwingend notwendig ist, dann wird der Übergang sanfter und wir stolpern nicht konzeptlos in das Aus der fossilen Energie. Die Kosten sind der Schlüssel zum Umdenken. Solange eine Beschädigung der Umwelt nichts kostet, stimmt etwas nicht an der Preisbildung. Deshalb ist die fossile Energie momentan unverhältnismäßig billig und man sagt, die regenerative Energie kann damit nicht konkurrieren. Aber das stimmt nur deshalb, weil man bei der Preisbildung einfach die Emissionsschäden weglässt und auf Kosten der Natur zu unserem eigenen Schaden lebt.

Warum fällt es so schwer einzusehen, dass man jetzt handeln muss und nicht beliebig lange warten kann?

Ich glaube, wir dürfen die menschliche Vernunft nicht überschätzen. Ein Problem zu erkennen oder aktiv zu handeln, das ist ein riesiger Unterschied. So ähnlich wie beim Rauchen – das ist schädlich und viele tun es trotzdem. Außerdem ist der Klimawandel ein sehr langfristiges Thema. Es ist für uns schwierig, Dinge in den Vordergrund zu stellen, die sich langfristig ändern. Und ich merke nicht unmittelbar das, was ich tue. Wenn ich heute anfange, mehr für die Umwelt zu tun, dann spüre ich die Folgen zunächst nicht – das dauert! Das ist eins unser großen Probleme. Deshalb sind andere Themen in unserem Alltag oft präsenter und deshalb ist dieses "Jetzt müssen wir anfangen zu handeln" unglaublich schwer.

Trotzdem bleiben Sie optimistisch...

Das Thema kommt mehr und mehr in unserer Gesellschaft an – auch in den Chefetagen großer Firmen setzt sich durch, dass der Blick nach vorne mehr Chancen eröffnet als das rückwärtsgewandte Klammern an Althergebrachtem. Statt panisch oder beschwichtigend mit dem Thema umzugehen müssen wir noch lernen, die Sachzusammenhänge in den Vordergrund stellen. Ich hoffe, dass mein Buch etwas dazu beitragen kann, sich sachlich mit dem Thema Klimawandel auseinanderzusetzen und dass jeder einzelne etwas dagegen tun kann.

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